Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, 1016 Seiten ISBN 978-3-384-05017-5 38 Euro

865 – Rimbert wird zum Nachfolger Ansgars gewählt

Rimbert hat in seinem Buch „Das Leben des heiligen Ansgar“ der Nachwelt ein lebendiges Bild der Frühgeschichte der Kirche in Hamburg hinterlassen. Über sein eigenes Leben wissen wir vor allem deshalb Einiges, weil ein Mönch aus seiner Umgebung seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Beide Lebensberichte sind eine Mischung aus Biographie und Heiligengeschichte, aber gerade deshalb erfahren wir aus ihnen viel über den Glauben und das Denken der Kirchengründer, die in einer Zeit voller Kriege und Gewalt eine Botschaft der Hoffnung verbreiteten.

Ansgar machte Rimbert zu seinem Nachfolger

Rimbert wurde um 830 geboren und wuchs als Schüler im Kloster Torhout in Flandern auf. Das Kloster sollte die Missionsarbeit Ans­gars finanziell und mit Geistlichen unterstützen, und so besuchte Ansgar von Zeit zu Zeit Torhout. Bei einem dieser Besuche fiel ihm ein Junge auf, der ganz ernst zum Gebet in die Kirche ging, während seine Mitschüler laut plaudernd zur Kirchentür eilten. Ansgar erkundigte sich nach dem Jungen und gab den Auftrag, ihn besonders sorgfältig auszubilden.

In einer seiner Visionen wurde Ansgar in seiner Auffassung bestätigt, dass Rimbert eines Tages zu seinem Nachfolger werden sollte. Kaum hatte dieser die Klosterschule abgeschlossen, machte ihn Ansgar zu seinem Gehilfen und bald auch zu seinem Berater und Vertrauten. Gemeinsam überstanden sie die Gefahren vieler Reisen, und in den letzten Wochen der Krankheit Ansgars im Jahre 865 wich Rimbert nicht von dessen Lager.

Er besaß zu dieser Zeit bereits ein so hohes Ansehen, dass es nicht einmal Ansgars Vision bedurft hätte. Jedenfalls wurde er schon am Tage der Bestattung Ansgars von Geistlichkeit und Gemeinde zum neuen Leiter der Missionsarbeit im Norden gewählt, ohne dass es einen Gegenkandidaten gegeben hätte. Rimbert war voller Bewunderung für seinen Vorgänger und verfasste eine Lebens­beschrei­bung Ansgars, die „Vita Ans­garii“. Sie würdigte dessen aufopferungsvolle Missionsarbeit, bildete die Grundlage für die Seligsprechung des „Apostels des Nordens“ und stärkte zugleich die kirchliche Stellung des Bistums Hamburg–Bremen sowie Rimberts Position als Nachfolger Ansgars.

Ein schweres, gefahrvolles Amt

Der Historiker Andreas Röpcke hat diese Lebensbeschreibung 1997 in einem Vortrag in der Katholischen Akademie Hamburg so gewürdigt: „Rimberts Überhöhung Ansgars zum Apostel, zum Quasi-Paulus des Nordens, hat so Eingang in die Geschichte gefunden, wenn auch neuere Darstellungen nicht verschweigen, dass seine tatsächlichen Missionserfolge gering waren. Ansgar wurde ein angesehener Heiliger, auf dessen Reliquien die Bremer Kirche stolz sein konnte. Die Lebensbeschreibung Ansgars war also, betrachtet man die Wirkungsgeschichte, ein Riesenerfolg.“ Seinen eigenen Namen erwähnte Rimbert in der Lebensbeschreibung seines Vorgängers kein einziges Mal, obwohl er Ansgar viele Jahre begleitet und unterstützt hatte. Das hat wesentlich dazu beigetragen, dass er heutzutage vor allem als Verfasser von Ansgars Lebensbeschreibung bekannt ist.

Es war ein schweres, gefahrvolles Amt, das Rimbert von Bremen und Hamburg aus mit großem Opfermut und Geschick ausübte. Schon Ansgar hatte in Bremen ein Hospital errichtet, und sein Nachfolger setzte diese diakonische Arbeit fort. So hatte er immer Männer in seiner Nähe, die in Beuteln Geld bei sich trugen, das der Bischof an Arme verteilte, die er am Wegesrand sah. Er pflegte zu sagen: „Wir dürfen nicht zögern, allen Armen zu helfen, weil wir nicht wissen können, wer von ihnen Christus selbst ist und wann er zu uns kommt.“

Rimbert verkaufte sogar AItargefäße, um von Heiden gefangene Christinnen und Christen freizukaufen: „So viel, wie der Kirchendienst erfordert, können wir immer wieder aufbringen, wenn aber eine Christenseele in der Not der Gefangenschaft verlorengeht, so ist der Schaden unersetzlich.“ Wenn er in einer Situation ratlos war, verließ er sich darauf, dass sein Vorgänger Ansgar ihm in einer Vision erscheinen und Orientierung geben würde.

