Das Fahrrad als Alternative

 

Ein Verkehrsmittel der Zukunft ist das Fahrrad, und immerhin sind im Jahre 2000 weltweit etwa 100 Millionen Fahrräder produziert worden, davon gut die Hälfte in China. Dass das Fahrrad vielseitig einsetzbar ist, wird in der kenianischen Provinzstadt Busia an der Grenze zu Uganda bewiesen. Dort verdienen 4.200 Einwohner ihren Lebensunterhalt, indem sie mit Fahrradtaxis Menschen und Waren befördern. Die Radfahrer sind in Selbsthilfevereinen organisiert und verdienen an guten Tagen drei Euro am Tag. Das ist kein fürstliches Salär, aber da die Lebensmittelpreise in der Stadt niedrig sind, ist der Job für junge Leute interessant. Zu einem festen Preis fahren sie Kunden und Waren kreuz und quer durch die Stadt. Die Selbsthilfevereine sorgen dafür, dass alles mit rechten Dingen zugeht, und so sind die Radtaxis sehr beliebt. Diese Form der Mobilität hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass sie in Nachbarorten und jenseits der Grenze in Uganda übernommen wird.[1]

 

Die Welthauptstadt der Fahrrad-Rikschas ist aber zweifellos Dhaka, die Hauptstadt von Bangladesch. 200.000 Fahrrad-Taxis gibt es in der Stadt und doppelt so viele Fahrer, die im Schichtbetrieb arbeiten. Mehrere Millionen Fahrgäste und viele Tonnen Fracht werden jeden Tag ans Ziel gebracht, schnell, umweltfreundlich und preiswert. Allerdings, der preiswerte Transport hat die Wirkung, dass die Fahrer und ihre Familien nur ein kümmerliches Dasein fristen. Und die Zukunft ist ungewiss. Denn in immer mehr asiatischen Städten gehen die Behörden gegen die Rikschas vor. In Kalkutta werden sie von Tagelöhnern, die von den Behörden angeheuert werden, in Stücke gehauen. In der indonesischen Hauptstadt gibt es Rikscha-Verbot, und die Behörden versenken in spektakulären Aktionen Tausende dieser Gefährte im Meer.

 

Mit den Rikschas wird nicht nur die Existenz der Besitzer zerstört, sondern auch ein Stück asiatischer Kultur. Walter Keller und Tobias Opitz schreiben hierzu: „Neben den unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen für Hunderttausende und der ökologischen Mehrbelastung der asiatischen Metropolen durch immer mehr Motortaxis wird mit der Verdrängung dieses archaischen asiatischen Transportmittels auch ein Stück lebendiger Kultur vernichtet. Kunst an den Fahrrad-Rikschas ist die Kunst der Armen und Unterdrückten, ist Spiegelbild der Geschichte. So gehören die Rikschas in Bangladesch zu den buntesten der Welt.“[2]

 

Die Fahrrad-Rikschas stören die Vorstellungen der Regierenden von modernen Städten und – was vielleicht noch mehr zählt – sie stören den Autoverkehr. Dafür tauchen die ersten High-Tech-Rikschas in europäischen Metropolen auf und transportieren vor allem Touristen. In westlichen Ländern erlebt das Fahrrad eine neue Blüte, wenn die Kommunen den Radfahrern gute Möglichkeiten bieten. So fährt ein Drittel der Einwohner von Kopenhagen mit dem Fahrrad zur Arbeit.[3]

 

In den fahrradfreundlichen Niederlanden werden 27 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, in Deutschland nicht einmal 12 Prozent. Dabei ist die Hälfte aller Autofahrten kürzer als fünf Kilometer, eine Strecke, die auch Ungeübte gut mit dem Fahrrad zurücklegen können. Ein Beispiel dafür, dass sich dies ändern lässt, ist, Troisdorf in Nordrhein-Westfalen, wo in den 90er Jahren systematisch eine „fahrradfreundliche Stadt“ entstanden ist. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Wurden vorher nur fünf Prozent aller Wege zwischen fünf und zehn Kilometern mit dem Fahrrad zurückgelegt, so sind es inzwischen 16 Prozent.[4]

 

Zu den kirchlichen Initiativen zur Förderung des Fahrradverkehrs gehören Brot für die Welt-Aktionen „Bike & Help“, zum Beispiel zum Kirchentag 2000, bei denen längere Strecken gefahren und für jeden Kilometer Sponsoren gesucht werden, mit deren Hilfe Projekte im Süden der Welt gefördert werden. Es gibt viele weitere positive Anzeichen für eine Renaissance des Fahrrads auch in kirchlichen Kreisen. So kritisiert der Nordelbische Umweltpastor Thomas Schaack die Folgen des Autoverkehrs und fordert: „Auf die Fahrräder!“. Die Nordelbische Synode hat bereits 1989 erklärt: „Der bisherige Vorrang des Autos in der Verkehrspolitik ist abzubauen.“[5]

 

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

 

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

 

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann

 

 

 

 



[1] Vgl. den Beitrag von Christoph Link in der Frankfurter Rundschau vom 8.9.2001

[2] Süddeutsche Zeitung, 12.10.2002

[3] Vgl. epd-Zentralausgabe, 19.7.2002

[4] Vgl. Das Parlament, 11.1.2002

[5] Nordelbische Kirchenzeitung, 4.8.2002