Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, ISBN 978-3-384-05017-5, 1016 Seiten, 38 Euro

1724 – Michael Richey, ein Aufklärer und Gründer der Wochenzeitung „Der Patriot“

Unter den Gelehrten der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Hamburg kommt Michael Richey eine besondere Bedeutung als Wegbereiter der Aufklärung zu. Er wurde am 1. Oktober 1678 als Sohn eines reichen Hamburger Kaufmanns geboren. Die Mutter stammte aus einer Künstlerfamilie, die aus den Niederlanden eingewandert war. Die Eltern waren in der Lage, dem Sohn eine exzellente Bildung zukommen zu lassen. Zunächst erhielt er Privatunterricht und besuchte anschließend die Gelehrtenschule Johanneum und das Akademische Gymnasium. Ergänzend erhielt er weiterhin Privatunterricht durch bekannte Hamburger Lehrer wie Johann Albert Fabricius, einem hoch angesehenen Philologen und Theologen.

Der berufliche Aufstieg des Gelehrten wird durch eine Erkrankung stark behindert

Damit war Richey sehr gut auf ein Studium vorbereitet, das er 1699 in Wittenberg begann. Er studierte ein breites Spektrum von Fächern und schloss das Studium als Magister der Philosophie ab. Es schien eine glänzende akademische Karriere vorgezeichnet, aber Richey erkrankte 1701 schwer und konnte die Berufung zum außerordentlichen Professor der Universität Greifswald nicht annehmen.

Richey kehrte zur Genesung nach Hamburg zurück, erholte sich aber nie ganz von seiner Krankheit. Immerhin konnte er 1704 die Berufung zum Rektor des Athenaeums, der Gelehrtenschule von Stade, annehmen. Hier unterrichtete er acht Jahre lang, bevor der Ausbruch der Pest in der Stadt und eine drohende Belagerung durch dänische Truppen ihn veranlassten, 1713 in das sichere Hamburg zurückzukehren. Hier lebte er zunächst als unabhängiger Gelehrter, was ihm der Reichtum seiner Familie erlaubte.

1717 nahm er die Berufung zum Professor für Griechisch und Geschichte am Akademischen Gymnasium an. Diese Hamburger Bildungseinrichtung war geschaffen worden, weil die Absolventen der Gelehrtenschule Johanneum zwar über eine gute Bildung, aber nicht über die philosophischen Kenntnisse verfügten, die damals die Voraussetzung für ein Universitätsstudium bildeten.

Das Akademische Gymnasium hatte ein hohes Niveau. Hier unterrichteten die bedeutendsten Gelehrten der Stadt, die mangels einer Universität auch kaum eine Alternative hatten, wenn sie mit einer bezahlten Anstellung in Hamburg bleiben wollten. Richey unterrichtete 44 Jahre bis zu seinem Tod am Akademischen Gymnasium und wurde sieben Mal zu dessen Rektor gewählt. Er war ein sehr beliebter Professor, und einer seiner später hoch angesehenen Schüler, Johann Georg Büsch, schrieb: „Dürre und abgefallen in seiner Leibes-Gestalt zeigte er in der Haltung seines Körpers, in jeder Geberde, und in seinen meisten Reden eine hinreissende Lebhaftigkeit des Geistes. Sein Wiz verlis ihn nicht bis zum Ende seiner Tage, und floß ihm in seinen Vorlesungen ungesucht und sehr natürlich zu.“

Der Professor fand Zeit, nebenher eine größere Zahl von Gedichten zu schreiben. Unter seinen Veröffentlichungen trug ihm das „Idioticon Hamburgense“, ein Wörterbuch der Hamburger Mundart, viel Anerkennung ein. Die erste Ausgabe von 1743 umfasste nur 47 Seiten, aber die 1755 erschienene zweite Auflage hatte bereits einen Umfang von 347 Seiten. Richey pries sie so an: „Jetzo vielfältig vermehret, und mit Anmerckungen und Zusätzen zweener berühmter Männer, nebst einem Vierfachen Anhange ausgefertigt.“

Richey beteiligt sich an der Gründung der Patriotischen Gesellschaft und der Wochenzeitung "Der Patriot"

In Erinnerung geblieben ist Richey aber auch und vielleicht vor allem als prominenter Verfechter der Gedanken der Aufklärung in Hamburg. Er gehörte zu den Gründern erster Gesprächsrunden und Vereinigungen in der Frühzeit der Aufklärung. Hervorzuheben ist sein Beitrag zur Gründung der bis heute bestehenden Patriotischen Gesellschaft“. Richey war auch an der Herausgabe einer „Moralischen Wochenzeitung“ mit dem Namen „Der Patriot“ beteiligt und gehörte zu deren regelmäßigen Autoren. Er definierte einen Patrioten so: „Patriot sey ein Mensch, dem es um das Beste seines Vaterlandes ein rechter Ernst ist.“

Die Zeitung erschien von 1724 bis 1726 wöchentlich in Hamburg. Sie hatte englische Vorbilder und entwickelte sich ihrerseits zum Vorbild für andere Zeitungen zur Förderung der Aufklärung in Deutschland. Die Autoren blieben zunächst ungenannt. Erst bei späteren Neuauflagen der Zeitung konnte man erkennen, wie viele bekannte Gelehrte und Schriftsteller in „Der Patriot“ zu Wort kamen. Das Erscheinen der Zeitung war von vornherein auf drei Jahre begrenzt, später erschien ein Nachdruck in vier Auflagen.

Die Zeitung kündigte in der ersten Ausgabe an, jeden unabhängig von Stand, Geschlecht oder Alter für seinen Freund zu halten. Allerdings gehörten die Autoren durchweg der bürgerlichen Oberschicht an. Auch erreichte die Zeitung vor allem die gebildeten und reichen Schichten der Stadt und des übrigen deutschsprachigen Raums. Die Auflage lag bei etwa 4.000 Exemplaren, die meist mehrere Leserinnen und Leser fanden.

"Der Patriot" als Stimme der Verfechter der Aufklärung

Die Zeitung enthielt unter anderem Abhandlungen, Satiren und Fabeln. Ein Teil der Beiträge war vorher in englischen Zeitungen und Zeitschriften der Aufklärer erschienen. Die meisten Beiträge der Zeitung befassten sich im weiteren Sinne damit, wie das Leben der Menschen und ihre Bildung verbessert werden konnten. Es ging zum Beispiel um die Armenfürsorge, das Engagement in der Gesellschaft oder die Verbesserung der Gartenkultur. Der rechte Umgang mit dem eigenen Vermögen war ein wichtiges Thema, was bestätigt, dass die Zeitung sich primär an vermögende (und zugleich gebildete) Bürger richtete. Bemerkenswert ist, dass die Zeitung sich bemühte, Vorurteilen anderen Völkern gegenüber entgegenzutreten.

„Der Patriot“ war eine selbstbewusste Stimme zur Förderung der Aufklärung. Franklin Kopitzsch hat in seinem umfangreichen Werk „Grundzüge einer Sozialgeschichte der Aufklärung in Hamburg und Altona“ die Leistungen der Zeitung ausführlich gewürdigt. Er schrieb zu den Intentionen der Herausgeber, dass sie demonstrieren wollten, „welche Folgen unvernünftiges Verhalten für den Einzelnen wie für die Gesellschaft hat und warum es letztlich immer sicherer und gemeinnütziger ist, sich für den Weg der Tugend zu entscheiden“.

Indem „Der Patriot“ bestehende Normen kritisch reflektierte und aufforderte, sich von der Vernunft leiten zu lassen, geriet die Zeitung notwendigerweise in Konflikt mit dem kirchlichen Anspruch, das Leben an den Geboten und Wegweisungen der Bibel zu orientieren. Allerdings, wie die Kirche so hielten auch die meisten „Patrioten“ am patriarchalen Gesellschaftsmodell und entsprechenden Normen fest. Richey verband zeitlebens Vorstellungen der Aufklärung mit orthodoxem lutherischem Glauben und – so Max von Waldberg in einem biografischen Beitrag – einem „starken spießbürgerlichen Zug“ in allen seinen Gedichten.

Als Michael Richey am 10. Mai 1761 starb, hatten die Gedanken der Aufklärung einen großen Einfluss auf das Hamburger Geistesleben gewonnen, und der Professor am Akademischen Gymnasium hatte dazu wichtige Beiträge geleistet. Der Literaturhistoriker Berthold Litzmann, der sich intensiv mit der Zeit der Aufklärung beschäftigt hat, rühmte an Richey „Milde und Festigkeit, Ernst und muntere Laune, tiefe Religiosität, ohne jede Spur aufdringlicher Frömmelei, große weltumfassende Gelehrsamkeit, ohne Zopf und Pedanterie.“

Seit Anfang der 1950er Jahre trägt eine Straße in Barmbek den Namen des verdienstvollen und trotzdem fast vergessenen Aufklärers Richey.

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann