Eine „durstige“ Landwirtschaft bedroht die Wasservorräte

 

„Das tägliche Massaker“ lautete am 16. Oktober 2004 die Überschrift eines Artikels in der „Frankfurter Rundschau“, in dem es um die weiterhin wachsende Zahl hungernder Menschen auf der Welt ging. 842 Millionen Menschen litten damals unter Unterernährung. Das Ziel der Vereinten Nationen, die Zahl der Hungernden zwischen den Jahren 1990 und 2015 zu halbieren, war in weite Ferne gerückt. Nach Angaben der Welthungerhilfe gab es 2018 immer noch 821 Millionen Hungernde auf der Welt. Um das inzwischen von den Vereinten Nationen verkündete Ziel, bis 2030 den Hunger von unserem Planeten zu verbannen, könnte bei der Fortsetzung der bestehenden Trends nicht erreicht werden, zumal die Zahl der hungernden Menschen im Vergleich zum Vorjahr wieder angestiegen war.

 

Wenn man sich fragt, wie eine bessere Nutzung von Wasser dabei helfen kann, die Hungerprobleme auf der Welt zu lösen, muss man sich zunächst eines klar machen: Es gibt genügend Nahrungsmittel auf der Welt für alle Menschen. Das Problem ist die Verteilung dieser Nahrungsmittel, genauer muss man sagen, dass den Hungernden das Geld fehlt, um sich etwas zu Essen zu kaufen. Erst so werden aus Naturkatastrophen wie Dürren menschliche Tragödien riesigen Ausmaßes.

 

Wenn die Betroffenen dieser Katastrophen ausreichend Geld hätten, wären sie begehrte Kunden internationaler Nahrungsmittelkonzerne, so aber können sie allenfalls auf die Unterstützung karitativer Organisationen hoffen. Deren Mittel reichen bei Weitem nicht aus, um 821 Millionen hungernde Menschen zu versorgen. Es kommt bei der Nutzung von Wasser zur Lösung der Ernährungskrise in vielen Regionen der Welt also nicht nur darauf an, mehr Nahrungsmittel zu produzieren, sondern es muss vor allem um Nahrungsmittel gehen, die den Armen zugänglich sind.

 

Kann die Bewässerungslandwirtschaft die globalen Ernährungsprobleme lösen?

 

In der Agrarpolitik vieler Entwicklungsländer und in der westlichen Entwicklungspolitik kommt der Förderung der Bewässerungslandwirtschaft eine zentrale Bedeutung zu. Nur ein Viertel der bewässerten Landwirtschaftsflächen befinden sich in Industriestaaten, aber drei Viertel in ärmeren Ländern im Süden der Welt. Dabei verfügt Afrika südlich der Sahara über sehr viel weniger bewässerte Flächen als Asien, was auch die wirtschaftlich schwächere Situation des afrikanischen Kontinents widerspiegelt.

 

Die Kosten für den Bau von Bewässerungssystemen belaufen sich auf 1.000 bis 15.000 Dollar pro Hektar. Darin sind die Kosten für die Gewinnung des Wassers noch nicht enthalten. Aus dem „Weltwasserbericht“ der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2003 ging hervor, dass die Kosten pro Hektar in Afrika am höchsten waren, vor allem deshalb, weil hier die zusammenhängende bewässerte Fläche in der Regel kleiner ist als in anderen Teilen der Welt. Gleichzeitig sind die Kosten für Landerschließung und Wasserge­winnung besonders hoch.

 

Für alle Weltregionen gilt, dass die Erträge in der Bewässerungslandwirtschaft in der Regel deutlich höher sind als im Regenfeldbau. Das Potenzial und der erforderliche Finanzaufwand für die Bewässerungslandwirtschaft scheinen also zu rechtfertigen, sich in der Entwick­lungspolitik auf diese Form der Landwirtschaft zu konzentrieren.

 

Die regelmäßige Bewässe­rung von Feldern war eine Voraussetzung für die „grüne Re­volution“ seit den 1970er Jahren. Sie wird deshalb auch als „Motor­pumpen-Revolution“ be­zeichnet. Die neu gezüchteten Hochleistungspflanzen sind auf eine regelmäßige Wasserzufuhr angewiesen. Dann sind die Ernte­erträge hoch, andernfalls verkümmern die Pflanzen. Gerade in Ländern mit einem wenig effizienten Wassermanagement müssen die Bauernfamilien befürchten, dass die Versorgung gerade zum un­güns­tigsten Zeitpunkt zusam­menbricht und die Pflanzen verdorren. Deshalb tendieren sie dazu, so viel Wasser wie möglich auf ihre Felder zu leiten, wenn es verfügbar ist. Die Folge ist aber eine rasche Versalzung der Böden. Weltweit sind nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO bereits 30 Prozent der bewässerten Flächen durch Versalzung geschädigt. Ein bis zwei Prozent der bewässerten Anbaufläche wird jedes Jahr durch die Versalzung für die Landwirtschaft ganz unbrauchbar. Moderne Verfahren wie die Tröpfchenbewässerung, die mit sehr viel weniger Wasser auskommen, sind für einen großen Teil der Bauern in armen Ländern zu teuer.

 

Der Anbau der Hochleistungssorten ist zudem mit einem beachtlichen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden verbunden. Das Wasser, das nicht von den Pflanzen aufgenommen wird und nicht verdunstet, versickert und wird zu Grundwasser oder in Bäche und Flüsse abgeleitet. Damit gelangen auch die Düngemittel und Pestizide in die Wasserkreisläufe. Nur der kleinste Teil der Nitrate erreicht tatsächlich die Pflanzen, der Rest „bereichert“ den Boden und das Wasser. Wenn so belas­tetes Grundwasser ungereinigt getrunken und im Haushalt genutzt wird, sind damit hohe Gesundheitsrisiken verbunden. Das ist einer der Gründe, warum ökologisch verantwortungsbewusste Landwirtschaft kein Luxus für arme Länder ist, sondern die Voraussetzung dafür, Grund- und Flusswasser sowie die übrige Umwelt zu schonen und damit die Zukunft der Menschen in der Region zu sichern.

 

Um den steigenden Wasserbedarf der Bewässerungslandwirtschaft zu decken, wird in vielen Ländern das Brauchwasser aus den Städten gereinigt und auf die Felder geleitet. Etwa ein Zehntel der bewässerten Flächen soll auf diese Weise ohne Grund- und Oberflächenwasser auskommen. Prob­leme entstehen aber, wenn das Abwasser der Städte nicht ausreichend gereinigt wird, zumal auch in den Ländern des Südens immer mehr Haushaltschemie in den Wohnungen der Stadtbewohner verwendet wird.

 

Konflikte um das knappe Gut Wasser

 

Der Wasserbedarf der Bewässerungslandwirtschaft lässt sich in zahlreichen Ländern mit Wasserstress immer weniger decken. 70 Prozent des Wassers, das Menschen aus Flüssen, Seen und dem Grundwasser entnehmen, wird für Bewässerungszwecke in der Landwirtschaft eingesetzt. In vielen Ländern des Südens der Welt ist dieser Anteil sogar noch höher. In Afrika sind es 85 Prozent.

 

Die Welternährungsorganisation FAO hat berechnet, dass schon 10 der 93 untersuchten Entwicklungsländer mehr als 40 Prozent der sich jährlich erneuernden Wassermenge für die Bewässerungslandwirtschaft verwenden. In Chinas Kornkammer, den Ebenen im Norden, werden jedes Jahr 30 Kubikkilometer mehr Grundwasser an die Oberfläche gepumpt als durch Niederschläge erneuert werden. Ein Weltbankexperte sagte angesichts solcher Probleme in verschiedenen Regionen der Welt schon vor Jahren: „Die Leute pumpen, als gäbe es kein Morgen.“ Für viele Grundwasservorräte ist die Motorpumpe das geworden, was die Motorsäge für die Urwälder dieser Welt ist. Die Folge der sinkenden Grundwasserspiegel ist ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb. Im indischen Bundesstaat Gujarat wurde das Wasser noch vor einer oder zwei Generation aus handgegrabenen Brunnen geschöpft. Heute holen die Pumpen es aus 300 Meter Tiefe.

 

Die indische Schriftstellerin Vandana Shiva, die für ihr Engagement für die Umwelt mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet wurde, hat in ihrem Buch „Der Kampf um das blaue Gold“ ausführlich die Folgen dieses von der Weltbank geförderten Pumpen-Booms in ihrer Heimat beschrieben. Hier ein kurzer Auszug: „Im Dorf Belewati wurden in den letzten zehn Jahren 500 Rohrbrunnen gebaut, von denen nur fünf in Betrieb sind, die anderen liegen trocken. Im Dorf Ismailkhada wurden im Laufe der vergangenen sieben Jahre 1.000 Rohrbrunnen in den Boden getrieben; die 12 Teiche, die der Gemeinde Jahrhunderte lang als Wasserquelle dienten, trockneten aus. Nun müssen sich die Einwohner ihr Wasser in zwei Kilometer Entfernung holen.“

 

Wenn die alten Brunnen trocken fallen, haben diejenigen große Vorteile, der sich tiefere Brunnen leisten können, die anderen haben verloren. Mit dem Wassermangel ist eine finanzielle Katastrophe verbunden. Viele arme Bauernfamilien setzen ihr letztes Geld ein, um Saatgut und Pestizide zu kaufen. Sie zahlen für Kredite bei Geldverleihern Wucherzinsen von 60 Prozent und mehr im Jahr. Fällt dann die Ernte aus, sehen viele keinen anderen Ausweg mehr, als sich das Leben zu nehmen. Am 9. 11. 2016 berichtete die österreichische Tageszeitung „Der Standard“, dass sich in den zurückliegenden 20 Jahren knapp 300.000 indische Bauern selbst ihrem Leben ein Ende gesetzt haben. Die „grüne Revolution“ hat sie in die Verzweiflung getrieben.

 

Die Bewässerungslandwirtschaft verschärft also die Konflikte um das knappe Wasser. Dies zeigt sich auch in Ländern, wo Ackerbauern und Viehzüchter schon traditionell Konflikte um das Wasser hatten. Je mehr bewässerte Ackerflächen rechts und links der Flüsse in Ländern wie Kenia entstehen, desto weniger Zugang haben die Viehzüchter mit ihren Herden zu den Flüssen. Besonders bei längerer Trockenheit kann dies gewaltsame Ausei­nandersetzungen zwischen Bevölkerungsgruppen auslösen.

 

Aber auch die Konflikte zwischen ländlichen und städtischen Regionen wachsen. Israel mit knappen Wasserressourcen und einer ausgedehnten Bewässerungs­landwirtschaft ist ein Beispiel hierfür. Nicht übersehen werden darf, dass es vor allem in afrikanischen Ländern vermehrt zu Konflikten zwischen Tieren, vor allem Elefanten, und Landwirten um Wasser und Land kommt, die nicht selten einen tödlichen Ausgang haben, meist für die Tiere.

 

Exportproduktion und Ernährungssicherung

 

Auch zwischen dem Anbau unterschiedlicher Getreide-, Gemüse-, Obst- und Blumensorten gibt es vielerorts einen harten Konkurrenzkampf. Meistens setzen sich die Großbauern durch, die für den Export produzieren. Sie gelten als moderne Landwirte, die dringend benötigte Devisen ins Land bringen. Demgegenüber werden die Bauern, die vor allem für den eigenen Bedarf und den Nahrungsmittelbedarf der Umgebung sorgen, als rückständig angesehen. Bei dieser Bewertung spielt eine Rolle, dass die Regierung durch die Exportproduktion ihre Zoll- und Steuereinnahmen erhöht. Auch fließen bei Exportgeschäften häufig Bestechungsgelder an die wirtschaftlich und politisch Mächtigen. Außerdem eröffnet die Exportlandwirtschaft Politikern die Möglichkeit, Verwandten zu Chefs von Exportfirmen oder staatlichen Einrichtungen zur Exportförderung zu machen. Bei der Nahrungsmittelproduktion zur lokalen Versorgung fehlen all diese für Politiker und Manager attraktiven Möglichkeiten.

 

Der Preis für die einseitige Bevorzugung der Produktion und des Wassereinsatzes für den Export ist in vielen Ländern hoch. Dort, wo immer mehr fruchtbares Land und kostbares Wasser für den Anbau von Blumen, Bananen oder Baumwolle für den Export reserviert werden, leidet die Eigenversorgung mit Lebensmitteln. So ist vor allem in Afrika schon häufiger die Situation entstanden, dass ein Land große Mengen von Agrarerzeugnissen nach Europa und Nordamerika exportiert, während gleichzeitig Getreide im Rahmen der Katastrophenhilfe in den Häfen ankommt, um die hungernde Bevölkerung zu versorgen. Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren immer mehr ausländische Unternehmen, so aus China und dem arabischen Raum, große Agrarflächen in Afrika erwerben oder langfristig pachten und dort Getreide und andere Güter für den Export anbauen lassen.

 

Der Effekt der Bewässerungslandwirtschaft auf die Ernährungssicherung wird überschätzt, betonte vor einigen Jahren Peter Rottach, der damalige Landwirtschaftsfachmann von „Brot für die Welt“: „Mit Ausnahme des Nassreises wird die Bewässerungslandwirtschaft allerdings nicht … prioritär zur Ernährungs­sicherung herangezogen. Schon aus Kostengründen zielt sie auf Exportkulturen wie Baumwolle oder auf Sonderkulturen wie Obst und Gemüse ab. Nicht allein der Bau, sondern auch Instandsetzung und Betriebskosten von Bewässerungsanlagen verschlingen immense Summen. Für Selbstversorgungslandwirtschaft kommt Bewässerung deshalb nur dann infrage, wenn sie keine Kosten verursacht. Selbst das Getreide ist heute kaum noch ein Grundnahrungsmittel, sondern größtenteils ein Rohstoff für die Veredlungswirtschaft. 70 Prozent der Weltgetreideproduktion werden zu Futtermitteln verarbeitet.“

 

Besonders dramatisch ist die Wassersituation in Ländern des Nahen Ostens, wo Wasser aus sehr tiefen Schichten hochgepumpt und eingesetzt wird, um Getreide- und Gemüsefelder zu bewässern. Es werden Wasserressourcen geplündert, die sich vielen Tausend Jahren gebildet haben und sich bei den heutigen minimalen Niederschlägen in der Region nicht wieder erneuern. Durch die Verdunstung ist der Wasserbedarf je Hektar in diesen Ländern zudem sehr hoch.

 

Für eine wasseraufwendige landwirtschaftliche Produktion opfern die Regierungen also die Wasserressourcen, die zukünftigen Generationen fehlen werden. Weltweit steigt die bewässerte Anbaufläche jährlich um etwa zwei Prozent, und auch immer mehr Befürworter der Bewässerungslandwirtschaft fordern, dass der Wasserverbrauch für diese Zwecke begrenzt werden muss. Ihr Slogan lautet: „Mehr Ernte pro Tropfen“ („More Crop per Drop“), denn bei ineffizienten Bewässerungssystemen erreicht nur ein Fünftel des Wassers tatsächlich die Pflanzen. Die Reduzierung des Wassereinsatzes vermindert auch die Gefahr der Versalzung der Böden durch die Bewässerung.

 

Nur kurz erwähnt sollen hier die vielfältigen und oft massiven Probleme, die durch den massiven Einsatz von Agrarchemie in der intensiven Bewässerungslandwirtschaft. Ein großer Teil der Düngemittel, Pestizide etc. wird nicht von den Pflanzen aufgenommen, sondern landet im Grundwasser oder in den Bächen und Flüssen. Diese Probleme bestehen auch in der konventionellen Landwirtschaft ohne künstliche Bewässerung in Ländern wie Deutschland. (Zu dieser Thematik plane ich einen eigenen Beitrag.)

 

Ein Trend in der Bewässerungslandwirtschaft soll hier erwähnt werden, nämlich deren Ausweitung in Industrieländern wie Deutschland. In Niedersachsen mit einem hohen Anteil des Kartoffelanbaus auf sandigen Böden werden bereits zwölf Prozent der Äcker beregnet, im Landkreis Uelzen sind es sogar 90 Prozent. Für die ARD-Sendung „W wie Wissen“ betonte am 11. Mai 2014 der niedersächsische Beregnungsexperte Ekkehard Fricke, dass es als Folge des Klimawandels schon heute vermehrt zu Phasen mit bis zu sechs Wochen Trockenheit kommt: „Die Klimamodelle zeigen eine Verschiebung der Niederschläge aus der Vegetationsperiode im Frühjahr und Sommer in den Winter.“ Das dürfte den Bedarf an künstlicher Beregnung weiter steigern – mit gravierenden Auswirkungen auf den Grundwasserbedarf der Landwirtschaft.

 

Trotz der geschilderten Probleme wäre es falsch, nur die Nachteile der Bewässerungs­landwirtschaft zu sehen. Ohne die großen Produktionssteigerungen dank moderner Bewässerungstechniken und Hochertragssorten wären vor allem in Asien die Hungerprobleme sehr viel größer, als sie es heute sind. Auch muss berücksichtigt werden, dass auf diesem Wege die Preise landwirtschaftlicher Produkte weniger stark gestiegen oder sogar gesunken sind.

 

Davon profitieren auch die ärmeren und armen Bewohner der Städte im Süden der Welt. Außerdem hat die Bewässerungslandwirtschaft den großen Vorteil, dass die Abhängigkeit von ausreichend Niederschlägen in der Wachstumsphase der Pflanzen stark vermindert ist, jedenfalls so lange, wie genügend Wasser für die Bewässerung zur Verfügung steht. Es gibt aber gute Gründe, nicht allein und nicht primär auf den Ausbau der Bewässerungslandwirtschaft zu setzen, ein gewichtiger Grund ist die Tatsache, dass in vielen Ländern schlicht das Wasser fehlt, um diese Form der Landwirtschaft immer weiter auszuweiten.

 

Der vernachlässigte Regenfeldbau

 

„So führt zur Ernährungssicherung kein Weg am sogenannten Regenfeldbau vorbei. Er stellt den Versuch dar, mit den natürlichen Niederschlägen ein Optimum an Pflanzenwachstum zu erzielen. Grundsätzlich ist diese Art Landwirtschaft erheblich weniger umweltbelastend und gleichzeitig kostengünstiger als Bewässerung.“ So begründete Peter Rottach in einem Arbeitspapier das Engagement von „Brot für die Welt“ für die Verbesserung des Regenfeldbaus. In den Entwicklungsländern entfallen 60 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion auf diese Anbau­form. 80 Prozent und mehr der Ackerbaufläche werden auf diese Weise genutzt. Der Nachteil des Regenfeldbaus ist, dass er stark abhängig von Niederschlägen ist, und zwar nicht von der durchschnittlichen Regenmenge in einer Region, sondern davon, dass es dann regnet, wenn die Pflanzen das Wasser für das Wachstum dringend benötigen.

 

Aber es gibt Jahrtausende alte Sorghum- und Hirsesorten, die mit wenig Wasser auskommen können. Auch gibt es bewährte Methoden, um den Wasserbedarf zu vermindern, die zum Teil auch hiesigen Gärtnern bekannt sind. So reduziert ein regelmäßiges Auflockern der oberen Bodenschichten die Verdunstung, weil der Kapillarfluss an die Oberfläche unterbrochen wird. Auch Mulchen hält Wasser im Boden. Bei Versuchen im westafrikanischen Burkina Faso wurde der Wasserbedarf von Feldern durch das Mulchen auf 1/16 gegenüber Anbauflächen vermindert, die ohne Mulch der Sonne ausgesetzt waren.

 

Der Regenfeldbau hat vor allem für die Ernährung der ländlichen Bevölkerung in ärmeren Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas eine zent­rale Bedeutung. Während viele Exportprodukte unter Einsatz von aufwendigen Bewässerungssystemen erzeugt werden, bauen Millionen Kleinbauernfamilien das Getreide und Gemüse für den heimischen Bedarf ohne Bewässerungssysteme an. Auch ein großer Teil der Nahrungsmittel für den Verkauf im Lande selbst wird gerade in Afrika im Regenfeldbau erzeugt. Wenn man den Hunger auf der Welt besiegen will, ist eine Förderung und Verbesserung dieser Anbauform deshalb von zentraler Bedeutung.

 

Auch hat der Regenfeldbau unter ökologischen Gesichtspunkten eine ganze Reihe von Vorteilen. In der Regel wird sehr viel weniger Agrarchemie eingesetzt, sodass Böden und Wasser weniger belastet werden. Auch werden knappe Wasserressourcen geschont. Zudem entfallen die negativen Auswirkungen von Staudammbauten zur Gewinnung von Wasser für die Bewässerungslandwirtschaft oder die Ausplünderung von Grundwasservorräten.

 

Es gibt durchaus Möglichkeiten, die Risiken des Regenfeldbaus zu vermindern. Durch „rain water harvesting“, also zum Beispiel das Sammeln des Regenwassers von Wellblechdächern, kann vielerorts genügend Wasser bereitgestellt werden, um die Gemüsepflanzen des häuslichen Gartens in längeren Trockenperioden zu wässern. Auch lässt sich Regenwasser durch Terrassen auf den Feldern halten beziehungsweise von einem Feld zum nächsten weiterleiten. Leider geschieht zu wenig, um den Regenfeldbau noch effizienter zu gestalten und mit Entwicklungs­hilfemitteln zu fördern.

 

Der Agrar-, Klima- und Wasserexperte Professor Dr. Dieter Gerten hat am 7. Juli 2018 in einem Gastbeitrag für die „Leipziger Volkszeitung“ die „gewaltigen Potenziale“ hervorgehoben, „die im sogenannten Regenfeldbau schlummern: Die Abdeckung freier Flächen oder eine gezielte Sortenwahl ermöglichen eine Umlenkung der Verdunstungsströme, um höhere Erträge zu erzielen, ohne dass auch nur ein zusätzlicher Tropfen Wasser benötigt wird“.

 

Ein großes Risiko für den Regenfeldbau stellen die globalen Klimaveränderungen dar. Es spricht viel für die These, dass die Niederschläge in den ohnehin trockenen Regionen der Welt noch abnehmen werden. Außerdem gibt es eine Tendenz, dass heftige Regenfälle zunehmen, gefolgt von längeren Trockenperioden, und dass die jahreszeitliche Regelmäßigkeit von niederschlagsreichen und niederschlagsarmen Zeiten abnimmt, dass es also unberechenbarer wird, wann der nächste Regen kommt. Aus dem UN-Weltwasserbericht 2018 geht hervor, dass 51 % der Weltbevölkerung in Weltregionen leben, die mindestens einen Monat im Jahr unter Wasserarmut leiden. Die Zahl dieser Menschen wird bis 2050 aufgrund des Klimawandels nach wissenschaftlichen Prognosen von jetzt 3,6 Milliarden auf mindestens 4,8 Milliarden ansteigen, unter ungünstigen Umständen sogar auf 5,7 Milliarden.

 

Schritte zur Überwindung des Hungers

 

Bei der Präsentation des Weltwasserberichts 2015 wies José Grazianaen da Silva, der an der Spitze der Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO, auf die Bedeutung der zunehmenden Klimaveränderungen für die Zunahme der Hungernden auf der Welt hin: „Der Einfluss des Klimawandels ist so stark, dass der positive Trend zunichte gemacht wird.“ Zweiter Faktor seien die zahlreichen gewaltsam ausgetragenen Konflikte, die vielerorts die Nahrungsmittelproduktion einschränkten. Klimaschutz und Friedensförderung sind deshalb wichtige Schritte im Kampf gegen den Hunger auf der Welt.

 

Hinzu kommen viele Strategien in der Landwirtschaft, die seit vielen Jahren bekannt sind, aber weiterhin nur unzureichend umgesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel die Diversifizierung des Anbaus von Getreide, Gemüse und Obst, um die Risiken durch Missernten zu vermindern. Auch gilt es die Rechte und die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Kleinbauern zu stärken, ihren Zugang zu Land zu verbessern und ihre Vermarktungsmöglichkeiten zu verbessern. Auch gilt es den Verlust von Acker- und Weideland durch die Ausbreitung von Wüsten zu stoppen. Zu wenig wird bisher auch gegen die Verluste von fruchtbarem Ackerland durch die Erosion von Küstengebieten und ihre dauerhafte Überflutung getan. Entgegen manchen Behauptungen kann auch der Übergang beziehungsweise die Rückkehr zu ökologischen Formen der Landwirtschaft die Ertrags- und Ernährungssituation nachhaltig verbessern.

 

Beim Versuch, den Hunger auf der Welt zu überwinden, muss nicht nur bei der Produktion und dem Zugang zu Nahrungsmitteln in armen Ländern angesetzt werden. Einen großen und meistens negativen Einfluss auf die Situation haben auch die Verbrauchsstrukturen. Um den täglichen Lebensmittelverbrauch eines durchschnittlichen US-Bürger zu erzeugen, werden 5.400 Liter Wasser eingesetzt. Dafür ist vor allem der hohe Fleischverbrauch verantwortlich. Die US-Konsummuster scheinen sich nicht zuletzt als Folge der Expansion von US-amerikanischen Fast-Food-Ketten überall auf der Welt durchzusetzen. In den Entwicklungsländern steigt der Fleischverbrauch jedes Jahr durchschnittlich um 5 bis 6 Prozent. Allerdings entfällt der Zuwachs weitgehend auf einige Länder, etwa Brasilien und China, während in Afrika eine Stagnation oder sogar ein Rückgang zu verzeichnen ist. Der Grund ist nicht eine Zunahme der Anhänger des vegetarischen Gedankens in Afrika, sondern das fehlende Geld für den Kauf von mehr Fleisch.

 

Wie im Abschnitt „Virtuelles Wasser“ dargestellt wird, kann ein verändertes Verbraucherverhalten den Wasserbedarf für landwirtschaftliche Zwecke drastisch vermindern. Da Länder wie Deutschland, Österreich und die Schweiz große Mengen Futtermittel und auch Fleisch aus Afrika, Asien und Lateinamerika importieren, haben unsere Ernährungsgewohnheiten direkte Auswirkungen auf die Landwirtschafts- und Ernährungssituation in weit entfernten Ländern.

 

Einsparungen des Wasserverbrauchs durch ein verantwortungsbewusstes und dabei zugleich auch gesundes Ernährungsverhalten der Wohlhabenden und Reichen der Welt plus eine effiziente Bewässerungslandwirtschaft und ein gezielt geförderter Regenfeldbau eröffnen die Chance für eine nachhaltige Wassernutzung in der Landwirtschaft. Das garantiert noch nicht die Überwindung des Hungers auf der Welt, dafür sind auch Landreformen, eine Wirtschaftspolitik mit dem Ziel der Armutsbekämpfung, die Schaffung von Arbeitsplätzen für den ärmsten Teil der Bevölkerung und weitere Schritte erforderlich. Aber eine an den Bedürfnissen der Armen orientierte Wasserpolitik in der Landwirtschaft kann wichtige Voraussetzungen dafür schaffen, dass niemand mehr hungern muss.

 

Im „Bericht über die menschliche Entwicklung 2006“ zum Thema „Nicht nur eine Frage der Knappheit: Macht, Armut und die globale Wasserkrise“ des UN-Enwicklungsprogramms UNDP heißt es im Landwirtschaftskapitel: „Angesichts der zunehmenden Besorgnis über die globale Wasserversorgung und die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln sollten die Regierungen den Blick über die Knappheitsaspekte hinaus auf die umfassenden Fragen der menschlichen Entwicklung richten. Der Zugangsgerechtigkeit und der Stärkung der Nutzer in den Managementstrukturen einen wichtigeren Platz einzuräumen, wäre ein Anfang.“

 

Wasser natürlich bewirtschaften

 

Mit der Natur zu wirtschaften und nicht gegen sie, war Jahrtausende lang die Grundlage der Landwirtschaft in vielen Teilen der Welt – und ist das Grundprinzip des Konzepts „Wasser natürlich bewirtschaften“, das von den Vereinten Nationen im Weltwasserbericht 2018 propagiert wird. Diese Wasserbewirtschaftung beruht auf „naturbasierten Lösungen“, z. B. der Erhalt und die Renaturierung von Ökosystemen. Dies können sowohl kleine Flächen als auch ganze Regionen sein. Ein wichtiges Ziel muss es sein, natürliche Wasserkreisläufe zu erhalten und zu erneuern. Durch die Degradierung von Ökosystemen sind sie in vielen Regionen der Welt geschädigt worden, zum Beispiel durch die Vernichtung von Wäldern.

 

Im Blick auf die Landwirtschaft wird im Weltwasserbericht 2018 festgestellt: „Obgleich NBS (naturbasierte Lösungen) erhebliche Vorteile bei der Bewässerung bietet, finden sich die besten Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung in regengespeisten Systemen. Diese machen den Großteil der derzeitigen Landwirtschaft und gerade der Kleinbetriebe aus und bieten somit den größten Nutzen für Lebensunterhalt und Armutsbekämpfung.“

 

© Frank Kürschner-Pelkmann