Jesu öffentliches Auftreten

 

Jesus schloss sich als junger Mann der Bewegung von Johannes dem Täufer an und ließ sich von ihm taufen. Johannes war einer der damals zahlreichen Propheten, der das nahe Ende dieser Welt verkündete und zu Buße und Umkehr aufrief. Mit dieser Botschaft löste er eine Massenbewegung aus.[1] Die Katastrophe stände unmittelbar bevor, und die Taufe war der Weg, um dem drohenden Strafgericht Gottes zu entkommen.[2] Jesus hat demgegenüber nicht die Botschaft vom drohenden Weltgericht in das Zentrum seiner Predigten gestellt, sondern die Gnade und Güte Gottes. Aber die Vorhersage des drohenden Weltendes und Weltgerichtes ist aktuell geblieben. In manchen christlichen Kreisen werden die katastrophalen Folgen der globalen Krisen, von der Ökologie bis zur Gewalt, als Zeichen dafür gedeutet, dass das Ende der Welt bevorsteht. Johannes der Täufer wurde verhaftet und hingerichtet, weil er es gewagt hatte, Herodes Antipas zu kritisieren, vermutlich festgemacht an dessen Heirat mit einer Schwägerin (vgl. Markus 6,18).

 

Jesus selbst mischte sich nicht in das politische Alltagsleben ein, teilte aber die ablehnende Haltung Johannes des Täufers gegenüber den politisch Mächtigen. Jesus verfügte, so ist aus seinen überlieferten Worten zu erkennen, nicht nur über eine ausgezeichnete Kenntnis der Tora, sondern hatte auch ein profundes Wissen von den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Zeit. Dieses Wissen half ihm, eine ganze Zeit lang eine Botschaft zu verkünden, die auf eine grundlegende Veränderung der bestehenden Verhältnisse hinauslief, ohne verhaftet zu werden. Er war klug genug, vor allem in den Dörfern und kleinen Städten Galiläas zu predigen und den Machtbereich des Pontius Pilatus in Judäa lange Zeit zu meiden.

 

Als Jesus sich zum Passahfest auf den Weg nach Jerusalem machte, wohin zu dieser Zeit nicht nur viele Tausend Menschen kamen, sondern zur Verhinderung von Unruhen extra eine römische Legion hinbeordert wurde und zudem neben Pontius Pilatus auch sein eigener Landesherr Herodes Antipas anwesend sein würde, da ahnte oder wusste er schon, dass diese Reise mit seinem Tod enden würde. Je nach Überlieferung der Evangelisten hat er zwischen einem und drei Jahren in der Öffentlichkeit gewirkt, bevor es zu diesen tödlichen Ereignissen kam.[3]

 

Jesus entsprach in seinem öffentlichen Auftreten nicht den Erwartungen vieler seiner Zeitgenossen, die auf einen Messias warteten, der sich an der Spitze eines gewaltigen Heeres stellen werde, das die Römer und alle anderen Tyrannen vertreiben würde. Der Bericht über die Versuchung Jesu durch den Teufel lässt erkennen, wie er sich zu den Gefahren politischer Macht stellte. Der Teufel führte Jesus, so berichtet Matthäus (Matthäus 4,1-11), auf einen hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit. All die Reiche werde er Jesus geben, wenn er vor ihm niederfallen und ihn anbeten würde. Aber Jesus betete den Teufel nicht an, verzichtete auf diese Form globaler Herrschaft und wurde zu einem Wanderprediger, der über die staubigen Straßen Galiläas zog.

 

Ein wichtiges Mittel, um seine Botschaft vom kommenden Reich Gottes zu verkünden und in den Kontext des alltäglichen Lebens in Palästina zu stellen, waren für Jesus die Gleichnisse. Das, was sie über den sozialen Kontext aussagen, ist deshalb nicht nur schmückendes Beiwerk oder beliebig, sondern bot den Zuhörerinnen und Zuhörern die Möglichkeit, die befreiende Botschaft Jesu in ihrer Zeit zu verstehen. Damit wir diese Gleichnisse heute verstehen können, müssen wir uns den sozialen, politischen und ökonomischen Kontext im damaligen Palästina bewusst machen. Dann wird auch deutlich, warum und wie diese Gleichnisse auch nach zwei Jahrtausenden ihre Aktualität bewahrt haben.

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Gott und die Götter der Globalisierung - Die Bibel als Orientierung für eine andere Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann

 

 

 



[1] Vgl. Karl Jaroš: Jesus von Nazareth, Mainz 2000, S. 146

[2] Zu Johannes den Täufer vgl. u.a.: Martin Forward: Jesus, Eine Biographie, Freiburg im Breisgau 2000, S. 68ff.

[3] Vgl. u.a. Forward: Jesus, Eine Biografie, a. a. O., S. 58f.