Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, ISBN 978-3-384-05017-5, 1016 Seiten, 38 Euro

1754 – Friedrich und Meta Klopstock, der Dichter des „Messias“ und seine hochgebildete Frau

„Ich kenne keine Gegend, wo ein toter Sänger so gut begraben liegen kann wie dort ... Wie oft hab ich dein Grab besucht, Sänger des Messias, der du so rührend wahr die Leiden Jesu besungen!“ Der Dichter Heinrich Heine, bei vielen Gelegenheiten als Spötter gefürchtet, reihte sich in die große Schar derer ein, die zum Klopstock-Grab neben der Christianskirche in Ottensen pilgerten. Schon zu Lebzeiten war der Dichter Klopstock eine Legende gewesen, und von seiner Beerdigung sprach man noch Jahrzehnte später.

Geboren wurde Friedrich Gottlieb Klopstock am 2. Juli 1724 als Advokatensohn in Quedlinburg.

Der "Messias" von Klopstock umfasste 19.464 Verse

Er begann 1745 ein Theologiestudium, fand dann aber als Lyriker und Dichter seine Berufung. 1748 erschienen die ersten drei Gesänge des „Messias“, seines großen Werkes über das Leben und Leiden Jesu Christi, das mit der Zeile beginnt: „Sing, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung“. Insgesamt hat der „Messias“ zwanzig Gesänge mit 19.464 Versen. Das Werk erschien in Folgen, und viele Verehrerinnen und Verehrer Klopstocks warteten immer schon ungeduldig auf die nächste Folge, bis das Werk 1773 mit der Erhebung Christi zur Rechten Gottes vollendet war.

Vor allem das Schicksal des Engels Abbadonna, der von Gott abfiel und beinahe in der Hölle verschmachtet wäre, bewegte die Gemüter, und groß war die Erleichterung, als im 19. Gesang seine Rettung verkündet wurde. Klopstock war der erste berühmte Dichter, der ein biblisches Thema in ein frei gestaltetes literarisches Werk verarbeitete und damit einen neuen Umgang mit der Bibel einleitete. Er tat es in klassischer Hexameter-Versform und zählte damit zu den frühen Klassikern.

Die innige Liebe zwischen Friedrich Klopstock und Meta Moller bewegte eine ganze Genration zutiefst

Zu denen. die vom „Messias“ begeistert waren, gehörte Meta (Margareta) Moller in Hamburg, die am 16. März 1728 geborene Tochter eines hanseatischen Kaufmanns. Sie hatte das Glück, dem berühmten Dichter vorgestellt zu werden, als er Hamburg 1751 auf der Durchreise nach Kopenhagen besuchte. Es war eine Liebe auf den ersten Blick. Meta Moller: „Ich hatte schon so viele Fremde gesehen, aber niemals hatte ich ein solches Schrekken, einen solchen Schauder … empfunden. Ich hatte gar nicht die Meynung, daß ein ernsthafter Dichter finster und mürrisch aussehen, schlecht gekleidet seyn, und keine Manieren haben müsse; aber ich stellte mir doch auch nicht vor daß der Verfasser des ‚Messias‘ so süß aussähe, so bis zur Vollkommenheit schön wäre.“

Während Klopstock mit einem stattlichen königlichen Gehalt in Kopenhagen an den weiteren Gesängen des „Messias“ schrieb, harrte Meta in Hamburg aus, und viele Liebesbriefe wurden hin und her geschickt („O lieben Sie mich doch beständig mein süsser Klopstock. Ich liebe Sie gewiß ohne Aufhören.“). Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war die Epoche der Empfindsamkeit, und die beiden Liebenden in Hamburg und Kopenhagen galten vielen Zeitgenossen als großes Vorbild dafür, dass wahre Liebe mit der Entfernung wächst und zur großen Sehnsucht wird. Die „Sprache des Herzens“ und die Ehe als Seelengemeinschaft lebten Friedrich und Meta vor, und danach strebten sie viele andere an.

Nach drei Jahren hatte das Sehnen ein Ende, denn Friedrich Klop-stock kam nach Hamburg, und 1754 konnte geheiratet werden. Vater Moller hätte seine Tochter wohl lieber an der Seite eines Kaufmanns gesehen, aber wenn schon ein Dichter, dann doch ein berühmter, und berühmt war Klopstock inzwischen. Das frischvermählte Paar lebte überwiegend in Kopenhagen, wo der Ehemann weiter an seinem „Messias“ schrieb. Meta machte dort als hochgebildete Frau Eindruck, die Englisch, Französisch, Italienisch und Latein beherrschte und sich über die griechische Mythologie ebenso unterhalten konnte wie über die englische Poesie. Sie beriet ihren Mann bei der Fertigstellung des „Messias“ und anderer Werke.

Berühmt geworden sind Meta Klopstocks zahlreichen Briefe, die einen lebendigen Einblick in das Denken und Fühlen im 18. Jahrhundert geben. Sie waren literarisch ausformuliert und wurden bereits zu ihren Lebzeiten gern in Freundeskreisen vorgelesen. Auch ein Drama und einige weitere literarische Werke sind von ihr überliefert.

Friedrich Klopstock schrieb einem Freund über Meta, sie habe „einen angebohren, und ausgebildeten Geschmak, der immer viel entscheidend fühlt, und wenig disputirt; aber viel disputiren könnte, so bald er wollte“. Dass sie sich in Gesprächen zurückhaltend zeigte, lag sicher daran, dass die Frauen auch in der Zeit der Aufklärung meist von „ernsthaften“ Gesprächen weitgehend ausgeschlossen blieben. Meta schrieb einmal, sie sei erstaunt, dass sie sich bilden würde als ein „Mädchen, das doch eigentlich an nichts anderes denken sollte, als wie sie eine artige Puppe für das andere Geschlecht abgeben könne.“

Der Tod von Meta Klopstock stürzte viele Menschen in Trauer

Das Glück des jungen Paares dauerte nur wenige Jahre. Am 28. November 1758 starb Meta Klopstock bei der Geburt des ersten Sohnes, der schon tot auf die Welt kam. Kurz vor ihrem Tod sagte sie ihrem Mann tröstend: „Du wirst mir folgen!" Mutter und totgeborener Sohn fanden neben der Christianskirche in Ottensen ihre letzte Ruhe. Bewusst hatte Klopstock diesen dörflichen Friedhof gewählt, damals ein romantischer Ort am Elbufer inmitten der Natur.

Der Stein für Meta trägt die Inschrift: „Margareta Klopstock erwartet da, wo der Tod nicht ist, ihren Freund, ihren Geliebten, ihren Mann, den sie so sehr liebt und von dem sie so sehr geliebt wird. Aber hier aus diesem Grabe wollen wir gemeinsam auferstehen, Du mein Klopstock, und ich und unser Sohn, den ich dir nicht gebären konnte.“

Viele Menschen pilgerten zum Grab, und die Trauer um Meta wurde durch einen regelmäßig erneuerten Blumenschmuck ausgedrückt. Das gefühlsbetonte Bürgertum des 18. Jahrhundert nahm die Trauer über den tragischen Tod Meta Klopstocks zum Anlass für Melancholie, ja geradezu für eine Todessehnsucht, und auch der Dichter lebte auf den Augenblick des Todes hin, von dem an er wieder seine geliebte Meta in die Arme schließen wollte.

Klopstock dichtete noch eine ganze Reihe von Oden und Elegien, aber keines dieser Werke erlangte eine ähnliche Berühmtheit wie sein „Messias“, der vor allem durch die Vertonung durch Georg Philipp Telemann weit über Deutschland hinaus bekannt wurde. 1770 zog Klopstock endgültig in die Hansestadt: „Hamburg ist mir der letzte sichere Hafen.“ Der Dichter heiratete 1791 Johanna Elisabeth von Winthem, die Nichte seiner ersten Frau.

Romantische Empfindsamkeit und Begeisterung für die Französische Revolution

Klopstock verband eine romantische Empfindsamkeit mit Gedanken der Aufklärung und begrüßte begeistert die Französische Revolution des Jahres 1789: „Hätt' ich hundert Stimmen: ich feyerte Galliens Freyheit.“ Auch als die Revolution in Gewaltexzessen endete, hielt der Dichter an den Idealen dieser Revolution fest, vor allem an der Freiheit, der „Mutter des Heils“. Die französische Nationalversammlung verlieh ihm 1792 das französische Bürgerrecht, das er trotz Drängens einiger Freunde nie zurückgab. Er blieb den Idealen der Revolution länger treu als die, die ihn in Paris geehrt hatten.

Gemeinsam mit dem berühmten Hamburger Aufklärer Johann Georg Büsch gründete Klopstock eine Lesegesellschaft, also einen literarischen Club, in dem sich die Männer und Frauen der Aufklärung trafen. Für den Dichter gehörten der tiefe Glaube an Gott und die Gedanken der Aufklärung von Freiheit und Gleichheit der Menschen eng zusammen. Wie hoch sein Ansehen in Kreisen der Aufklärer war, geht daraus hervor, dass sich die bekannten Hamburger Aufklärer Voght, Sieveking und Hudtwalcker morgens an der Elbe oder Alster trafen, um sich Klopstocks Verse vorzulesen und erst danach ins Kontor zu gehen. Anfang des 19. Jahrhunderts geriet Klopstocks Werk aber allmählich in Vergessenheit, nicht aber der Dichter, zu dessen Grab viele Berühmtheiten wie der britische Seeheld Lord Nelson pilgerten.

Selbst der Seeheld Lord Nelson pilgerte zum Grab Klopstocks

Am 14. März 1803 war Klopstock im hohen Alter von fast 79 Jahren gestorben. Eine Woche später trug man ihn auf dem Ottensener Friedhof zu Grabe. Mehr als 20.000 Menschen gaben dem toten Dichter das letzte Geleit. Der Domherr F. J. Lorenz Meyer beschrieb den größten Trauerzug, der in Deutschland je einem Dichter aus­gerichtet wurde, so: „Um zehn Uhr begann der Zug unter dem volltönenden großen Geläute der sechs Haupttürme Hamburg. Ein langes Gefolge von Wagen fremder Gesandten und hamburgischer Bürger, Senatoren, Gelehrte, Kaufleute, Kirchen- und Schullehrer und Künstler schloss sich vor der Wohnung des Verstorbenen an den Leichenkondukt.“

 

Die Gräber von Friedrich Klopstock und seiner Frau Meta werden auch heute noch von Literaturliebhabern besucht. In Ottensen erinnern Klopstockplatz, Klopstockterrasse und Klopstockstraße an den Dichter und seine Frau Meta. Das Museum für Hamburgische Geschichte besitzt ein Gemälde des Dichters. In der Poststraße 36, wo früher das Wohnhaus Klopstocks stand, erinnert eine Büste an den Dichter. In der Hamburger Rathausdiele gibt es an einer Säule ein Klopstock-Relief. 

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann