Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, ISBN 978-3-384-05017-5, 1016 Seiten, 38 Euro

1653 - Johann Rist, ein Pastor und Dichter, wird vom Kaiser geadelt

Niederländische und englische Wandertheatergruppen erfreuten sich im 17. Jahrhundert einer wachsenden Beliebtheit in der Stadt. Gespielt wurde auf Märkten und Plätzen, besonders häufig auf dem Großneumarkt. Die Theatergruppen hatten eine Abgabe zu entrichten, die den Armen der Stadt zugutekam. Eine dieser Gruppen führt „Hamlet“ in Hamburg auf, die Erstaufführung dieses Shakespeare-Stückes in Deutschland. Dieses wie andere klassische Theaterstücke passte man den Möglichkeiten einer Wanderbühne an, die ohne große Requisiten unter freiem Himmel spielte, aber auch dem Geschmack des Publikums. Viel dramatische Handlung und viele Späße waren gefragt.

Die Aufführungen der niederländischen und englischen Schauspielgruppen regten auch deutsche Schauspieler an, auf den Märkten und Plätzen ein Publikum zu suchen. Der Wedeler Pastor Johann Rist ließ sich durch die fremden Theatergruppen dazu motivieren, etwa dreißig eigene Theaterstücke zu schreiben. Es war durchaus ungewöhnlich, dass ein Geistlicher volkstümliche Theaterstücke schrieb, denn von vielen Kanzeln prangerten viele Pastoren die angeblich verderbliche Wirkung des Theaters an.

Ein hindernisreicher Bildungsweg in kriegerischen Zeiten

Aber Johann Rist war kein „typischer“ Pastor, obwohl der aus einer Theologenfamilie stammte. Sein Vater war Pastor in Ottensen, als Johann am 8. März 1607 als ältestes von acht Kindern geboren wurde. Als er 11 Jahre alt war, brach der Dreißigjährige Krieg aus, aber davon bemerkte der Junge im friedlichen Ottensen nichts, wo ihn sein Vater zu Hause unterrichtete. Ein Jahr später wechselte er auf die Gelehrtenschule Johanneum in Hamburg und anschließend auf das Gymnasium Illustre in Bremen, eine Zwischenstufe von Schule und Universität.

Die Familie Rist konnte offenbar die Kosten eines Universitätsstudiums nicht aufbringen, und so nahm der älteste Sohn die Stelle als Privatlehrer eines jungen Mannes an, den er dann auch zum Studium nach Rostock begleitete. Zwar konnte er sich nicht offiziell immatrikulieren, besuchte aber regelmäßig Vorlesungen der Theologie sowie eines breiten Spektrums weiterer Fachgebiete wie orientalische Sprachen, Botanik und Heilkunde. Hier wurde die Grundlage für Rists spätere Beschäftigung mit einer größeren Zahl von Themen gelegt. Sein Berufsziel aber war es, wie sein Vater Pastor zu werden.

Diese Pläne erlebten einen herben Rückschlag, als Wallensteins Truppen Rostock eroberten und Rist wie viele andere Studenten aus der Stadt floh. 1629 konnte er sein Studium an der kleinen Universität Rinteln fortsetzen, wo der bekannte Theologe Josua Stegemann lehrte, von dem viele Kirchenlieder überliefert sind. Aber bereits ein Jahr später erreichte der Krieg auch die Stadt Rinteln, und Rist musste erneut flüchten. Er ließ sich nun in Hamburg nieder, einer Stadt mit abschreckenden Festungsanlagen, die keines der vorbeiziehenden Heere angreifen mochte. Hier nun schrieb er erste Theaterstücke und trat auch als Schauspieler auf.

Pastor in Wedel, eine Lebensstellung für Rist

1633 fand Rist eine neue Anstellung als Hauslehrer und verlobte sich mit der Tochter seines Arbeitgebers, mit Elisabeth Stapel. An eine Heirat war allerdings zunächst nicht zu denken, denn dafür fehlte ein angemessenes Gehalt Rists. Im folgenden Jahr gelang es ihm in Bückeburg, das Theologieexamen zu bestehen und danach eine Anstellung als Pastor in Wedel zu finden. Nun konnte geheiratet werden, und Rist fühlte sich in dem kleinen Ort so wohl, dass er nie die Pfarrstelle wechselte und alle Angebote für eine besser dotierte Stelle ablehnte. Das Ehepaar lebte zufrieden in Wedel und hatte fünf Kinder.

Zum Pfarrhaus gehörte ein großer Garten, den die Familie mit viel Energie in ein kleines Paradies mit Zierpflanzen, Obst, Gemüse und Heilpflanzen verwandelte. Rist vernachlässigte darüber seine seelsorgerlichen Aufgaben nicht und fand zudem Zeit, seine schriftstellerische Arbeit fortzusetzen. 1643 marschierten schwedische Truppen in Wedel ein. Die Familie Rist konnte gerade noch rechtzeitig in das sichere Hamburg flüchten. Bei der Rückkehr fanden sie – wie durch ein Wunder – das Pfarrhaus unversehrt, aber der Garten war verwüstet. Als der Krieg 1648 endlich zu Ende ging, trauten viele nach den schrecklichen Erfahrungen der Botschaft vom Frieden nicht. Johann Rist veröffentlichte sein Theaterstück „Das friedewünschende Teutschland“. 1650 feierte Hamburg dann ein großes Friedensfest mit Feuerwerk.

Rist konnte nun das tun, was er am liebsten tat, Pastor einer Landgemeinde zu sein und daneben zu dichten. Er fand für seine Gedichte und Lieder viel Anerkennung, sogar bei Kaiser Ferdinand III. in Wien. Er ernannte Rist zum Hofpfalzgrafen. Das war nicht nur eine Ehre, sondern ermöglichte es auch dem Pastoren, sein Einkommen beträchtlich zu erhöhen, denn er durfte nun viele hoheitliche Aufgaben wahrnehmen wie die Ernennung von Notaren, die Ausstellung von Volljährigkeitsbescheinigungen und diverser anderer Dokumente, all das gegen Gebühren.

Die Gründung einer literarischen Gesellschaft

Etwa im Jahr 1656 gründete der Dichter den „Elbschwanorden“, dessen Mitglieder sich verpflichteten, „zur Bereinigung der deutschen Sprache“ beizutragen und diese Sprache durch eigene Werke zu fördern. „Es sollen Mitglieder diser rühmlichen Geselschaft schuldig und verpflichtet sein für allen Dingen das Aufnehmen und Fohrtpflanzung unserer Edelstein Teutchen Helden- und Muttersprache zuforderst dero hochsteigenden Poesie so münd- als schriftlich aus allen Kräften zu beforderen.“

Aber die Förderung der deutschen Sprache und das ruhige Leben in einem ländlichen Pfarrhaus wurden erneut unterbrochen. 1657 brach der Nordische Krieg aus. Im folgenden Jahr musste die Familie Rist erneut nach Hamburg flüchten. Bei der Rückkehr fand sie ein verwüstetes Haus vor. Besonders schmerzlich war es für den Pastoren und Dichter, dass seine wertvolle Bibliothek vernichtet worden war. Einige seiner Theaterstücke, die nur in handschriftlicher Fassung vorlagen, gingen für immer verloren. Der nächste Schicksalsschlag für Rist war der Tod seiner Frau Elisabeth im Jahre 1662.

 

Zwei Jahre später heiratete der Pastor erneut. Aber seine literarische Schaffenskraft war erlahmt. Er verfasste noch sechs Dialoge zu Streitthemen, die unter dem Titel „Monatsgespräche“ erschienen, dann schrieb er nichts Neues mehr. Neben den 30 Dramen (von denen viele verschollen sind) hatte er mehr als 200 weltliche und weit mehr als 600 Kirchenlieder geschrieben. Dazu kamen mehrere Bücher und zahlreiche Artikel. Johann Rist starb am 31. August 1667. 

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann