Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, 1016 Seiten ISBN 978-3-384-05017-5 38 Euro

965 – Benedikt V., ein abgesetzter Papst im Exil in Hamburg

Chaotisch ging es zu, im Vatikan Mitte des 9. Jahrhunderts. Und das prominenteste Opfer von Intrigen und Machtkämpfen war Benedikt V., ein gelehrter Theologe, der bei der Annahme der Papstwahl nicht ahnen konnte, dass er vier Wochen später in das ferne Hamburg verbannt werden würde. Die spannende Geschichte, wie es dazu kam, kann hier nur in Kurzfassung erzählt werden.

Johannes XII., Papst seit 955, hatte, so seine Kritiker, Rom in ein Bordell verwandelt. Auf jeden Fall hatte er sich so viel zu Schulden kommen lassen, dass er seines Amtes enthoben wurde. Im November 963 wählte eine römische Synode unter Beteiligung von Otto I. einen neuen Papst, Leo VIII. Aber nachdem der Kaiser abgereist war, kehrte der abgesetzte Papst Johannes XII. in den Vatikan zurück und vertrieb seinen Nachfolger. Die neue Amtszeit war nur kurz, denn der alte und neue Papst wurde nach einem halben Jahr von einem betrogenen Ehemann getötet.

Am 25. Mai 964 wählte eine Synode in Rom daraufhin Benedikt V. zum neuen Papst, der sich um eine versöhnliche Kirchenpolitik bemühte. Der erboste Otto I. wollte aber keinen Papst akzeptieren, der ohne seine Zustimmung in sein Amt eingeführt worden war, und forderte die erneute Einsetzung von Leo VIII. Er zog mit einem Heer nach Rom, besetzte die Stadt und erzwang eine neue Synode. Sie fand am 23. Juni 964 in Anwesenheit des Kaisers unter Leitung von Leo VIII. statt. Benedikt V. war klar, dass er verloren hatte. Er verteidigte sich gar nicht erst und gab sich demütig. Leo VIII. wurde zum neuen Papst gewählt. Etwas theatralisch zerbrach er den Hirtenstab über dem Haupt seines gedemütigten Widersachers.

 Benedikt V. wurde zum Diakon degradiert (damals noch ein leitendes Amt in der Kirche) und aus Rom verbannt. Es traf sich aus der Sicht der Gegner Benedikts gut, dass zum kaiserlichen Gefolge Adaldag gehörte, der Erzbischof von Hamburg-Bremen. Dieser erhielt den Auf-trag, den abgesetzten Papst mit nach Hamburg zu nehmen, an den abgelegenen Nordrand des Reiches von Otto I.

Was den abgesetzten Papst in Hamburg erwartete, hat Ralf Busch in seinem Buch „Ein Papst in Hamburg“ so beschrieben: „Als Benedikt … im Jahr 964 in Hamburg eintraf, mag der abgesetzte Papst erschüttert gewesen sein. Er, der in Rom aufgewachsen war, wo die Zeugnisse der antiken Architektur noch sichtbar geblieben waren, wo Komfort und Lebensqualität hohen Standard besaßen, wo man eben zu leben wusste, ihm musste die neue Bleibe wenig zusagen. Der Mariendom – in Holz erbaut, wie ihn Ansgar noch 858 hatte neu errichten lassen -, war ihm in der Bescheidenheit der Architektur fremd … Um die kirchlichen Bauten standen nur wenige Häuser von Handwerkern, und das Ganze war noch dazu von einem engen Erdwall umgeben.“

Benedikt litt unter der Schmach seiner Absetzung und dem rauen Klima des Nordens. Da waren die Gesellschaft seines getreuen Begleiters Libentius aus Rom und die gelegentlichen Gespräche mit dem Erzbischof, der sich meist in Bremen aufhielt, nur ein schwacher Trost. Benedikt verlor immer mehr an Kraft und Lebensmut, sodass er am 4. Juli 965 starb. Vorher hatte er die Stadt verflucht und ihr Zerstörung und Verwüstung prophezeit. Seine sterblichen Überreste setzte man in einem Sarkophag bei, nur vorübergehend, denn seine Gebeine wurden 999 nach Rom überführt. Er zählt heute zu den rechtmäßigen Päpsten, auch wenn er das Amt nur einen Monat ausgeübt hatte.

 

Um an diesen Papst zu erinnern, erhielt er im 14. Jahrhundert ein leeres Grabmal, ein Ehrengrab, im Hamburger Dom. Es bestand aus farbigen Fliesen, auf denen unter anderem der Papst in Lebensgröße dargestellt wurde, so, wie man sich ihn Jahrhunderte später vorstellte. Bei einem Umbau des Doms im Jahre 1782 störte das Ehrengrab und wurde zerstört, der Dom selbst zwei Jahrzehnte später abgerissen. In den letzten Jahrzehnten wurde bei archäologischen Grabungen auf dem Domplatz Scherben gefunden, die aber keinen Eindruck mehr vom ursprünglichen Ehrengrab geben können.  

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann