Cover von: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, 1016 Seiten ISBN 978-3-384-05017-5 38 Euro

1770 - Franz Peter His, der letztlich glücklose Betreiber des ersten Zahlenlottos in Hamburg

Am 11. Juli 1770 gab es einen gewaltigen Volksauflauf auf dem Gänsemarkt, denn beim neuen Zahlenlotto bestand die Chance, auf einen Schlag zu einem reichen Mann oder einer reichen Frau zu werden. Aus 90 Zahlen wurden 5 Zahlen gezogen. Mit 4 Richtigen gewann man das 60.000-fache des Einsatzes. Auf 5 Richtige konnte man nicht wetten, weil die Gewinnsumme so hoch gewesen wäre, dass der Lottobetreiber sie nicht hätte auszahlen können. Gegenüber früheren Formen des Lottos bestand ein großer Vorteil des neuen Zahlenlottos darin, dass jeder selbst bestimmen konnte, wie viel Geld er einsetzen wollte. Auch ärmere Hamburger konnten mit kleinem Einsatz mitspielen.

Zu hohen Einnahmen wollte beim Zahlenlotto auf jeden Fall die Stadt Hamburg kommen, aber das Risiko sollten andere tragen. Deshalb schloss die Stadt im Mai 1770 einen Vertrag mit Franz Peter His, der ihm das Privileg des Zahlenlottos für zehn Jahre gewährte. Dafür musste His eine hohe Kaution hinterlegen und beträchtliche Pachtzahlungen erbringen. Der aus Frankreich stammende Bankier und Kaufmann hatte seinen Reichtum im Atlantikhandel erworben und versprach sich ein gutes Geschäft mit dem Spiel um das Glück. Und da es sich immer gut macht, schnödes Gewinnstreben mit einem Mantel des sozialen Engagements zu versehen, schrieb man auf jede der 90 Nummern des Zahlenlottos den Namen eines armen Mädchens der Stadt. Die fünf Mädchen, deren Namen auf den gezogenen Nummern standen, erhielten einen erheblichen Geldbetrag von His.

Franz Peter His mietete ein Haus am Gänsemarkt und ließ einen hohen Vorbau errichten. 12 Säulen sorgten dafür, dass die Senatoren und andere Persönlichkeiten erhöht auf einer Plattform gut sehen und vor allem gesehen werden konnten. Darüber befand sich ein Balkon, auf dem die Ratsmusiker spielten. Gekrönt wurde der Bau durch ein Dach mit einem Hamburger Wappen im Großformat, was dem Zahlenlotto einen offiziellen Anstrich geben sollte.

Bei der ersten Ziehung der Lottozahlen war das Interesse so groß, dass das Stadtmilitär für Ordnung sorgen musste. Vor der Ziehung wurde „keine Kutsche weiter admittiret“. Die Obrigkeit ermahnte die Besucher: „Uebrigens wird ein jeder wohlmeinentlich hiermit    an­erinnert, alles ungethüme Gedränges, Geschreys, und anderer dergleichen Unanständigkeiten sich gänzlich zu enthalten.“ Die Lotto-Begeisterung war so groß, dass im Oktober 1770 in Altona eine neue Wochenzeitung mit dem Namen „Lottologie oder Perspectivische Aussicht in das Reich der Lotterien und besonders des Lotto“ erschien.

In der ersten Ausgabe schrieben die Herausgeber: „Die Zahlen-Lotterien sind jetzt in Hamburg, seitdem man es für gut befunden hat, allhier eine zu errichten, fast in allen Gesellschaften ein Gegenstand der Unterhaltung. Vornehme und Geringe, Geistliche und Weltliche, Staatsmänner und Tagelöhner studieren jetzt darauf, wie sie ihr Glück in der Zahlen-Lotterie machen wollen.“ Die Zeitung kündigte an, „unsern Lesern Unterricht zu ertheilen, wie sie ihr Geld auf die vortheilhafteste, oder am wenigsten gefährliche Art in der Zahlen-Lotterie einlegen können“.

Aber das Glück war nicht jedem hold, auch Gotthold Ephraim Lessing < S. 247 > nicht, der mehrmals Lose kaufte, um endlich ausreichend Geld zu haben, seine geliebte Eva König zu heiraten. Es klappte nicht, und das Glück kam für ihn erst in Gestalt des Prinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel, der sein Bibliothekarsgehalt deutlich erhöhte.

In Dänemark beobachtete man die Hamburger Zahlenlotterie mit Argwohn, fürchtete man doch, dass viele Leute aus den dänisch regierten Städten Holsteins ihr Geld in Hamburg lassen würden. Also führte man in aller Eile ein königlich-dänisches Zahlenlotto in Altona ein. Dieser staatlichen Konkurrenz war der Bankier His nicht gewachsen, wo er doch allein das Risiko trug, einen Lottokönig auszuzahlen, während bei der Konkurrenz der dänische Staat dieses Risiko übernahm. Nach vier Jahren gab His das Geschäft mit dem Lottoglück auf und konzentrierte sich wieder auf das Bank- und Außenhandelsgeschäft. 

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

 

© Frank Kürschner-Pelkmann