Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, ISBN 978-3-384-05017-5, 1016 Seiten, 38 Euro

1686 – Cord Jastram und Hieronymus Snitger wagen den Aufstand – und werden hingerichtet

Am Ende der turbulenten Geschehnisse des Jahres 1686 waren die Anführer der Bewegung für mehr Mitwirkung der Bürger an politischen Entscheidungen tot und ihre Schädel wurden zur Abschreckung auf Pfählen zur Schau gestellt. Die politischen Auseinandersetzungen in Hamburg hatten sich in den Jahren davor zugespitzt. Der Rat der Stadt beanspruchte, die Geschicke Hamburgs allein zu bestimmen. Er sah sich nur Gott und dem Kaiser gegenüber rechenschaftspflichtig. Und wer kein reicher Kaufmann oder zumindest Jurist war, hatte keine Aussicht, in den Rat gewählt zu werden. Auch versorgten die Ratsmitglieder viele ihrer Verwandten mit lukrativen Posten.

Dem stellte sich die Erbgesessene Bürgerschaft entgegen, die beanspruchte, als Vertretung der Einwohner die letztendliche Entscheidungsbefugnis zu besitzen. Die Bürgerschaft bestand bei genauerer Betrachtung nur aus Bürgern, die über Grundbesitz verfügten, Steuern zahlten und lutherischen Glaubens waren. Frauen waren von allen politischen Entscheidungen ausgeschlossen. Diese Bürgerschaft verkündete selbstbewusst: „Wenn der Rat seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, ist die Bürgerschaft befugt, einem Ehrbaren Rat zur Annehmung solcher Schlüsse … durch Vorenthaltung, Weigerung oder Einziehung ihrer Honorari oder dergleichen Mittel anzutreiben.“

Der Machtkampf zwischen Rat und Bürgerschaft beschäftigte mehrmals den Kaiser in Wien. 1683 beauftragte er den Herzog Georg Wilhelm von Celle-Lüneburg < S. 155 > und die Stadt Bremen, die Konflikte zu beenden. Aber die Vermittlungskommission stieß von Anfang an auf die Ablehnung der Bürgerschaft, die hinter der Initiative die Machenschaften von Rat und kaiserlichem Residenten in Hamburg vermutete. Der Widerstand wurde noch größer, als die Kommission durchblicken ließ, es gehe ihr um die Wie­derherstellung der Autorität des Rates. Die Bürgerschaft weigerte sich, mit der Kommission zu sprechen, die nach drei Monaten unverrichteter Dinge die Stadt wieder verließ.

Nun war die Stunde von Cord Jastram und Hieronymus Snitger gekommen. Cord Jastram, der 1634 in Hamburg zur Welt gekommen war, erlernte das Färberhandwerk und konnte mit Unterstützung von Hieronymus Snitger eine Walfangflotte aufbauen, damals eine sehr lukrative Investition. Hieronymus Snitger wurde 1648 in Hamburg als Sohn eines reichen und angesehenen Kaufmanns geboren. Der Sohn besuchte das Akademische Gymnasium und bereitete sich danach durch mehrere Auslandsaufenthalte auf die Übernahme des Unternehmens seines Vaters vor. Snitger galt als redegewandt und risikofreudig. Er erlangte wie vorher schon Jastram einen Platz in der Hamburger Bürgerschaft.

Es gelang Jastram und Snitger, das einfache Volk hinter sich zu sammeln, das bis dahin die politischen Auseinandersetzungen nur als Zuschauer verfolgen konnte. Die Bevölkerung war unzufrieden darüber, dass der Rat die Interessen der Reichen an niedrigen Steuern vertrat und die Unterstützung armer und bedürftiger Einwohner weitestgehend mildtätigen Gebern überließ. Die ärmeren Händler und kleinen Handwerker sahen sich auch nicht durch die Erbgesessene Bürgerschaft vertreten und unterstützten deshalb Jastram und Snitger.

Im Februar 1685 setzte die Bürgerschaft eine Kommission von 30 Bürgern ein, die die Konflikte mit dem Herzog von Celle-Lüneburg und weitere Probleme klären sollte. Es gelang Jastram und Snitger, sich an die Spitze dieser Kommission zu setzen, sie zum neuen Machtzentrum der Stadt zu machen und vorübergehend den Rat zu entmachten. Sie starteten im März 1684 einen direkten Angriff auf den hochmütigen und unbeliebten Bürgermeister Heinrich Meurer und warfen ihm Verrat und Konspiration mit dem kaiserlichen Residenten in Hamburg vor. Meurer konnte sich zunächst erfolgreich verteidigen, aber nachdem neue Vorwürfe erhoben wurden, nahm man ihn drei Monate später fest. Nach acht Tagen Arrest trat er zurück und floh nach Celle.

Herzog Georg Wilhelm machte sich zum Interessenvertreters Meurers und forderte mit kaiserlicher Unterstützung ultimativ seine Wiedereinsetzung. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, besetzten seine Truppen Moorburg und Moorwerder. Die Situation spitze sich im März 1685 weiter zu, als der kaiserliche Resident in Hamburg einen kleinen Trupp von Soldaten anheuerte, die Jastram und seine Frau entführten. Die Entführer wollten ihre Gefangenen nach Celle bringen, gelangten aber nur bis Artlenburg an der Elbe, wo sie von städtischen Reitern eingeholt und überwältigt wurden. Der befreite Jastram kehrte am 13. März mit einem Triumphzug in die Stadt zurück.

Der Herzog von Celle-Lüneburg verschärfte nun den Druck auf die Stadt, indem er Hamburger Schiffe aufbringen und die Waren Hamburger Kaufleute konfiszieren ließ. Auch besetzten seine Truppen nun auch die Vierlande und Bergedorf. Jastran und Snitger mussten sich in dieser Lage nach Verbündeten umsehen. Da Herzog Georg Wilhelm den Kaiser hinter sich hatte, konnten sie im Reich auf keine Unterstützung hoffen. So blieb als Bündnispartner nur Dänemark, ein riskantes Bündnis, denn die dänischen Könige hatten schon mehrfach versucht, Hamburg unter ihre Kontrolle zu bringen. Aber als der dänische Gesandte versicherte, Dänemark werde uneigennützig helfen, baten Jastram und Snitger das Land um Unterstützung.

Beide merkten rasch, dass sie einen verhängnisvollen Fehler begangen hatten, denn der dänische König Christian V. forderte am 19. August 1686 die Unterwerfung der Stadt, seine Huldigung, eine ständige dänische Besetzung Hamburgs und die Zahlung eines hohen Geldbetrages. Andernfalls würde man die Stadt erobern und zerstören. Das ließ die Stimmung in Hamburg umkippen. Jastram und Snitger erschienen nun als Verräter, und die Bevölkerung stellte sich den dänischen Truppen entgegen, als diese am 20. August 1686 mit 18.000 Soldaten anrückten. Dank der mächtigen Wallanlagen und der Unterstützung durch Truppen aus Celle-Lüneburg und Brandenburg konnte der Angriff abgewehrt werden. Jastram und Snitger wurden verhaftet, gefoltert, verurteilt wegen Verrats und am 4. Oktober 1686 ausgeweidet, gevierteilt und geköpft. Der Rat bemühte sich erfolgreich um eine Aussöhnung mit dem Herzog von Celle-Lüneburg, und Heinrich Meurer erhielt sein Amt als Bürgermeister zurück.

Snitgerreihe und Snitgerstieg in Horn tragen den Namen des Aufständischen im 17. Jahrhundert. Cord Jastram wurde eine solche Ehrung nicht zuteil.

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann