Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, ISBN 978-3-384-05017-5, 1016 Seiten, 38 Euro

1646 – Diego und Manuel Teixeira, eine jüdische Familie fällt durch ihren Reichtum auf

Reichtum macht neidisch, der Reichtum jüdischer Kaufleute macht noch neidischer. Und so waren die reichen Teixeiras sowohl bestaunt als auch von Missgunst begleitet, als sie aus Antwerpen nach Hamburg kamen. Die Familie stammte ursprünglich aus Portugal und Spanien und gehörte zu den portugiesischen (sephardischen) Juden, die vor der Inquisition geflüchtet waren. Hamburg entwickelte sich nach Amsterdam zum wichtigsten Zentrum sephardischen Lebens in Nordeuropa. Der Rat der Stadt begrüßte diese Migranten, denn nach dem Niedergang der Hanse sah man im Fernhandel eine neue Möglichkeit, Hamburg wirtschaftlich voranzubringen. Besonders der Handel mit Spanien und Portugal sowie deren Kolonien in Lateinamerika, Afrika und Asien versprach hohe Gewinne.

Reiche jüdische Familien aus Portugal und Spanien waren der städtisch Obrigkeit willkommen

Deshalb wurde den Sepharden 1612 in einem Vertrag günstige Bedingungen für eine Niederlassung in Hamburg angeboten. Die Stadt gewährte ihnen „aufrechte, redliche Kaufmannshantierung, unsern Bürgern und Einwohnern gleich“. Die sephardischen Juden durften allerdings keine Synagoge und keinen Friedhof einrichten und auch keine Beschneidungen vornehmen. Auch konnten sie keine Häuser erwerben, was sie dazu zwang, Strohmänner einzuschalten. Immerhin duldete der Rat einige Betstuben in Privathäusern.

Die städtische Standortpolitik stieß trotz dieser Einschränkungen in der lutherischen Kirche auf heftigen Widerstand. Die Sepharden waren in ihrer portugiesischen und spanischen Heimat zwangsweise zu Katholiken gemacht worden und schon dadurch waren sie im lutherischen Hamburg Außenseiter. Die Katholiken durften weder Bürger der Stadt werden noch eigenen Kirchen bauen. Bei den Sepharden kam hinzu, dass in der Stadt bekannt war, dass sie ursprünglich Juden gewesen waren und dass viele von ihnen mehr oder minder heimlich zum Glauben ihrer Väter und Mütter zurückgekehrt waren.

Im Vergleich zu den deutschen (aschkenasischen) Juden waren die Sepharden sehr viel wohlhabender und besaßen in Hamburg einen deutlich höheren sozialen und rechtlichen Status. Sie traten in der Stadt auch sehr viel selbstbewusster auf. Die Familie Teixeira schloss sich der neuen sephardischen Gemeinde an. Unter den etwa 100 sephardischen Familien in Hamburg bildeten die Teixeiras eine Klasse für sich, denn sie waren enorm reich und verfügten zudem über Verbindungen zu zahlreichen europäischen Königshöfen, wo sie als Finanzberater und Kreditgeber hoch geschätzt wurden.

Die Familie Teixeira trugt viel dazu bei, den Handel mit der iberischen Halbinsel zu fördern

Diego Teixeira, Oberhaupt der Kaufmannsfamilie, war 1581 in Lissabon geboren und katholisch getauft worden. Seine Familie gehörte zum vermögenden Adel, aber weder katholische Taufe noch Abstammung schützten Diego Texeira vor der Inquisition. Er war als verdächtiger Neu-Christ in Gefahr und brachte sich deshalb in Brasilien in Sicherheit, von wo aus er nach Antwerpen übersiedelte. 1646 ließ er sich in Hamburg nieder und baute enge wirtschaftliche Verbindungen zur iberischen Halbinsel sowie zu den portugiesischen und spanischen Kolonien auf, ebenso zu sephardischen Kaufleuten und Bankiers in Städten wie Amsterdam und Antwerpen. Das brachte ihm große Vorteile gegenüber den Hamburger Kaufleuten ein, die mühsam versuchten, im westeuropäischen und iberischen Handel Fuß zu fassen.

Diego Teixeira handelte mit „Colonialwaren“ wie Zucker und Gewürzen, ebenso mit Edelsteinen. Auch beschaffte er für eine ganze Reihe von Fürsten- und Königshöfen teure Luxusartikel aus aller Welt. Auch Finanzgeschäfte wickelte er für diese Herrscherhäuser ab. Die schwedische Königin Christina < S. 148 > ernannte ihn zu ihrem Residenten in Hamburg. Wenn Diego Texeira in seiner prächtigen Kutsche über den Großneumarkt fuhr, musste die Wache antreten, so wie dies bei anderen Diplomaten der Fall war.

Auch die Teixeiras waren Opfer judenfeindlicher Attacken in der Stadt

Der Reichtum weckte auch Begehrlichkeiten, bis hin zum Kaiser in Wien. Er nahm die Rückkehr Diego Teixeira zum Judentum zum Anlass, im Jahre 1647 ein Verfahren wegen Apostasie (Abfall von einer Religionsgemeinschaft, in diesem Fall von der katholischen Kirche) zu eröffnen, vermutlich mit dem Ziel, das Vermögen der reichen Familie an sich zu bringen. Der Versuch gelang nicht, wirft aber ein Licht auf die Drangsalierungen, denen auch die sephardischen Juden in Deutschland ausgesetzt waren.

Die Missgunst gegen die Teixeiras war auch in Hamburg weit verbreitet, zumal die Familie ihren Reichtum durch kostbare Kleidung und prächtige Kutschen selbstbewusst zur Schau stellte. Pastor Johann Schupp von der Jacobikirche äußerte über den Reichtum der Familie, nachdem er Diego Teixeira in seiner prächtigen Kutsche gesehen hatte: ,,Ich könnte mich nicht genug darüber verwundern und dachte: O, du reicher Jude, wie manchen Christen hastu und deine Vorfahren vielleicht betrogen, biß ihr so viel Geld zusammen geschärret habt ...“

Verübelt hat man der Kaufmannsfamilie neben ihrem Reichtum vor allem ihr offenes Bekenntnis zum Judentum. Als Diego Teixeira 1666 starb, konnte der Kaufmann, der so viel für den Aufstieg Hamburgs zur internationalen Handelsmetropole getan hatte, nicht in Hamburg beerdigt werden. Sein Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof an der Königstraße in Altona.

Was die Trauergesellschaft auf dem Weg zum Friedhof und zurück erlebte, hat die portugiesisch-jüdische Gemeinde in einem Protokollbuch festgehalten: „Fast alle das Geleit bildenden Mitglieder wurden sowohl auf dem Weg nach dem Begräbnisplatz wie auch auf dem Heimwege, vom Pöbel mißhandelt und beschimpft. Man öffnete gewaltsam die Wagen und bewarf die darin befindlichen Personen, gegen allen Respekt, mit Schneebällen und Schmutz.“ Die sephardische Gemeinde beschwerte sich beim Rat der Stadt, beschloss aber auch, den eigenen Reichtum hinfort weniger deutlich sichtbar zu zeigen. Die Gemeindemitglieder sollten „keine ärgerliche Üppigkeit treiben“.

Der Versuch, einen "Versammlungsort" für die Jude zu bauen, scheitert

Trotz aller Diskriminierungen und Schmähungen blieb die Familie Teixeira zunächst in Hamburg. Der Sohn Manuel Teixeira (geboren 1631) war gründlich auf die Führung eines internationalen Handels- und Finanzunternehmens vorbereitet worden und setzte die umsichtige Geschäftstätigkeit seines Vaters fort. Durch die Heirat mit Rachel Ribca de Mattos, die aus einer reichen sephardischen Familie stammte, mehrte Manuel Teixeira das Vermögen der Familie beträchtlich. Er war außerordentlich erfolgreich und wurde zum dänischen Residenten in der Stadt berufen. Neben dem prächtigen Wohnhaus am Jungfernstieg und einem Landhaus in Ottensen verfügte die Familie über ein Gästehaus am Krayenkamp nahe der Michaeliskirche. Dort wohnte mehrmals die ehemalige schwedische Königin Christina und sorgte für einen großen Aufruhr.

Manuel Teixeira nutzte einen Teil seines Reichtums, um Obrigkeit und Kirche durch Spenden positiv gegenüber den Sepharden zu stimmen. So stiftete er 1699 das Kupfer für das Dach der neuen St. Michaeliskirche. Auch die portugiesisch-jüdische Gemeinde profitierte von der Großzügigkeit der Teixeiras.

Anfang der 1670er Jahre setzte Manuel Teixeira sein wirtschaftliches Gewicht und seine politischen Verbindungen für einen neuen Versuch ein, endlich eine Synagoge in Hamburg zu errichten. Der Rat stimmte zu, bestand aber darauf, dass das Gebäude „Versammlungsort“ genannt werden sollte. Es wurde dafür ein Platz hinter einem Wohnhaus am Alten Wall vorgesehen, also bewusst eine unauffällige Stelle. Manuel Texeira finanzierte den Erwerb des Grundstücks. Aber kaum war Anfang November 1672 mit dem Bau begonnen worden, kam es zu heftigen Attacken, um das Vorhaben zu verhindern. Pastor Gesius von der St. Nikolaikirche sprach von einer „Satansschule“. Der Senat gab nach, das halbfertige Gebäude musste wieder abgerissen werden.

Als der Hamburger Rat 1697 die Abgaben für die sephardischen Juden drastisch erhöhte, wanderten die Teixeiras 1699 nach Amsterdam aus. Sie zogen gleichzeitig ihre Finanzmittel aus Hamburg ab, was einen Börsenkrach auslöste. Die Stadt war ihre vielgeschmähten „reichen Juden“ los - und hatte wirtschaftlich und kulturell das Nachsehen. Manuel Teixeira starb 1705 in Amsterdam. Auch andere sephardische Familien verließen Hamburg und zogen nach Altona oder in westeuropäische Städte wie Antwerpen und Amsterdam.

 

Vor allem die prächtig gestalteten Gräber von Familien wie den Teixeiras auf dem jüdischen Friedhof Königsstraße in Altona erinnern an die religiöse und wirtschaftliche Bedeutung der sephardischen Juden im 17. Jahrhundert.

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann