Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, 1016 Seiten, ISBN 978-3-384-05017-5, 38 Euro

1595 - Rodrigo de Castro, ein angesehner Arzt kämpft erfolgreich gegen die Pest

Rodrigo de Castro wurde um das Jahr 1546 in Lissabon geboren und gehörte einer jüdischen Familie an, die gezwungenermaßen zum katholischen Glauben gewechselt war. Sein Vater und mehrere Onkel waren hoch angesehene Ärzte, einer von ihnen war Leibarzt von vier aufeinander folgenden portugiesischen Königen. Rodrigo de Castro studierte Medizin und Philosophie an der berühmten Universität von Salamanca und an weiteren Hochschulen. Er erwarb Doktortitel in Medizin und Philosophie. 1587 nahm er seine Tätigkeit als Arzt in Lissabon auf. Die Verfolgung der Juden in seiner Heimat veranlasste ihn, nach Antwerpen auszuwandern und dort als Arzt zu praktizieren. In dieser Zeit kehrte er zum jüdischen Glauben seiner Vorfahren zurück.

1592 kam er nach Hamburg und eröffnete eine Praxis in der Nähe der Petrikirche. Große Verdienste erwarb er sich 1595 im Kampf gegen die Pest. Während manche Hamburger Ärzte die Stadt umgehend nach dem Ausbruch der Krankheit verließen, kümmerte er sich aufopferungsvoll um die Erkrankten. Seine Erkenntnisse über die Möglichkeiten zur Bekämpfung dieser Krankheit stellte er in dem Buch „Traktat über Natur und Ursachen der Pest“ dar. Der Rat der Stadt war von seinem Engagement so beeindruckt, dass man ihm als erstem Juden erlaubte, ein Haus zu erwerben. Seine Söhne durften die Gelehrtenschule Johanneum besuchen, die bis dahin Juden verschlossen gewesen war.

Der Arzt genießt in Hamburg und an Adelshöfen einen ausgezeichneten Ruf

De Castro erwarb sich rasch weit über Hamburg hinaus einen herausragenden Ruf und besaß mit seiner akademischen Ausbildung weit größere medizinische Kenntnisse als andere Ärzte der Stadt. Deshalb wurde er selbst vom dänischen König und mehreren deutschen Herrschern konsultiert. Kein Wunder also, dass de Castro sehr selbstbewusst auftrat. 1611 schrieb ein Stadtchronist, dass der sephardische Arzt „wie die Christendoctoren“ mit Wollkragen und hohem Samthut durch die Stadt ging.

Der Arzt befasste sich intensiv mit der Frauenheilkunde. Der Tod seiner ersten Frau bei der Geburt ihres dritten Kindes im Jahre 1602 machte de Castro die große Bedeutung der Gynäkologie noch stärker bewusst, und er veröffentlichte daraufhin ein Handbuch zur Frauenheilkunde. Darin stellte er u. a. als einer der ersten Ärzte ausführlich den Kaiserschnitt dar. Von dem Werk erschienen rasch fünf Auflagen, die den Ruf des Arztes als Pionier der Frauenheilkunde festigten.

Außerdem veröffentlichte er 1614 eine Schrift zu den Tugenden eines Arztes, in dem er das Ideal eines nicht nur fachlich kompetenten, sondern auch gesellschaftlich und ethisch verantwortungsbewussten Arztes propagierte, der seinen Patienten mit Respekt begegnete. Dem stellte er den schlecht ausgebildeten, geldgierigen und amoralischen Arzt gegenüber. Der lange Titel des umfangreichen Werkes zum „Medicus-politicus“ war Programm: „Der politische Arzt oder Traktat über die ärztlich-politischen Pflichten, unterteilt in vier Bücher: In denen nicht nur der guten Ärzte Moral und Tugenden dargelegt und die Täuschungen und Betrügereien schlechter (Ärzte) aufgedeckt werden, sondern auch viele andere nützliche und angenehme Dinge über dieses neuartige Thema präzise ausgebreitet werden. Ein Werk, nützlich für Ärzte, Kranke, Pfleger von Kranken und alle anderen Gebildeten und besonders diejenigen, die Politik betreiben“.

Plädoyer für verantwortungsbewusste Ärzte

In dem umfassenden Werk ist selbst der Musiktherapie ein Kapitel gewidmet. Bis heute bedenkenswert sind de Castros Ausführungen darüber, dass ein verantwortungsbewusst handelnder Arzt einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl und damit für die Politik leistet. Wenn die Medizin die Gesundheit der Menschen fördere, diene sie der Gesellschaft. Rodrigo de Castro leistete mit seinem Werk einen wichtigen Beitrag zur Entstehung der Medizinethik. Als gläubiger Mensch sah er Gott als den eigentlichen Heiler an, als dessen Beauftragter der Arzt tätig wird.

 

De Castro bekannte sich 1612 in Hamburg zu seinem jüdischen Glauben und trat zusammen mit seiner zweiten Frau und seinen Kindern der portugiesisch-jüdischen Gemeinde bei. Er starb hochbetagt 1627 und wurde auf dem jüdischen Friedhof Königsstraße in Altona beigesetzt. Sein prächtiges Grabmal ist erhalten geblieben.

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann