Die Angeklagte legte ein umfassendes Geständnis ab, das eindeutig auf Folterungen beruhte. Der Text dieser Selbstbeschuldigungen von Abelke Bleken ist erhalten geblieben und gibt einen Einblick in die Vorstellungen von „Hexerei“ am Ende des 16. Jahrhunderts. Sie bekannte, „daß sie sich vor vier Jahren dem Satan mit Namen König Belsamer ergeben hat, der ihr gesagt hat, wenn sie Böses tun wolle, solle sie bei ihm Rat suchen“. Sie gestand außerdem, dass sie mit dem Satan Geschlechtsverkehr gehabt hatte und dass er ihr half, dem Hamburger Ratsherrn Johann Huge und dem Ochsenwerder Voght Dirick Gladiator großen Schaden zuzufügen.
Als die Bäuerin nach einem Deichbruch in Not geriet
Es ist weitgehend geklärt, wie es zu diesen Beschuldigungen kam. Abelke Bleken bewirtschaftete allein einen Bauernhof am Ochsenwerder Elbdeich, den sie von ihren Eltern geerbt hatte. Sie war zunächst wohlhabend, aber bei einer verheerenden Flut 1570 brach der Deich und ihr Land stand unter Wasser. Auf sich allein gestellt war sie nicht in der Lage, ihrer Deichpflicht nachzukommen und den Deich wiederherzustellen. Sie verfügte auch nicht über ausreichend Geld, um diese Arbeiten ausführen zu lassen. Nach einer Besichtigung des schadhaften Deiches pfändete der Vogt Dirick Gladiator einen Kessel. Das war die Vorstufe für die Enteignung der Bäuerin, wenn sie den Deich nicht umgehend reparieren würde.
Wie Abelke Bleken waren auch andere Hofbesitzer nicht in der Lage, ihre Deichabschnitte zu erneuern. Das nutzte der Hamburger Ratsherr Johann Huge aus, um diese Höfe aufzukaufen. Er zahlte sicher nicht viel dafür, denn die Hofbesitzer hatten keine Wahl, als an Huge zu verkaufen. Die Historikerin Roswitha Rogge schrieb auf hammburg.de zur Situation der Ochsenwerder Bäuerin: „Die soziale Situation, in der Abelke lebte, war geprägt von der Bedrohung ihrer Lebensgrundlage durch die Natur und von den Konflikten mit den Mächtigen im Ort.“
Wegen angeblichen "Schadenzaubers" inhaftiert und ermordet
Abelke Bleken versuchte, wenigstens den gepfändeten Kessel zurückzuerhalten, aber die Frau des Vogtes verweigerte dies. Die in Not geratene Bäuerin soll Rache angekündigt haben und mit Unterstützung des Satans zum Mittel des „Schadenzaubers“ gegriffen haben. Bald darauf starb die Frau des Vogtes, und der Ratsherr Huge musste auf seinen neuen Gehöften den Verlust von Ochsen hinnehmen. Beides wurde Abelke Bleken angelastet, und man verhaftete sie als „Hexe“. Im März 1583 brachte man sie auf einem Ochsenkarren nur mit einem ärmlichen „Sünderkleid“ bedeckt nach Hamburg. Nach ihrem Geständnis verurteilte das Gericht sie als „Hexe“, und sie starb am 18. März 1583 auf dem Scheiterhaufen. Roswitha Rogge ist überzeugt, dass dies kein Einzelfall war: „Abelke Blekens Schicksal ist prototypisch für viele Frauen, die während der Frühen Neuzeit denunziert, angeklagt und verhört wurden und schließlich gestanden, mit dem Teufel im Bunde zu stehen.“
Seit 2015 steht im Garten der Frauen ein Erinnerungsstein für die Opfer der Hexenverfolgung in Hamburg. Ganz in der Nähe ihres früheren Hofes gibt es mittlerweile einen Abelke-Bleken-Ring. Auf der Website der St. Petri und Pauli Kirchengemeinde Bergedorf hat Boike Jacobs an Abelke Bleken und weitere Frauen erinnert, die in Ochsenwerder und Umgebung als „Hexen“ denunziert und verbrannt wurden. In dem (nicht mehr verfügbaren) Beitrag wird auch auf die Rolle der Kirche eingegangen: „Erst als Hamburg protestantisch wurde, brach in der Hansestadt eine Welle von Hexenverfolgungen aus. Ausdrücklich hatte Martin Luther die Obrigkeit dazu aufgefordert, vermeintliche Hexen nicht nur wie bislang zu töten, sondern sie zu foltern und zu verbrennen. Es scheint uns heutigen evangelischen Christen unvorstellbar, aber Martin Luther war überzeugt von der Möglichkeit eines ‚Teufelspaktes, der Teufelsbuhlschaft und des Schadenszaubers‘, wie man es zu seiner Zeit nannte. Hexen, so schrieb er, könnten Kinder verzaubern, alle Krankheiten erzeugen, dazu Unwetter und schlimme Verwüstungen im Haus und auf dem Acker hervorrufen.“ Am Ende des Beitrags heißt es über Luther: „Wortgewaltig hatte er seinerzeit erklärt: ‚Mit Hexen soll man kein Mitleid haben, ich wollte sie selbst verbrennen.‘“
Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte