Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, ISBN 978-3-384-05017-5, 1016 Seiten, 38 Euro

1693 – Arp Schnitger, eine neue Orgel erklingt in St. Jacobi

Was nützt die schönste Orgel, wenn man den besten Organisten vertreibt. Die St. Jakobi-Kirchengemeinde war stolz auf ihre große Orgel, geschaffen von dem berühmten Arp Schnitger. Aber wo die Orgel so viel gekostet hatte, sollte nun gespart werden, und da schrieb man die Organistenstelle mit der Erwartung aus, dass der neue Organist 4.000 Mark Courant (heute entspricht das etwa 20.000 Euro) zahlen sollte, als „Erkenntlichkeit“ für die Wahl. Das konnte und wollte sich selbst der berühmte Johann Sebastian Bach nicht leisten, so gern er auch an der herrlichen Orgel gespielt hätte. So zog er seine Kandidatur für die Organistenstelle im November 1720 zurück, und es spielte nun jemand auf der Orgel, von dem es hieß, dass er „besser mit Thaler, als mit Fingern präludieren konnte“. Das hat der Orgelbauer glücklicherweise nicht mehr hören müssen.

Geboren wurde Arp Schnitger im Jahre 1648, also in dem Jahr, in dem der Dreißigjährige Krieg zu Ende ging. Sein Elternhaus stand in Schmalenfleth in der oldenburgischen Wesermarsch. Als Sohn eines Tischlers (Schnitzers oder Schnitgers) erlernte Arp zunächst ebenfalls das Tischlerhandwerk und anschließend in Glückstadt den komplizierten Orgelbau. Orgeln gab es schon ab dem 11. Jahrhundert in einzelnen Klöstern, und nach der Reformation brach unter den Protestanten eine heftige Debatte über die Orgel aus. Die Lutheraner verteidigten sie, die Reformierten wollten sie ebenso wie Bilder aus der Kirche verbannen. Schließlich setzte sich die Orgel überall durch, wobei Luthers Verweis auf den Lobpreis Gottes durch die Engel in Psalm 150 oft zitiert wurde.

Arp Schnitger baut nach gründlicher Ausbildung eigene Orgeln

In die Orgelkonjunktur hinein ergriff Arp Schnitger den Beruf des Orgelbauers und konnte 1677 seinen eigenen Betrieb in Stade eröffnen. Es war für Orgelbauer durchaus üblich, zunächst eine Tischlerlehre zu absolvieren, sie brauchten aber auch viele andere Kenntnisse und die Mitarbeit von anderen Handwerkern, um mit der Akustik, der komplizierten Mechanik, der Metallverarbeitung für die Pfeifen und der Lederverarbeitung zurechtzukommen. Arp Schnitger beschäftigte eine Reihe spezialisierter Handwerker, die parallel an mehreren Orgelbauten und Reparaturen arbeiteten. Nur so war es Schnitger möglich, insgesamt mehr als 160 Orgeln zu bauen oder wesentlich zu erneuern. Wie groß das Vertrauen Schnitgers in seine Handwerker war, geht aus einer Begründung hervor, mit der er einen seiner Mitarbeiter zu einer Reparatur schickte: „Herr Held kann es ebenso guth thun, als wenn ich selber da were, denn wir stehen beyde vor einen und einer vor beyde.“

Diese Wertschätzung seiner Handwerker brachte Schnitger auch durch ihre Bezahlung zum Ausdruck, und nach Auszahlung der Löhne und der Materialkosten blieb oft nicht viel für ihn selbst übrig. Er äußerte im Alter, dass er „an dem einen Werk was verdient, an dem anderen aber wieder verloren“ hätte. Er hat offenbar mehr Wert auf die Anerkennung gelegt, die er reichlich empfing. Als die Orgel in der St.-Jacobi-Kirche 1693 fertiggestellt war, wurde Schnitger von einem Gutachter bescheinigt, dass die Orgel „mit sonderbahrem Fleiß, Sorgfalt und Curiosität getreu und redlich von sehr guten Materialien verfertiget, also das wir nicht anders als Sein hierin wolverdientes Lob Ihnen deßiwegen beilegen können".

Qualität zahlt sich aus, das hatte Schnitger schon einmal in Hamburg erfahren. 1682 hatte er sich von Stade aus um den Auftrag für den Bau einer Orgel für die St. Nikolai-Kirche bemüht, ohne aber zunächst von den Kirchenältesten mit dem Auftrag bedacht zu werden, „nach reicher Überlegung, weil es billig, das man seinen Mitbürger vohr einem fremden erwählte“. Aber es sprach sich herum, dass der Hamburger Wettbewerber um den Auftrag eine Orgel in Lübeck gebaut hatte, die nichts taugen sollte.

Qualität setzt sich durch

Also schickten die Kirchenältesten einige Abgesandte nach Lübeck und dann zur Besichtigung einer der Orgeln Schnitgers nach Stade. Von der Schnitger-Orgel war man auf Anhieb so begeistert, dass Schnitger sofort den Auftrag für die Orgel von St. Nikolai erhielt. Er gab eine Garantie für alle Orgeln: „Wenn ein Hauptfehler sich sollte zeigen, ich wollte kommen, sollte ich auch zu Fuß laufen.“

Er zog nach Auftragserteilung nach Hamburg um. Die 1687 fertiggestellte Orgel von St. Nikolai war die größte Orgel Europas, und so war es nicht überraschend, dass die Gemeinde St. Jacobi ebenfalls eine Orgel bei Schnitger bestellte. Es entstand eine der berühmtesten Barockorgeln, die den Ruhm des Orgelbauers zwischen Spanien und Russland festigte. Sie hatte 67 Register und mehr als 4.000 Pfeifen und war sowohl musikalisch als auch technisch ein Meisterwerk. Die begeisterten Berichte über diese Orgel trugen dazu bei, dass Schnitgers Orgeln nicht nur in Norddeutschland, sondern auch bald in den Niederlanden, Russland, Großbritannien, Spanien und Portugal erklangen. Eine Schnitger-Orgel stellte sogar eine Gemeinde in Brasilien auf. Die berühmte Orgel in St. Nikolai wurde 1842 ein Opfer des Großen Brandes, der große Teile Hamburgs vernichtete.

1705 entschloss sich Schnitger, in den Heimatort seiner Frau Gertrud umzuziehen, nach Neuenfelde im Alten Land. Hier besaß die Familie einen Hof, der später als Orgelbauerhof bekannt wurde. Schnitger hatte bereits für die Neuenfelder Gemeinde eine Orgel gebaut, aber der Gemeinde fehlte dann peinlicherweise das Geld zur Bezahlung des Instruments, so dass Schnitger die Zahlung stunden und auf Zinsen verzichten musste. Immerhin konnte er nun seiner Orgel von der eigenen Kirchenbank aus lauschen. Wie beliebt die Schnitgers im Dorf und in der Kirchengemeinde waren, zeigte sich daran, dass Gemeindemitglieder sie häufig als Taufpaten wählten, Gertrud Schnitger in einem Jahr sogar gleich vier Mal. Sie starb bereits 1707 unter großer Anteilnahme der Neuenfelder.

Wie damals üblich, ergriffen auch die Söhne Schnitgers den Beruf des Vaters und fanden ebenfalls viel Anerkennung als Orgelbauer. Arp Schnitger war noch als alter Mann mit dem Orgelbau befasst, und eine Reise in das weit entfernte Zwolle in Holland zur Fertigstellung einer Orgel wurde ihm im besonders harten Winter 1718/1719 zum Verhängnis. Völlig entkräftet kehrte der 70-Jährige von der anstrengenden Reise zurück und starb einige Monate später. Vom Klang seiner Orgel begleitet wurde er am 28. Juli 1719 in der Kirche von Neuenfelde beigesetzt.

 

Neben seiner Orgeln hält auch der Arp-Schnitger-Stieg in Hamburg-Neuenfelde die Erinnerung an den berühmten Orgelbauer wach. Die dortige Grundschule trägt den Namen Schule Arp-Schnitger-Stieg. Mehr über den Orgelbauer ist auf der Website der Arp-Schnitger-Gesellschaft zu erfahren.

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann