Das Schiff trug den Namen „Hoffnung“, aber die Reise von Hamburg nach Nantes im Jahre 1724 führte die Besatzung in die Hoffnungslosigkeit. Im Ärmelkanal überfielen algerische Seeräuber die „Hoffnung“, und die Besatzung wurde nach Algier verschleppt, um dort als Sklaven verkauft zu werden. An Bord des gekaperten Schiffes war auch Hark Olufs, der 15-jährige Sohn des Schiffseigners Oluf Jensen. Die Familie lebte in Süddorf auf Amrum, wo Hark Olufs am 19. Juli 1708 geboren worden war.
Zum Schatzmeister in Algerien aufgestiegen und trotzdem weiterhin ein Slave
Wie seine Vorfahren wurde er Seemann und wird die Hoffnung gehabt haben, einmal Kapitän wie sein Vater zu werden. Aber nun verkaufte man ihn in Algier auf dem Sklavenmarkt gegen Höchstgebot. Er wurde noch zwei Mal weiterverkauft und dann, so berichtete er in seinen Lebenserinnerungen, vom Bey von Constantine erworben und in die Stadt im Inneren Algeriens gebracht.
Olufs lernte schnell sowohl Französisch als auch Arabisch. Es gelang ihm, das Vertrauen des Beys zu erwerben, und er stieg nach dreieinhalb Jahren zum Schatzmeister („Ober-Caßirer“) auf. Er konnte nun eigenes Land, Schafe und Kamele erwerben und sich 20 Bediensteste leisten. Das war zweifellos ein großes Privileg und eine große Ausnahme unter den weißen Sklaven. Der Hamburger Ma-trose Johann Michael Kühn bezeichnete den Menschenmarkt in Algier als „Sammelpunkt allen irdischen Jammers“. Er konnte nach 14 Jahren freigekauft werden und schrieb, die Sklaverei sei für ihn eine Zeit gewesen, in der „ich alles ausgestanden habe, was an menschlichem Elend genannt werden mag“.
Auch Olufs blieb trotz aller Privilegien ein Sklave und konnte nach Lust und Laune seines Besitzers jederzeit misshandelt oder getötet werden. Er schrieb in seinen Lebenserinnerungen, dass sein Bey seine „Bravour“ schätzte, „obschon meine Tapferkeit im Grunde eher eine Verwegenheit, als ein ordentlicher Muth oder Hertzhaftigkeit zu nennen; denn ich war in meinem Sinn nicht vergnügt, und eben darum war es mir einerley, ob ich lebte oder todt wäre“. Deshalb nahm er auch ohne Furcht an Feldzügen seines Beys teil, der ihn 1728 zum Kommandeur der Leibwache ernannte. Angesichts seiner militärischen Erfolge und seines Mutes bei weiteren Kämpfen erfolgte 1732 die Beförderung zum Oberbefehlshaber des Reiterheeres.
Olufs durfte, als er bereits acht Jahre in seinen Diensten gestanden hatte, den Bey auf einer Pilgerreise nach Mekka begleiten, ein Hinweis darauf, dass er vermutlich Muslim geworden war. In einem Krieg zwischen Algier und Tunis konnte der Feldherr 1735 unter großen Risiken das feindliche Lager ausspionieren und ermöglichte so einen algerischen Sieg.
Der mühsame Weg zurück in die Heimat
Seine Familie hatte in dieser Zeit intensiv versucht, ihn freizukaufen, geriet aber dabei in die Mühlen der Bürokratie. Dänemark, das damals Schleswig-Holstein regierte, erklärte sich für nicht zuständig, weil die „Hoffnung“ unter Hamburger Flagge gefahren war. Und die Hamburger Sklavenkasse, die Freikäufe finanzierte, zahlte auch nicht, weil Hark Olufs ein Amrumer war. Als der Vater endlich das Geld geliehen hatte und es nach Algier gebracht worden war, wurde irrtümlich ein Hark aus Bremen in die Freiheit entlassen.
Am 31. Oktober 1735 schenkte sein Bey, der inzwischen 95 Jahre alt war, Hark Olufs die Freiheit. Er reiste über Marseille und Paris nach Hamburg, wo er im März 1736 eintraf und nach dreizehn Jahren seinen Vater umarmen konnte. Bald nach seiner Rückkehr ließ er sich in der Kirche von Nebel verspätet (in arabischer Kleidung) konfirmieren, um den Gerüchten entgegenzutreten, er sei Muslim. Er hatte so viel Gold und andere wertvolle Güter aus Algerien mitgebracht, dass er als reichster Mann Amrums galt.
Im folgenden Jahr heiratete er Antje Harken, und nach einigen Jahren gehörten fünf Kinder zur Familie. Am 13. Oktober 1754 starb Hark Olufs im Alter von erst 46 Jahren. Auf seinem Grabstein neben der Kirche von Nebel wird, so wie auf anderen „sprechenden Steinen“ auf diesem Friedhof, vom Leben des Verstorbenen in Stein gemeißelt erzählt. Der Grabstein ist mit einem Säbel und einem Turban verziert, und auf einem Spruchband ist zu lesen: „Hier liegt der grosse Kriegsheld, ruht sanft auf Amrom Christenfeld“.
Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte