Fairer Handel in Zeiten der Globalisierung

 

Ein wichtiger alternativer Bereich ist der Faire Handel, der seit den 70er Jahren nicht zuletzt dank kirchlicher Unterstützung und lokaler kirchlicher Initiativen beachtliche Erfolge erzielt hat. So deckt zum Beispiel immerhin die Hälfte der Kirchengemeinden in Nordelbien zumindest einen Teil ihres Bedarfs über eine Fair-Handelsgruppe oder einen Weltladen.[1] In anderen Kirchen sieht es ähnlich aus.

 

Dennoch hat der Faire Handel bisher deutlich weniger als 1 Prozent des deutschen Lebensmittelumsatzes erreicht. Am Mangel an Initiativen und Ideen kann dieser begrenzte Erfolg nicht liegen. Viele Gruppen haben Weltläden aufgebaut oder verkaufen fair gehandelte Produkte auf Wochenmärkten oder bei kirchlichen Veranstaltungen. Mit dem „TransFair“-Siegel war es Anfang des Jahrhunderts gelungen, Produkte in 22.000 Supermärkte zu bringen, die unter Einhaltung von sozialen Standards produziert werden, unter anderem Kaffee, Tee, Schocklade und Honig.[2]

 

Ein grundlegendes Problem des Fairen Handels ist, dass es an Kapital und Zuschüssen fehlt, um noch wirkungsvoller Werbung und Bildungsarbeit zu betreiben, noch attraktivere Sortimente und Läden zu gestalten und die Vermarktung zu professionalisieren. Auch gibt es immer wieder Debatten darüber, was der Faire Handel soll. Vielen Aktiven in Läden und Gruppen geht es darum, den Produzenten im Süden der Welt, überwiegend Kleinbauernfamilien und Handwerker, ein verlässlicher Partner zu sein, der ihnen dabei hilft, besser zu überleben und zu leben, als dies unter den rauen Gesetzen des Weltmarktes der Fall wäre.

 

Kritiker wenden ein, die Fair-Handels-Bewegung sei nicht politisch genug. Sie könne ohnehin keine signifikante Alternative zum vorherrschenden Welthandelssystem darstellen und solle mehr Energie darauf verwenden, sich für eine Veränderung des internationalen Wirtschaftssystems einzusetzen. Immerhin wird in einer insgesamt durchaus kritischen Studie zum Fairen Handel festgestellt: „Der Faire Handel ist einer der wenigen Orte in unserer Gesellschaft, an denen die Auseinandersetzung mit entwicklungspolitischen Fragen überhaupt noch stattfindet.“[3]

 

Unter dem Blickwinkel, Alternativen zur vorherrschenden Globalisierung zu schaffen, ist der Faire Handel zweifellos ein wichtiger Akteur, vor allem dann, wenn es gelingt, auch ökologische Gesichtspunkte in diesen Handelsbeziehungen zum Zuge kommen zu lassen. Und dies ist in der Tat ein Trend in der Branche, nicht zuletzt deshalb, weil viele Kundinnen und Kunden, die sozial verantwortlich einkaufen wollen, auch Umweltschutz und Gesundheit hoch bewerten. Der Streit, ob der Faire Handel nun eine Alternative zum vorherrschenden Handel ist oder nicht[4], erscheint aus der Perspektive, Alternativen zur vorherrschenden Globalisierung zu schaffen, in einem neuen Licht.

 

Wenn zum Beispiel in der erwähnten Studie die Forderung aufgestellt wird, der Faire Handel solle seine Partner fit für den Weltmarkt machen und dorthin entlassen, um sich neuen kleinen und unerfahrenen Produzenten zuzuwenden, so lassen sich an dieser These durchaus Zweifel anmelden.[5]

 

Wenn es gilt, in möglichst starken und großen Bereichen vorzumachen, dass es Alternativen zu einer rücksichtslosen Marktwirtschaft in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen gibt, dann sind erfolgreiche Kleinbauerngenossenschaften oder Handwerker wichtige Partner auf diesem Weg. Es geht dann nicht darum, sie fit für das „Haifischbecken“ zu machen, sondern Ziel muss es sein, mit ihnen gemeinsam den fairen Teil des Welthandels auszubauen. Ob der Faire Handel jemals einen hohen Marktanteil erreicht, ist nicht vorhersehbar, aber andere europäische Länder zeigen, dass es zumindest möglich ist, einen deutlich höheren Anteil als in Deutschland zu erreichen.[6]

 

Es geht nicht nur um mehr Umsatz

 

Gemeinsam mit den Partnern im Süden gilt es aber nicht nur, das Geschäftsvolumen zu vergrößern, so wichtig dies ist, sondern es müssen auch zwei Botschaften an die Verbraucherinnen und Verbraucher vermittelt werden: Das vorherrschende internationale Handelssystem trägt zur Verarmung und zu gravierenden ökologischen Schäden im Süden der Welt und auf dem ganzen Globus bei – und der Faire Handel ist ein Versuch, den Handel auf verbindlichen sozialen und ökologischen Maßstäben aufzubauen. Fundamentale Kritik und die Schaffung alternativer Strukturen sind aus dieser Perspektive wichtige politische Aufgaben des Fairen Handels. Auch die „Brot für die Welt“-Aktion „Mahlzeit“, die vor allem die Küchen von Tagungsstätten und Kantinen zu einem anderen Einkaufsverhalten ermutigt hat, diente diesem Ziel.[7]

 

Es gibt auch innerhalb des herrschenden Systems ein erhebliches Reformpotenzial, das im Interesse der Verlierer der Globalisierung genutzt werden muss. Der Erfolg, dass „TransFair“-Produkte https://www.fairtrade-deutschland.de/ in vielen herkömmlichen Supermärkten zu finden sind, ist ein Beweis dafür. Aber der größte Beitrag des Fairen Handels auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung besteht darin, einen möglichst überzeugenden und wachsenden Sektor aufzubauen, wo vorgemacht wird, dass das herrschende System nicht ohne Alternativen ist. Ergänzend dazu gilt es weiterhin, die Missstände der vorherrschenden globalen Produktionsstrukturen offenzulegen und zu kritisieren, wie dies zum Beispiel im Rahmen der „clean clothes“-Kampagne https://saubere-kleidung.de/ international geschieht.

 

Große Unternehmen leben von ihrem Image und der positiven Bewertung ihrer Marken. Deshalb entsteht durch die Enthüllung von Missständen und Skandalen ein Imageschaden, der sich kurzfristig auch durch die teuerste Werbekampagne nicht ausgleichen lässt. Das hat ein global agierendes Unternehmen wie Ikea veranlasst, alle seine 2.000 Lieferanten darauf zu überprüfen, ob der Verhaltenskodex der Firma eingehalten wird. Dieser Kodex wurde in Zusammenarbeit mit Organisationen wie Greenpeace erarbeitet und enthält neben ökologischen Kriterien zum Beispiel Richtlinien zur Einhaltung eines Mindestlohnes und des Verbots von Kinderarbeit.[8]

 

Multinationale Konzerne werden auf diese Weise nicht zu Vorbildern eines Fairen Handels, aber es werden grobe Missstände beseitigt. Vielleicht trägt auch die Existenz des Fairen Handels dazu bei, dass bei internationalen Unternehmen immer mehr die Einsicht wächst, dass wirtschaftliches Handeln nicht von ethischen Fragen getrennt werden kann.

 

Die Verknüpfung von Fairem Handel und regionalen Produkten

 

Erfreulich ist im Blick auf den Fairen Handel die wachsende europäische Zusammenarbeit von etwa 2.500 Weltläden im „Network of European World Shops“. Dieses Netzwerk organisiert gemeinsame Kampagnen und die Europäischen Weltladentage. Es betreibt außerdem Lobbyarbeit bei der EU. Die weitere europäische Perspektive dürfte dazu beigetragen haben, dass die vielen Akteure im deutschen Fairen Handel nun im nationalen „Forum Fairer Handel“ zusammenarbeiten.[9]

 

Besonders erfolgversprechend sind Bestrebungen, den Fairen Handel mit Waren aus dem Süden der Welt mit neuen Formen des Produzierens und Handelns im eigenen Land zu verbinden. Ein Beispiel dafür sind die Bemühungen der Kampagne „Fair kauft sich besser“ in Schleswig-Holstein, bäuerliche Direktvermarkter dafür zu gewinnen, in ihren Hofläden oder auf ihren Ständen auch fair gehandelte Ware aus Übersee anzubieten. Dies eröffnet ihnen neue Einkommensmöglichkeiten und schließt zugleich die Versorgungslücken des Fairen Handels im ländlichen Raum. Einer der Initiatoren des Projektes, Martin Weber, ist überzeugt: „Fairer Handel und die Bevorzugung von Produkten aus regionaler Landwirtschaft können sich gegenseitig ergänzen ... Die Grundsätze des Fairen Handels – direkter, partnerschaftlicher Handel, Verzicht auf ausbeuterische Kinderarbeit, faire Erzeugerpreise, hochwertige Qualität der Produkte, umweltverträgliche Herstellung – werden auch von landwirtschaftlichen Direktvermarktern verfolgt. Bäuerliche Betriebe in den Ländern des Südens und direktvermarktende Betriebe bei uns haben die zunehmend qualitätsbewussten Verbraucher als gemeinsame Zielgruppe.“[10]

 

Zum verantwortlichen Einkauf und Konsum gehört es sowohl, Güter aus lokaler Produktion zu bevorzugen, als auch die Waren, die aus Übersee importiert werden, möglichst aus dem Fairen Handel zu beziehen. Beide Bereiche ergänzen einander, jedenfalls in all den Fällen, wo eine lokale Produktion nicht sinnvoll oder möglich ist, zum Beispiel bei Bananen.

 

 

 

 


Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann

 

 

 

 



[1] Vgl. Jan Christensen: Am Bedarf der Menschen orientiert, in: Nordelbische Mission, 4/2002, S. 5

[2] Vgl. Norbert Dreßen: „Fair schmeckt besser“, in: Misereor Aktuell, 3/2002, S. 22

[3] Uwe Kleinert: Inlandswirkungen des Fairen Handels, in: Misereor/Brot für die Welt/Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.): Entwicklungspolitische Wirkungen des Fairen Handels, Aachen 2000, S. 22

[4] Vgl. u. a. Misereor u. a.: Entwicklungspolitische Wirkungen des Fairen Handels, a. a. O., S. 286ff.; Beiträge zur Debatte über den Fairen Handel sind außerdem im Jahre 2001 im Forum der Zeitschrift „der überblick“ erschienen

[5] Vgl. ebenda, S. 296f.

[6] So wird in der Schweiz beim Kaffee ein Anteil des Fairen Handels von fünf Prozent erreicht, beim Importhonig sogar von sieben Prozent und bei den Bananen von mehr als fünfzehn Prozent; vgl. Richard Gerster, Globalisierung und Gerechtigkeit, a. a. O., S. 110

[7] Vgl. hierzu u. a. den Beitrag „Politik mit dem Kochtopf“ in: epd-Dokumentation 30/2002, S. 56ff.

[8] Vgl. Süddeutsche Zeitung, 26.2.2002

[9] Vgl. Hans Chrisoph Bill: Der Blick über den Tellerrand, in: Nordelbische Mission, 4/2002, S. 8f.

[10] Martin Weber: Fair kauft sich besser, in: Nordelbische Mission, 4/2002, S. 11