Als Rimbert den Friesen half, die Wikinger zu besiegen

Rimbert wird als sehr geduldiger Mensch beschrieben. Er hätte aber fest und beharrlich an seinen Auffassungen festgehalten, wobei er „nie irgend etwas von Zorn oder Gereiztheit zeigte“, und „in freundlichen Gesprächen mit einem gehaltenen, anmutigen Wesen setzte er stets seine Wünsche und Absichten auseinander“.

Rimbert führte die Reisetätigkeit trotz aller Gefahren und Rückschläge fort. Er erlitt dabei mehr als einmal Schiffbruch und geriet in lebensgefährliche Situationen. Immer wieder kam er nach Hamburg und sorgte dafür, dass der Ort wiederaufgebaut wurde.

885 reiste er gerade durch Ostfriesland, als die Wikinger dort angriffen. Mit seiner Unterstützung fügten die Friesen ihren Gegnern eine vernichtende Niederlage zu. Bovo, der damalige Abt von Corvey, hat in einer Chronik beschrieben, wie die Wikinger eine Niederlage erlitten: „… ereignete es sich auch, nach den göttlichen Gerichte, daß sie einen entlegenen, hart am Meer liegenden District von Friesland, Nordwiede genannt, in der Absicht ihn zu vernichten, überfielen. Zu derselben Zeit befand sich gerade der verehrte Bischof Rimbertus daselbst. Die durch seine Aufforderungen und Lehren ermutigten und belehrten Christen, fielen über die Feinde her, und machten zehntausend dreyhundert sieben und siebzig derselber nieder. Überdem fanden noch viele, welche ihr Heil in der Flucht suchten, bey dem Durchgange durch die Flüsse daselbst ihren Tod.“ Die Schlacht selbst ist historisch verbürgt, auch wenn wir davon ausgehen können, dass die Zahl der getöteten Feinde stark übertrieben sein dürfte.

Kirchlich und politisch war die Lage in Europa zu Lebzeiten Rimberts schwierig. Das Reich Karls des Großen wurde in drei kleinere Reiche aufgeteilt, und das wirkte sich negativ auf die Missionsarbeit im Norden aus. So gehörte das Kloster, das seit den Zeiten Ansgars die Missionsarbeit unterstützt hatte, nun zu einem anderen Teilreich. Rimbert war danach weitgehend auf sich selbst gestellt und musste sich auf kleine, mühsame Aufbauarbeiten beschränken, die erst in den folgenden Generationen eine Christianisierung des ganzen Nordens Europas ermöglichten.

Dabei wirkte sich später sehr positiv aus, dass er viel unternahm, um den Aufstieg Bremens nicht nur zum Bischofssitz, sondern auch zur aufstrebenden Handelsmetropole zu ermöglichen. Vor allem erreichte er 888, dass die Hafenstadt von Kaiser Arnulf das Markt-, Münz- und Zollrecht erhielt. Die Urkunde ist im Original erhalten und offenkundig keine Fälschung. Die Missionsarbeit der Nachfolger Rimberts wurde dadurch erleichtert, dass sie ihren Erzbischofssitz in der prosperierenden Stadt Bremen hatten.

Im Schatten des Vorgängers Ansgar

Wie schon Ansgar erlitt auch Rimbert nicht den Märtyrertod, sondern starb am 11. Juni 888 auf dem Krankenlager in Bremen, aber auch sein Leben war in vieler Hinsicht ein Martyrium gewesen. So plagten ihn über viele Jahre so starke Zahnschmerzen, dass er das Brot nur essen konnte, nachdem er es in Wasser eingeweicht hatte. Später kamen Beinprobleme hinzu, die ihn zwangen, seine Missionsreisen einzuschränken.

Alle Gefahren und Belastungen brachten ihn nicht von seiner Mission ab, die so wenige äußere Erfolge zeitigte. Auch der Lebensbericht eines seiner Mitarbeiter, die seine tatsächlichen und legendarischen Leistungen darstellte, konnte daran nichts ändern. Die Versuche, ihn nach seinem Tod heiligzusprechen, scheiterten. Er stand damals wie heute im Schatten seines Vorgängers Ansgar. Bedauert stellte Andreas Röpcke in seinem Vortrag fest: „Im materiellen Sinne ist von Rimbert praktisch nichts übrig geblieben: kein Kelch, kein Buch, kein Bischofsring – erhaltene Reliquien sind nicht bekannt, - auch kein Stein, der sicher seiner Bautätigkeit zuzuschreiben wäre.“

Die Rimbertkirche in Hamburg-Billstedt wurde 1963 eingeweiht, aber bereits 2008 wieder abgerissen. Die erhaltene Kirchenglocke und der Name „Kirchengemeinde Philippus und Rimbert“ halten die Erinnerung an dieses Gotteshaus wach. In Lokstedt trägt der Rimbertweg den Namen des Missionars. 

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann