Mit der wachsenden Zahl der Flüchtlinge aus den Niederlanden kamen Ende des 16. Jahrhunderts auch immer mehr arme oder verarmte Menschen, die nur ihr Leben vor der Willkür der spanischen Besatzungstruppen gerettet hatten. Um ihnen zu helfen, gründeten wohlhabende Niederländer wie Wilhelm Amsinck 1585 die Niederländische Armen-Casse, die älteste bis heute bestehende wohltätige Einrichtung der Stadt.
Um die Gelder für die Hilfsmaßnahmen aufzubringen, wurde mit der Sammelbüchse um Spenden gebeten. Die Armut nahm kein Ende, zumal bald auch nicht-niederländische Arme in den Genuss der Unterstützung der Stiftung kommen konnten. Das war schon deshalb naheliegend, weil nach einigen Generationen gar nicht mehr so einfach festgestellt werden konnte, wer niederländisch war, denn allein schon durch Heiraten waren aus den Fremden längst Einheimische geworden.
Zu den wohlhabenden Familien, die als Flüchtlinge kamen, gehören die Amsincks. Wilhelm und Henrica Amsinck spannten 1576 die Pferde an und machten sich mit wenig Habe auf den Weg nach Hamburg. Wilhelm Amsinck war 1542 als Sohn des Kaufmanns und Bürgermeisters von Zwolle, Roelof Amsinck, und seiner Frau Anna geboren worden und hatte als erfolgreicher Tuchhändler ein Vermögen erworben.
Als Lutheraner hatte er sehr viel weniger Probleme als katholische und reformierte Einwanderer, in Hamburg Fuß zu fassen. Bald war er auch in der neuen Heimat als Tuchhändler so erfolgreich, dass er sich ein Haus am Holländischen Brook leisten konnte. Im 16. Jahrhundert siedelten sich hier holländische Einwandererfamilien an und bauten Giebelhäuser, die durch einen schmalen Fahrdamm vom Fleet getrennt waren, ganz nach dem Vorbild der heimischen Grachten. Ende des 19. Jahrhunderts riss die Stadt die Häuser für den Bau der Speicherstadt ab.
Eine Einwandererfamilie kommt zu Reichtum
Die Amsincks konnten sich auch ein Landhaus in Billwerder leisten. Der Kaufmann war, würde man heute sagen, gut vernetzt in der Stadt. Als Bürger, der er als Lutheraner werden konnte, waren er und seine Frau bald in der städtischen Oberschicht zu Hause. Dazu gehörten auch Ehrenämter. So war er zum Beispiel Jurat der St. Petri-Kirche, an der Gründung des Werk- und Zuchthauses beteiligt, Vorsteher des Waisenhauses und Vorsteher der Niederländischen Armen-Casse.
Gemeinsam mit seiner Frau Henrica hatte er neun Kinder, von denen aber nur drei das Erwachsenenalter erreichten.
Seine Söhne Rudolf und Arnold sorgten mit insgesamt 26 Kindern dafür, dass ein weitverzweigter Amsinck-Clan entstand, der durch seinen engen Zusammenhalt eine große wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung gewann. Die Brüder tätigten aber auch eine spektakuläre Fehlinvestition. Sie erwarben 1624, ganz in holländischer Tradition, ein großes Stück Land auf der damals noch ausgedehnten Nordseeinsel Nordstrand. Sie deichten es ein, aber bei der großen Flut im Oktober 1634 brachen auch diese Deiche. Mit enormem Arbeits- und Kapitalaufwand versuchte Rudolf Amsinck, neue Deiche zu errichten. Aber neue Fluten zerstörten auch diese Aufbauarbeit. Vom Kampf der Amsincks gegen die Naturgewalten zeugt heute nur noch die kleine Hamburger Hallig.
Das Engagement für die Armenkasse
Seit mehr als 400 Jahre haben die Amsincks die Stadt und ihre Wirtschaft mitgestaltet, als Ratsherren, als Bürgermeister, als Vorstandsvorsitzende der Reedereien HAPAG und Hamburg-Süd, um nur einige Beispiele zu nennen. Der amerikanische Zweig der Familie war so reich, dass Gustav Amsinck das Amsinck-Palais (heute Übersee-Club) am Neuen Jungfernstieg als Domizil für seine Hamburg-Besuche erwerben konnte. Die Töchter der Amsincks heirateten Bürgermeister, Senatoren und Kaufleute.
Die Familie ist auch weiterhin mit der Niederländischen Armen-Casse verbunden. Sechzehn ehrenamtliche Vorsteher und Alte tragen auch heute mit viel Engagement dazu bei, dass die Armen-Casse nicht nur Geld an bedürftige Menschen vergibt, sondern dass diese auch persönliche Betreuung und Begleitung erfahren. Besonders die Hilfe für „verschämte Arme“ ist der Armen-Casse ein großes Anliegen, also für Menschen, die benötigte Unterstützung weder einfordern noch darum betteln. Bedürftige werden oft über viele Jahre betreut.
Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte