Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, 1016 Seiten ISBN 978-3-384-05017-5 38 Euro

1401 – Klaus Störtebeker wird – zumindest der Legende nach – in Hamburg enthauptet

Er ist der einzige hingerichtete Straftäter, für den man in Hamburg ein Denkmal errichtet hat – und dabei ist nicht einmal sicher, dass er wirklich gelebt hat. Geburtsort und Geburtsjahr sind unbekannt. Vermutete Geburtsorte reichen von Rothenburg an der Wümme bis Wismar und Danzig. Der Name Störtebeker kommt an der mecklenburgischen Ostseeküste vor. Der Legende nach erhielt er diesen Namen dadurch, dass er einen 4-Liter-Becher Bier ohne abzusetzen austrank. Störtebeker bedeutet niederdeutsch „Stürz den Becher“.

 Wenn wir annehmen, dass Störtebeker seine Seeräuber-Karriere im Ostseeraum begonnen hat, so ist immerhin einiges über die damaligen Raubzüge bekannt. Die „Likedeeler“, die zumindest der Legende nach die Beute gleichmäßig unter allen Piraten aufteilten, waren eine verschworene Gemeinschaft und unter ihrer roten Fahne besonders erfolgreich. Dass Störtebeker und seine Piraten die Reichen beraubten und im Ruf standen, ihre Beute mit den Armen zu teilen, sicherte ihnen viele Sympathien in der Bevölkerung. Ob sie wirklich Robin Hoods waren, muss offenbleiben. Der Wahlspruch der Piraten lautete damals: „Gottes Freund, der Welt Feind“. Dieser Spruch findet sich in Stein gemeißelt auf dem Sockel des Störtebeker-Denkmals auf dem Hamburger Grasbrook.

Im schwedisch-dänischen Krieg um die Vorherrschaft in Skandinavien in den 1380er Jahren stellte Albrecht von Schweden an Seeräuber-Kapitäne Kaperbriefe aus, die dazu berechtigten, dänische Schiffe zu kapern und die Beute in schwedischen Häfen zu verkaufen. Das Gleiche galt für Schiffe aus Lübeck, weil die Stadt die dänische Kriegspartei unterstützte. Solche Kaperbriefe waren damals weit verbreitet und brach­ten für die betreffende Kriegspartei und ebenso für die Seeräuber nur Vorteile.

Als der Krieg 1389 mit einem dänischen Sieg endete, mussten sich die Seeräuber eine neue Geschäftsgrundlage suchen. Sie benötigten unbedingt einen Stützpunkt zur Proviantierung und zur Lagerung der Beute. Dafür wählten sie 1394 die befestigte Stadt Visby auf Gotland. Die Seeräuber sahen sich nun allerdings sowohl von den Hansestädten als auch von den Herrschern an der Ostsee verfolgt. 1398 wurden sie aus Visby vertrieben und verlagerten ihre Aktivitäten von der Ostsee in die Nordsee. Hier verbündeten sie sich mit Häuptlingen in Ostfriesland und machten Marienhafe zu ihrem neuen Stützpunkt. Man erzählte später, dass Störtebeker hier die Tochter des Häuptlings Ken ten Broke geheiratet hätte.

Wer war Klaus Störtebeker?

Es blieb den Hansestädten und besonders Hamburg nicht verborgen, von wo aus die Seeräuber ihre Überfälle auf Handelsschiffe starteten, und sie übten massiven Druck aus, um die Friesen zur Beendigung des Bündnisses mit den Piraten zu veranlassen. Im Jahr 1400 fanden die Seeräuber einen neuen Verbündeten, den Herzog Albrecht I. von Bayern und Grafen von Holland. Zu den Unterzeichnern ihres Vertrages gehörte ein Johan Stortebeker. Dieser Johan Stortebeker soll ursprünglich ein Danziger Kaufmann gewesen sein. Er tauchte 1405 erstmals in Gerichtsakten auf, weil er eine Handelssperre gegen England missachtet hatte. Noch 1413 war er am Leben und schloss mit dem englischen König Heinrich V. einen Vertrag zum Schutz englischer Handelsschiffe. Aber da soll der Seeräuber, dessen Kopf in Hamburg als der von Störtebeker bezeichnet wird, längst geköpft worden sein.

Wismar beteiligt sich mit einem gewissen Nicolao Störtebeker am Wettstreit um den wahren Seeräuber Störtebeker. Der wurde 1380 wegen einer Schlägerei aktenkundig – der Anfang einer Karriere als rauflustiger Seeräuber? Und dann sind da noch jene Historiker, die nicht Störtebeker, sondern Gödeke Michels für den Anführer der Seeräuber halten.

Zurück ins Jahr 1400 und zu dem Seeräuber-Anführer, der später als Klaus Störtebeker Berühmtheit erlangte. Die Hamburger Kaufleute erlitten immer wieder hohe Verluste durch die Plünderung ihrer Schiffe. Der Versuch, die Hanse als Ganze gegen die Seeräuber zu mobilisieren, scheiterte am Desinteresse der Städte, die nicht direkt betroffen waren. Hamburg rüstete deshalb eine eigene Flotte aus, um die Seeräuber zu vernichten. Es kam mehrfach zu Gefechten, aber viele der Seeräuber konnten entweichen. Am 22. April 1401 stellte die Hamburger Flotte endlich die Schiffe der Seeräuber in der Nähe von Helgoland und besiegte sie. Der Anführer Klaus Störtebeker und 72 seiner Kumpane wurden gefangengenommen und nach Hamburg gebracht, so eine spätere Überlieferung.

Nach einem kurzen Prozess ließ die Obrigkeit sie am 20. Oktober 1401 auf dem Grasbrook vom Scharfrichter Rosenfeld enthaupten. In einer Legende wird erzählt, dass Bürgermeister Kersten Miles dem Seeräuberkapitän Störtebeker zugesagt hatte, dass er alle Seeräuber, an denen dieser auch ohne Kopf noch vorbeigehen würde, begnadigen würde. An elf seiner Kumpane soll Störtebeker kopflos vorbeigeschritten sein, dann stellte der Scharfrichter ihm ein Bein, sodass er stürzte. Aber da der Bürgermeister sein Wort brach, wurden auch die elf Seeräuber nicht begnadigt, sondern geköpft.

Der Schädel des Seeräubers

Jenseits aller Legenden ist gesichert, dass die Stadt die Schädel der hingerichteten Seeräuber mit langen Nägeln auf Holzgestellen anbringen und zur Abschreckung jahrelang zur Schau stellen ließ. Das soll auch mit dem Kopf von Klaus Störtebeker geschehen sein, und ein Schädel ist nun im Museum für Hamburgische Geschichte zu besichtigen. War es der Schädel des berühmten Seeräubers? Selbst Hamburgs bekanntester Gerichtsmediziner Prof. Dr. Klaus Püchel befasste sich mit dem Schädel und kam zum Ergebnis, dass er wegen des sorgfältig bearbeiteten Lochs in der Schädeldecke für den Nagel zum Aufspießen „einem besonderen Menschen gehört haben muss“. Aber ob der Störtebeker hieß, dass konnte auch der Gerichtsmediziner nicht sagen.

Gerade weil so viel unklar ist über Leben und Sterben Störtebekers, blühten die Legenden und die Verarbeitung seines Lebens in Romanen, Liedern und Theaterstücken. Alljährlich finden auf Rügen Störtebeker-Festspiele statt. Etwas enttäuscht schrieb der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark: „Der Name Störtebeker ist der Einzige, den das Hamburger Volk aus seiner langen Geschichte in Erinnerung behalten hat.“

 

An den Seeräuber erinnert der Störtebekerweg in Neugraben-Fischbek und das Störtebeker-Denkmal auf dem Großen Grasbrook. In Hamm trägt ein Bürogebäude seinen Namen. 

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann