Sie ist verwickelt, die Geschichte, wie eine französische Adlige zur Reichsgräfin von Wilhelmsburg wurde und anschließend zur Herzogin in Celle – und sie sagt viel über das Leben der damaligen Royals aus. Beginnen wir mit ihrem späteren Ehemann, Georg Wilhelm von Braunschweig, der ab 1648 von seinem Schloss in Hannover aus das Fürstentum Calenberg regierte, das Kernland des späteren Kurfürstentums Hannover. Nachdem er lange Zeit sein Junggesellenleben in vollen Zügen genossen hatte, sollte er auf Druck der Familie heiraten. Er verlobte sich 1656 mit Sophie von der Pfalz.
Er musste dann aber eine baldige Heirat vermeiden, weil er sich bei einer Venedigreise eine Geschlechtskrankheit zugezogen hatte, was geheim bleiben musste. Georg Wilhelm überzeugte daraufhin seinen jüngeren Bruder Ernst August, Sophie von der Pfalz zu heiraten. Dafür erklärte er sich zum Thronverzicht und zum Verzicht auf eine Ehe bereit, damit die Kinder von Ernst August zu Thronfolgern würden. Georg Wilhelm zog in das Schloss Celle.
Verliebt in eine französische Kammerdame
Bei einem Besuch in Kassel lernte (der genesene) Georg Wilhelm 1663 die Kammerdame Eleonore Desmier d´Olbreuse kennen und verliebte sich sofort in sie. Sie war am 3. Januar 1639 im kleinen Schloss von Olbreuse in der Nähe von La Rochelle geboren worden. Ihre Eltern waren Hugenotten und gehörten dem niederen Adel an. Die Tochter musste sich deshalb als Kammerdame wohlhabender adliger Familien verdingen.
Um seiner verehrten Kammerdame nahe zu sein, reiste Herzog Georg Wilhelm im nächsten Jahr nach Holland. Vom folgenden Jahr an führte das Paar eine „Gewissensehe“ in Celle, weil Georg Wilhelm sich ja verpflichtet hatte, nicht zu heiraten. Aber Eleonore d´Olbreuse wollte sich nicht mit einem Status abfinden, der dem einer Konkubine gar zu nahe war.
Die Sache wurde noch komplizierter, als Eleonore 1666 eine Tochter gebar. Nun war Georg Wilhelms ganzes diplomatisches Geschick gefragt. Es gelang ihm, seinen Bruder dazu zu bewegen, seiner Heirat zuzustimmen, wenn sichergestellt würde, dass die Kinder keine Ansprüche auf die Nachfolge des Herzogs in Hannover stellen würden.
Da Eleonore wie erwähnt dem niederen Adel in Frankreich angehörte, sah man sie nicht als standesgemäße Ehepartnerin an. Um der Braut einen Adelstitel zu verschaffen, setzte Georg Wilhelm die Besitzer der Elbinsel Wilhelmsburg, die Adelsfamilie Grote, unter massiven Druck, ihm große Teile der Insel zu verkaufen. Danach konnte er den Kaiser in Wien zu dem Gnadenakt bewegen, die inzwischen sechsjährige Tochter als legitim anzuerkennen und Eleonore und ihre Tochter zu Reichsgräfinnen von Wilhelmsburg zu ernennen.
Die Reichsgräfin Eleonore gewinnt großen Einfluss am Hof in Celle
Das erlaubte am 12. April 1675 eine standesgemäße Heirat. Es wurde eine glückliche Ehe, und Eleonore schrieb in einem Brief: „Sie würden Freude haben, unsere Ehe zu sehen, es ist die beste der Welt …“ In Celle entfaltete das Paar ein vielfältiges Hofleben. Celle erwarb sich den Ruf eines „Klein-Versailles“, während es bei den Verwandten in Hannover trister zuging. Dort mokierte man sich darüber, dass der Celler Hof „ganz verfranzt“ wäre, vom Architekten über den Kapellmeister bis zum Kammerdiener alle in Celle aus Frankreich kämen.
Tatsächlich entwickelte die Stadt sich bald zur neuen Heimat von etwa 300 Nichtkatholiken aus Frankreich, die vor den Verfolgungen in der Heimat geflüchtet waren. Herzog Georg Wilhelm gewährte ihnen 1684 in einem Edikt die Aufnahme und Unterstützung. Auch Katholiken und Juden waren willkommen.
Eleonore hatte einen positiven Einfluss auf ihren Mann, der zu einem verantwortungsbewussten Landesherrn wurde. Ein französischer Diplomat berichtete Ludwig XIV.: „Die Frau Herzogin von Celle hat mehr Einfluss als jemals zuvor auf die Entscheidungen ihres Gemahls. – Wenn sich dieselbe auch früher wenig mit der Politik befasst hat, so war sie es doch jedenfalls, welche das Bündnis mit Eurer Majestät zu Stande gebracht hat.“ In Wilhelmsburg wurde ein Amtshaus gebaut, kein Schloss, und besucht hat die Reichsgräfin die Elbinsel höchst selten, wenn überhaupt jemals. Sie starb am 5. Februar 1722 im Alter von 83 Jahren. Der Eleonorenweg in Harburg erinnert an sie. Ihre Tochter Sophie Dorothea hatte ein tragisches Leben und starb in der Verbannung in Ahlen.
Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte