Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, 1016 Seiten ISBN 978-3-384-05017-5 38 Euro

1043 – Adalbert wird Erzbischof von Hamburg und Bremen, gern wäre er Patriarch Geworden

Er hätte gern nur Positives über seinen Freund, den Erzbischof Adalbert geschrieben, aber Adam von Bremen, Domherr der Stadt, konnte in seiner etwa 1075 verfassten „Hamburgischen Kirchengeschichte“ um der Ehrlichkeit willen nur die „Geschichte eines so zwiespältigen Menschen“ aufschreiben. Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Adalbert wurde im Jahre 1000 als Sohn des Grafen Friedrich von Goseck geboren und auf Initiative seiner Mutter in das Kloster Halberstadt gegeben, wo er eine gute Bildung erhielt und 1032 zum Dompropst aufstieg. Allerdings wird berichtet, er wäre „drohend in Blick und Gehabe, überheblich in der Wahl der Worte und allen unheimlich“ gewesen. Aber vielleicht beruht dieses Urteil schon auf den späteren Ereignissen um Adalbert.

Jedenfalls genoss er ein so hohes Ansehen, dass er 1043 in Aachen zum Erzbischof von Hamburg und Bremen gesalbt wurde. Der Papst erweiterte sein Erzbistum Hamburg-Bremen um ganz Skandinavien und das Nordmeer, woraufhin der neue Erzbischof auch einen Bischof für Island und Grönland weihte. Adalbert übernahm keine einfache Aufgabe. Zum einen hatte die Herzogsfamilie derer von Billung Hamburg und seine Umgebung als Lehen erhalten, um von hier aus das Reich gegen Angriffe aus dem Norden zu schützen.

Die Rechte von Erzbischof und Herzog waren nicht klar abgegrenzt, und Adalbert erklärte unmissverständlich, dass in seinem Bistum weder ein Herzog noch eine Gerichtsperson ein Recht oder eine Gewalt ausüben könnte. Den Billunger Herzog Bernhard II.  brachte er dadurch in Misskredit, dass er ihm vorwarf, er hätte den König bei einem Besuch in Bremen ermorden wollen.

Im Konflikt mit den Bischöfen in Skandinavien

Mindestens so schwierig war Adalberts Verhältnis zu den Kirchen in den Missionsgebieten in Skandinavien. Hier waren eigenständige Bistümer entstanden, die eng verbunden waren mit den Königreichen Dänemark, Norwegen und Schweden. Die skandi­navischen Bischöfe weigerten sich beharrlich, eine kirchliche Aufsicht durch den Erzbischof im fernen Hamburg zu akzeptieren, zumal der wichtige Staatsfunktionen im deutsch-römischen Reich innehatte und Skandinavien damit indirekt eine deutsche Kontrolle gedroht hätte.

Als die Skandinavier auf eigenen Erzbistümern bestanden, reagierte Adalbert darauf mit der Forderung an den Papst, in Hamburg ein „Nordisches Patriarchat“ einzurichten, damit er als Patriarch ganz Nordeuropa für die Kirche leiten konnte. Der Plan schlug fehl, und so musste er erleben, dass die nordischen Bischöfe nicht zu einem von ihm einberufenen Konzil in Schleswig erschienen und sein Einfluss in Nordeuropa immer mehr schwand.

Ein Kirchenführer mit großem Einfluss in Kirche und Politik

Dafür stieg er in Deutschland zum engen Berater von Heinrich III. auf und begleitete ihn auf vielen Feldzügen. Das machte ihn zu einem der mächtigsten Männer des Reiches. Selbst Papst hätte Adalbert werden können, hieß es, aber er zog es vor, von Hamburg und Bremen aus die Geschicke des Landes mitzuentscheiden und vielleicht doch noch Patriarch zu werden. Nach dem Tod Heinrichs III. im Jahre 1056 wurde Adalbert zum Regenten für den minderjährigen Königssohn Heinrich IV. bestellt und nutzte diese Position, um die Politik des Landes zu beeinflussen und zugleich sein Erzbistum auszuweiten. Wenn das Geld für seine ambitionierten Gebietserwerbungen zur Vergrößerung des Erzbistums nicht reichte, verkaufte er zum Entsetzen der Geistlichkeit auch Kirchenschätze, um seine Pläne zu verwirklichen.

Adam von Bremen musste feststellen, „dass der sonst so weise Mann von jenem weltlichen Ruhm, den er allzu wert hielt, zu dieser Verweichlichung des Charakters verleitet wurde, weil er im Glück irdischen Besitzes zum Hochmut sich erhebend in der Erlangung von Ruhm kein Maß kannte, im Unglück dagegen mehr als recht, niedergebeugt war und dem Zorn oder dem Kummer die Zügel schießen ließ.“ Das Unglück folgte rasch auf den Aufstieg, denn Adalbert hatte sich unter den Fürsten, Grafen und Kirchenführern viele Feinde gemacht, angefangen bei den heimischen Herzögen von Billung. 1066 erzwangen diese gemeinsam, dass Heinrich lV. für mündig erklärt wurde und der Erzbischof allen politischen Einfluss verlor.

Konflikte mit dem Billunger Herzögen 

In Hamburg hatten die Billunger Herzöge 1023 auf der anderen Alsterseite eine „Neue Burg“ errichtet, die sich etwa dort befand, wo heute die Ruine der Nikolaikirche steht. Das Verhältnis zwischen Billungern und Kirche war damals noch gut, und so überließ Bernhard II. der Kirche das nicht mehr benötigte Gelände der Hammaburg, wo Erzbischof Unwan eine Domkirche erbauen ließ. Herzog und Erzbischöfe hatten ein gemeinsames Interesse, Hamburg zu schützen und seine Expansion zu fördern. Die Stadt erlebte eine Blütezeit. Mit Adalbert kühlte die Beziehung zwischen weltlicher und geistlicher Macht schon deshalb ab, weil Adalbert die Gerichtsbarkeit, die bisher bei den Billungern lag, für sich beanspruchte.

Als Patriarch, so war Adalbert überzeugt, wäre die Machtfrage ohnehin endgültig zu seinen Gunsten entschieden worden. Adam von Bremen hat dieses Neben- und Gegeneinander so kommentiert: „So eigentümlich waren jetzt Herzen und Behausungen voneinander geschieden, dass der Herzog die neue, aber der Erzbischof die alte Stadt bewohnte.“

Es kam noch schlimmer für Adalbert, denn man setzte ihn 1066 als Erzbischof ab, und er musste nach Goslar flüchten. Hier verfiel er, so wird berichtet, in Melancholie, Depressionen und Zornausbrüche. Die Slawen sollen die Konflikte in Hamburg ausgenutzt und die Stadt 1066 erobert haben. Bereits 1072 zerstörten sie diese nach historischen Berichten erneut, aber Archäologen haben bisher keine Belege für diese Zerstörungen gefunden. Adalbert starb einsam und verlassen am 16. März 1072 und wurde wie die anderen Erzbischöfe von Hamburg-Bremen im Bremer Dom zur letzten Ruhe gebettet.

Anders als die Fürstbischöfe konnte sich der Erzbischof von Hamburg nicht als mächtiger politischer Herrscher etablieren, sondern musste die politische Macht den Herzögen überlassen. Die Billunger regierten nicht mehr lange, und die Schauenburger Grafen lösten sie ab, die ganz eindeutig die Herren des Gemeinwesens waren. Der Kirche behielt einen eigenständigen Dombezirk und dies bis Anfang des 19. Jahrhunderts.

Die Statue Adalberts in der Fassade des Hamburger Rathaus erinnert an den Erzbischof, der gern auch politische Macht in der Stadt ausgeübt hätte. 

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann