DER HEINEPARK AN DER ELBCHAUSSEE

 

Bis in die 1770er Jahre lagen dort, wo die Familie Heine später ihren Park anlegte, noch Felder. Die Hänge, die zur Elbe abfielen, waren noch weitgehend kahl und ungenutzt. Gerade diese Mischung zog John Blacker an, einen aus England eingewanderten reichen Kaufmann. Er war Courtmaster der englischen Kaufleute in Hamburg, leitete also die Interessenvertretung dieser Händler. Er erwarb 1780 den Bauernhof an der Elbe und verwandelte die Felder und Abhänge in einen GartenPark nach englischem Vorbild. Nahe an einem Abhang ließ er sich um 18790 ein Landhaus mit Blick auf den Fluss errichten. Er wohnte dort mit seiner Familie kaum mehr als ein Jahrzehnt, dann starb er 1803.

Sein Sohn John Blacker junior übernahm das elterliche Unternehmen, musste aber bereits drei Jahre später Konkurs anmelden. Vermutlich hing das mit der französischen Besetzung Hamburgs, der Beschlagnahme englischer Waren und der gegen England verhängten Kontinentalsperre zusammen. Der Hamburger Kaufmann Peter Rücker1806 ging das Anwesen in Ottensen 1806 an den Hamburger Kaufmann und Versicherungsbevollmächtigten Peter Rücker über. Er verkaufte es bereits 1808 an Salomon Heine.

Wer war der Bankier, der trotz des wirtschaftlichen Niedergangs Hamburgs während der französischen Besatzungszeit ein Landhaus mit großem Parkgelände erwerben konnte? Salomon Heine wurde am 19. Oktober 1767 in einer jüdischen Altwarenhändler-Familie in Hannover geboren und musste im Alter von 13 Jahren miterleben, wie seine Familie nach dem Tod des Vaters völlig verarmte. Mit 17 Jahren zog er 1784 mit ganz wenig Geld nach Hamburg, wo zwar der Antisemitismus weit verbreitet war, sich für Juden aber auch gute Möglichkeiten für Handels- und Kreditgeschäfte boten. Er fand eine Anstellung als Bankbote und bald darauf als Bankangestellter. 1797, im Alter von 30 Jahren, wurde er Teilhaber einer Bank, die unter seiner Leitung rasch zu einem der großen Kreditinstitute der Stadt aufstieg. Von 1818 an war Heine alleiniger Eigentümer dieser Bank.

Salomon Heine besaß keine höhere Bildung: „Über Literatur kann ich nicht sprechen, ich kenne keine anderen Aufsätze als die, welche vom Konditor kommen." Schließlich hatte der Onkel des Dichters Heinrich Heine nie eine höhere Schulbildung genossen besucht. Salomon Heine war als Bankier trotzdem so erfolgreich, dass sein Vermögen bald größer war als dasjenige alteingesessener Hamburger Kaufmanns- und Bankiersfamilien.

Das erlaubte ihm nicht nur, ein repräsentatives Geschäfts- und Wohnhaus am Jungfernstieg zu erwerben, sondern auch, sein Anwesen an der Elbe zu kaufen und mehrfach zu vergrößern und. Er ließ seinen Besitz von dem bekannten Gartenarchitekten Joseph Jaques Ramée in einen zu einem prächtigen Park verwandeln ließ. An diesen Park erinnern heute noch eine ausladende Blutbuche und eine riesige Platane. Im Sommer wohnte Salomon Heine mit seiner Familie  in dem von Blacker errichteten Landhaus.

Eine Besucherin dieses Landhauses, Therese Devrient, hat ihre Eindrücke von diesem Haus so beschrieben: „Das Innere des Hauses machte einen überaus behaglichen Eindruck, es war von so gediegener Eleganz, dass man sie zuerst gar nicht merkte, alles sah nur bequem und wohnlich aus. Der Speisesaal, gleich im untern Stock, bot außer dem reich mit Silbergeschirr besetzten Buffet und vielen Dienern in Livreen nichts Bemerkenswertes. Die Unterhaltung bei Tisch missfiel mir, da sie sich meist um die Delikatessen drehte, die eben aufgetragen und verzehrt wurden.“ Hoffmann 59

Salomon Heine war ein Geschäftsmann und Gastgeber mit Härte und Großzügigkeit, Wutanfällen und großer Mitmensch­lichkeit, also eine eigenwillige Persönlichkeit. Der „Hamburger Roth­schild“ war ein Patriarch, meist freundlich, aber manchmal auch jähzornig. Seine gutmütige Frau Betty litt darunter und sorgte oft für den nötigen Ausgleich. Salomon Heine liebte seine Frau und seine sechs Kinder, vor allem seine Töchter, denen er gern jeden Wunsch erfüllte. Er blieb seinem jüdischen Glauben treu und schloss sich 1818 dem liberalen Neuen Israelitischen Tempelverein an. Ebenso blieb er dem Jiddisch treu und hatte Probleme mit dem Hochdeutschen, sodass sein Neffe Heinrich Heine spottete: „Mein Onkel hat drei Diener, einen zum Servieren, einen für den Dativ und einen für den Akkusativ.“ Der Onkel seinerseits äußerte über diesen Neffen: „Hätte der dumme Junge was gelernt, brauchte er nicht zu schreiben Bücher!“.

In Heines Häusern am Jungfernstieg und in Ottensen gaben sich Senatoren, Diplomaten und Künstler die Klinke in die Hand, und der Bankier schätzte gutes Essen in munterer Gesellschaft über alles. Dass bei Heines gut gekocht wurde, sprach sich bis zu dem Kriegshelden Marschall Blücher herum. Bei einem Hamburg-Besuch im Jahre 1816 nahm er deshalb gern die Einladung des Bankiers Heine in seine Villa an der Elbchaussee an. Die Umgebung Blüchers riet von einem Besuch ab, weil Heine Jude sei, aber der „Marschall Vorwärts“ entgegnete barsch: „Was schert mir denn die Abstammung von diesem Musjöh? Ick gehe hin! Jüden sind bekannt für gutes Essen!“ Es soll ein köstliches Mahl gewesen sein, und die zwei haben sich gut unterhalten. Dass beide Schwierigkeiten mit dem Hochdeutschen hatten, machte ihre Beziehung umso herzlicher.

Der Bankier Heine erkannte, dass wirtschaftlicher Erfolg gekoppelt mit großzügigem Mäzenatentum der beste Weg war, um als Jude Anerkennung in der Stadt zu finden. Das gelang ihm, aber zunächst nur ihm, während die Ausgrenzung der übrigen Juden bestehen blieb. Und auch dem reichen Bankier warf der Mob die Fensterscheiben ein, als es 1830 wieder einmal zu einem judenfeindlichen Aufruhr kam. Dabei hatte der Bankier da bereits seit Jahren wohltätige Einrichtungen der Stadt unterstützt und viel für den wirtschaftlichen Aufstieg Hamburgs getan. Als fünf Jahre später erneut aufgehetzte Stadtbewohner über den Jungfernstieg stürmten und schrien "Hep! Hep! Jude verreck!“, da schützten beherzte christliche Hamburger das Haus des Bankiers Heine vor Steinewerfern. Es gab auch den Antisemitismus der gebildeten und wirtschaftlich erfolgreichen Hamburger. Sie warfen keine Steine, verhinderten aber zum Beispiel die Aufnahme des Bankiers in die angesehene „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns“, was Heine sehr schmerzte.

Gegenüber seinem Neffen Heinrich war Salomon Heine großzügig. Nicht nur finanzierte er ihm sein Dichterleben, sondern bezahlte auch seine Auslandsreisen. Vergeblich hatte er versucht, ihn zum Bankier oder Kaufmann zu machen, und resigniert förderte er schließ­lich den Dichter. Stolz war er auf seinen berühmten Neffen dann doch. Streit gab es, wenn Heinrich Heine wieder einmal Geld brauchte und sich zur „Fütterungsstunde“ bei seinem Onkel einfand. Wie unbehaglich er sich bei den Besuchen in der Heine-Villa an der Elbe fühlte, hat er in dem Gedicht „Affrontenburg“ hinterlassen, das so beginnt:

 

Die Zeit verfließt, jedoch das Schloß,

Das alte Schloß mit Turm und Zinne

Und seinem blöden Menschenvolk,

Es kommt mir nimmer aus dem Sinne.

 

Ich sehe stets die Wetterfahn,

Die auf dem Dach sich rasselnd drehte.

Ein jeder blickte scheu hinauf,

Bevor er nur den Mund auftäte.

Wer sprechen wollt, erforschte erst

Den Wind, aus Furcht, es möchte plötzlich

Der alte Brummbär Boreas

Anschnauben ihn nicht sehr ergötzlich.

 

Die Großzügigkeit Salomon Heines zeigte sich auch beim Großen Brand 1842. Große Teile der Stadt wurden zerstört, und wahrscheinlich wäre die Katastrophe noch größer geworden, hätte nicht Salomon Heine angeboten, sein Haus am Jungfernstieg zu sprengen, um so eine Schneise zu schlagen und die Flammen zu stoppen. Das gelang, sodass das Wohngebiet rund um den Gänsemarkt gerettet werden konnte. Als die Flammen gelöscht waren, zogen die Hamburger Kaufleute und Bankiers Bilanz. Das Ergebnis war niederschmetternd, ein Neuanfang erschien kaum möglich. Wieder war es Salomon Heine, der für Optimismus sorgte. „Na, was ist denn verloren? Ist die Elbe abgebrannt? Na, dann ist doch nichts verloren, wenn wir nur die Elbe noch haben!“ Er sorgte durch die Vergabe von Krediten dafür, dass die Wirtschaft erneut in Schwung kam und die Stadt wieder aufgebaut wurde.

Als das Finanzgenie Salomon Heine am 23. Dezember 1844 starb, hinterließ er ein riesiges Vermögen, das er großzügig auf jüdische und christliche Einrichtungen (zum Beispiel das Rauhe Haus) und seine Verwandten verteilte. Geblieben ist die Erinnerung an einen großzügigen jüdischen Bankier, der zum Beispiel das Israelitische Krankenhaus stiftete und der durch seine Großzügigkeit half, die Emanzipation der Hamburger Juden vorzubereiten.

Die nächsten Generationen der Heines waren wirtschaftlich nicht so erfolgreich wie der Verstorbene. Zudem kam es später zu Erbstreitigkeiten. 19903 wurde das Anwesen an der Elbchaussee verkauft. Bereits zwei Jahrzehnte vorher war das Landhaus abgebrochen worden. Das Gartenhaus blieb erhalten und wird inzwischen als Kulturzentrum Heine -Haus genutzt. Die Villa Therese am südöstlichen Rand des Parks kann die Erinnerung an die Heine-Tochter Therese wachhalten. Die neuen Besitzer des Heine-Anwesens, Plange, bauten sich ein neues Landhaus, dieas heute als Plangesche Villa bekannt ist.

1890/91 enteignete die Stadt etwa 2.000 qm des Parkgeländes, um die Elbchaussee zu verbreitern. Der Park ist seit 1939 städtisches Eigentum. Er ist lange Zeit vernachlässigt worden. In der Nachkriegszeit fällten frierende Hamburger viele Parkbäume, um mit dem Holz ihre Wohnungen zu heizen. Erst 2014 ist der Park grunderneuert worden. Es erfolgten eine Neubepflanzung des Parkgeländes, die Anlage von Wegen und die Ermöglichung einer freien Aussicht von Ausblicken auf den  auf die Elbe. Dafür mussten einige Bäume am Elbhang gefällt werden. Vieles im Park erinnert jetzt daran, wie die Parkanlage einmal in der Zeit von Salomon und Betty Heine ausgesehen hat. Eine Rekonstruktion des früheren Parks ist nicht angestrebt worden. So ist zum Beispiel im Westen des Heineparks ein Spielplatz entstanden. An der Stelle, wo sich früher das Haus der Familie Heine befand, ist der quadratische Salomon-Heine-Platz entstanden, den Granitsteine bedecken. Der Park steht seit 2007 unter Denkmalschutz. Eine Fußgängerbrücke führt vom Heinepark in den westlich gelegenen Donners Park.

  

Heine-Haus

 

Das Heine-Haus ist außer der Villa Therese das einzige Gebäude, das im Heinepark noch an Salomon Heine und seine Familie  erinnert.  Es  ist  1832 als kleines  klassizistisches  Gebäude an der Elbchaussee entstanden. Im Erdgeschoss diente ein kleiner ovaler Gartensaal als Refugium für Salomon Heine. Im Obergeschoss befand sich die Wohnung des Gärtners. Ob Heinrich Heine den kleinen Gartensaal jemals betreten hat, um sich mit seinem Onkel Salomon Heine zu unterhalten, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Wahrscheinlich ist es nicht, denn das Haus wurde erbaut, als Heinrich Heine nicht mehr in Hamburg lebte und nur noch zu zwei Besuchen in die Stadt kam. Heute erinnern eine Gedenktafele Gedenktafel am Haus und ein Denkmal vor dem Haus an Salomon Heine.

Wie der Park, so verfiel auch das Heine-Haus im Verlauf des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in einen Dornröschenschlaf. Nachdem Park und Gartenhaus im Jahr 1939 in städtischen Besitz übergegangen waren, zeigten die Nazis keinerlei Interesse an dem „Juden-Bau“ und ließen das Gartenhaus weiter verfallen.

 In der Nachkriegszeit hat die städtische Wohnungsgesellschaft   SAGA das Heine-Haus verwaltet. Zunächst wohnten hier Flüchtlingsfamilien, später „Gastarbeiter“.

Das Gebäude steht seit 1962 unter Denkmalschutz, befand sich aber lange Zeit ian seinem beklagenswerten Zustand nichts änderte. 1975 entstand der Verein Heine-Haus e.V. und konnte 1978 den bekannten Hamburger Architekten Jürgen Elingius dafür gewinnen, eine Grundsanierung des Hauses zu planen und zu betreuen. Es war eine halbe Million Mark erforderlich, um das kleine Haus vor dem Abriss zu bewahren. Den größten Teil davon brachten private Spender auf. Das Heine-Haus ist heute eine Außenstelle des Altonaer Museums und wird vom Verein Heine-Haus mit Leben gefüllt. Der Verein lädt zu zahlreichen Vortragsveranstaltungen ein, u. a. zu jüdischen und zu literarischen Themen. Außerdem werden in kleinem Rahmen Ausstellungen ausgerichtet.

Der Verein vergibt seit 1992 die „Salomon-Heine-Plakette“ an „einzelne Personen oder Gemeinschaften für vorbildliches Handeln zum Wohle Hamburgs und seiner Bürger“. Zu denen, die bisher mit der Plakette ausgezeichnet wurden, gehören der Kaufmann Erik Blumenfeld, der von den Nazis wegen seiner jüdischen Wurzeln verfolgt wurde, der Unternehmer und Mäzen Hermann-Hinrich Reemtsma und der Historiker Professor Franklin Kopitzsch, der sich u. a. intensiv mit der Aufklärungszeit in Hamburg beschäftigt hat.   

Anfang 2005 fand der Hausmeister der Jüdischen Gemeinde Hamburg im Keller der Synagoge zufällig sechs historische Gemälde. Es sind Porträts von Jüdinnen und Juden aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Darunter ist ein Porträt von Betty Heine, der Ehefrau von Salomon Heine. Mit Unterstützung des Denkmalschutzamtes ist das wertvolle Kunstwerk von der Restaurierungswerkstatt der Hauptkirche St. Jacobi restauriert worden. Im August 2015 hat die Jüdische Gemeinde Hamburg dieses Porträt dem Verein Heine-Haus übergeben. Seither ist es im Heine-Haus zu besichtigen.

 

Plangesche Villa

 

Kommerzienrat Georg Plange erwarb 1903 das frühere Heine-Anwesen. Er leitete von 1875 an in vierter Generation das Familienunternehmen Georg Plange Weizenmühlen. in Soest. Georg Plange setzte konsequent auf technische Innovationen und eine Expansion der Produktion. Um den Absatz zu steigern, führte er als erster deutscher Mühlenunternehmer den Verkauf von kleinen Mengen Haushaltsmehl in Säckchen und kleinen Pappkartons ein. Während bisher die Einzelhändler das Mehl in großen Säcken erhielten und es aufwendig für jede Kundin abwiegen mussten, setzte Plange mit seinen abgepackten kleinen Portionen Mehl neue Maßstäbe. Die Verkaufserfolge ermöglichten es, 1896 in Wilhelmsburg einen neuen Mühlenbetrieb mit einer Mahlleistung von bis zu 1.000 t pro Tag zu eröffnen. Anfang des 20. Jahrhundert hatte Plange den Aufstieg zum größten europäischen Getreidemühlenkonzern geschafft.

Georg Plange bereitete seine fünf Söhne darauf vor, die Leitung von Teilen des Konzerns zu übernehmen. Der Sohn Carl war dafür ausersehen, den Betrieb in Wilhelmsburg zu leiten. Als standesgemäßer Wohnsitz war eine Villa in Hamburg für ihn vorgesehen. Dafür kaufte Georg Plange das Heine-Anwesen und ließ dort 1913 die repräsentative Plangesche Villa bauen. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs durchkreuzte die Pläne. Carl Prange starb noch im ersten Kriegsjahr 1914. Daraufhin erhielt die jüngste Tochter Clara diese Villa an der Elbe und zog dort mit ihrem Ehemann ein, der als Direktor für ein Mühlenunternehmen in Altona tätig war, ein. Sie starb 1937, und danach übte die Hamburger Stadtverwaltung Druck auf die Familie Prange aus, das Anwesen zu verkaufen. 1939 ging das Eigentum an Park und Villa an die Stadt Hamburg über. Die Villa sollte von der Seefahrtschule genutzt werden. Längerfristig war geplant, das Parkgelände in die gigantischen Bauvorhaben der Nazis am Nordufer der Elbe einzubeziehen.

Noch rechtzeitig vor einer Zerstörung durch die Nazis konnte ein Heinrich-Heine-Denkmal gerettet werden, das neben der Villa stand. Es ist ein Werk des dänischen Bildhauers Ludwig Hasselriis. Das Denkmal hatte von 1891 an ursprünglich neben der Villa der österreichischen Kaiserin Elisabeth auf Korfu seinen Platz. Als Kaiser Wilhelm II. 1908 das Anwesen nach dem Tod der Kaiserin kaufte, hatte er keinerlei Interesse an dem Denkmal für den Juden Heinrich Heine. Der Hamburger Verleger Julius Heinrich Campe holte es nach Hamburg. Die Stadt war aber nicht bereit, es auf einer öffentlichen Fläche aufzustellen. So fand es einen Platz auf privatem Grund in der Hamburger Innenstadt. Nachdem in den 1920er Jahren das Denkmal immer häufiger zum Opfer von Farbattacken von Nazis geworden war, sorgte der Altonaer Oberbürgermeister Max Brauer 1927 dafür, dass das Werk im Park neben der Plangeschen Villa aufgestellt wurde. Aber 1939 war es auch dort nicht mehr sicher und gelangte auf private Initiative in einen öffentlichen Park in Toulon. Dort steht es bis heute.

Der Ausbruch des Krieges verhinderte eine Erweiterung des Lehrbetriebs der Seemannsschule. In die Villa wurde eine Wirtschaftliche Frauenschule und dann eine Kinderpflegerinnenschule einquartiert. Bei Bombenangriffen wurde die Villa beschädigt, war aber noch nutzbar. Nach Kriegsende zogen britischen Besatzungstruppen in die Villa ein, gaben sie aber 1947 auffrei. Das Haus diente nun als Unterkunft für Flüchtlinge. Nach deren Auszug verfiel die Villa ebenso wie das Gartenhaus Heines und der umgebende Park. Die Stadt Hamburg wusste zunächst nichts mit den Immobilien anzufangen. Die Villa wurde dann erneut von der Seefahrtschule genutzt. Im Jahre 2005 schloss diese Schule und es stellte sich die Frage einer weiteren Nutzung der Villa. Die Stadt entschloss sich zu einem Verkauf. und die neuen Eigentümer restaurierten das denkmalgeschützte Gebäude aufwendig. Seit 2009 ist der Business Club Hamburg in der Plangeschen Villa zu Hause.

Der Business Club Hamburg sieht seine Aufgabe darin, „Beziehungsmanagement“ zu betreiben. In einer Selbstdarstellung heißt es: „Wir sind ein privater Businessclub moderner Prägung.“ Der Club hat mehr als 800 Mitglieder, darunter viele Firmen. Der Frauenanteil unter den Mitgliedern beträgt etwa 20 Prozent. Den Mitgliedern stehen u. a. ein Clubraum, eine Bar und Konferenzräume zur Verfügung. Für Mitglieder und Gäste gibt es ein umfangreiches gastronomisches Angebot sowie viele Veranstaltungen. Das „Hamburger Abendblatt“ hat im Oktober 2020  die  Clubs  in Hamburg  vorgestellt und über den Business Club Hamburg nternderemgeschrieben: „Der Club ist Treffpunkt für Unternehmen aller Branchen und Betriebsgrößen – vom Einzelunternehmer bis zum internationalen Konzern. Wer seine Kundschaft pflegen und sein Netzwerk erweitern möchte, neue Kontakte sucht oder regelmäßig Tagungsräume benötigt, ist an der richtigen Adresse. Die Mitgliederstruktur ist gemischt. Vertreten sind praktisch alle Berufsgruppen.“

 

Villa Therese

 

Therese Heine kam am 17. Dezember 1807 als Tochter von Betty und Salomon Heine zur Welt. Sie wuchs in einer liberalen jüdischen Familie auf, die ihre jüdischereligiöse Identität wahrte. Deshalb erhielt Therese außerdem den jüdischen Namen Thamor. Neben dem Stadthaus am Jungfernstieg bewohnte die Familie das große Anwesen an der Elbe. Die ersten Jahre ihrer Kindheit konnte Therese hier unbeschwert von den Belastungen der französischen Besatzungszeit in Hamburg verleben. Sie ist wie ihre Geschwister von Privatlehrern unterrichtet worden.

Später faszinierte die schöne Therese ihren Cousin, den Dichter Heinrich Heine,. eEr verliebte sich in sie und nannte sie seine „allerhübscheste Cousine“. Aber da vorher seine Bemühungen um deren ältere Schwester Amalie brüsk zurückgewiesen worden waren, warb der Dichter nur zurückhaltend um Therese, vielleicht zu zurückhaltend. Aber es wäre in jedem Fall mit einer heftigen Abwehr durch den Onkel Salomon zu rechnen gewesen.

Sylvia Steckmest, die sich intensiv mit der jüdischen Geschichte Hamburgs und den Heines beschäftigt hat, sagte 2016 in einem Vortrag über diese mögliche Verbindung: „Therese war sicherlich eine zartere und wohl auch hübschere Person als ihre Schwester Amalie, mit schwarzen Haaren und dunklen Augen, ähnlich wie ihre Mutter in frühen Jahren. Sie besaß einen liebenswürdigen Charakter und war weniger oberflächlich als Amalie.“

Therese war vermutlich zu schüchtern, um auf die vorsichtigen Avancen ihres Vetters einzugehen. Dass sie dann den Juristen Dr. Adolph Halle heiratete, verbitterte den Dichter. Salomon Heine wird erfreut gewesen sein, dass Therese den bereits zu dieser Zeit angesehenen Juristen Adolph Halle heiratete. Weniger erfreut war er, dass nicht nur der Bräutigam zum Christentum konvertiert war, sondern sich auch seine Tochter einige Wochen vor der Hochzeit in der Nikolaikirche taufen ließ. Salomon Heine hat stets den Gedanken eines Religionswechsels von sich gewiesen. Geheiratet wurde am 15. Mai 1828 in der Petrikirche.

Salomon Heine ließ dem Paar neben seinem Landhaus an der Elbe um 1830 eine Villa bauen. Entworfen hat das Haus vermutlich der damals hoch angesehene Architekt Joseph Jacques Ramée, der auch den GartenPark des Heine-Anwesens gestaltete. Salomon Heine ließ das Haus auch deshalb bauen, um seine geliebte Tochter weiterhin in der Nähe zu haben. Auch Besuchern fiel die liebenswerte Frau auf. Als Professor Karl Witte aus Halle 1838 zu Besuch bei Adolph Halle und seiner Frau war, stellte er fest: „Seine Frau sieht nach elfjähriger Ehe noch höchst auffallend jung und hübsch aus und gewährte mir als meine Tischnachbarin die angenehmste Konversation.“

Nach der Sprengung des Hauses von Salomon Heine am Jungfernstieg 1842, um eine weitere Ausbreitung einer Feuersbrunst zu stoppen, nahm ihn seine Tochter Therese in ihrem Haus in der ABC-Straße auf und pflegte ihn aufopfernd bis zu seinem Tod. Im Testament würdigte Salomon Heine die Unterstützung durch seine Tochter Therese: „… welche von dem Augenblicke des Todes ihrer guten Mutter sich mit der ausgezeichneten Liebe und Sorgfalt meiner Pflege gewidmet hat, wofür ich noch in meiner letzten Stunde Gottes Segen für sie erflehen werde“. Er übereignete ihr nicht nur das neue Haus am Jungfernstieg, das der bekannte Architekt Franz Gustav Forsmann entworfen hatte, sondern auch einen hohen Geldbetrag.

Adolph Halle genoss ein hohes Ansehen in der Stadt, aber die Revolution von 1848, von vielen bejubelt, warf den Juristen aus der Bahn. Nicht nur befürchtete er den Verfall der Staatspapiere, sondern er witterte auch überall demagogische Kommunisten. Er musste danach mehrere Jahre in einer „Irrenanstalt“ in der Nähe von Dresden verbringen. Seine Frau zog in dieser Zeit nach Dresden, um in seiner Nähe zu sein. 1858 war er soweit genesen, dass er an der Abfassung des deutschen Handelsgesetzbuches mitwirken konnte. Aber seine körperlichen und geistigen Leiden zwangen ihn bald, diese Tätigkeit wieder einzustellen. Er starb im Januar 1866 in Dresden.

Therese Halle entschloss sich 1866, das Wohnhaus am Jungfernstieg in ein Haus für „unbescholtene alleinstehende und mittellose Witwen und Jungfrauen ab 50 Jahren mit einwandfreiem Ruf“ umzuwandeln. Nach dem Umbau und der Erweiterung um einen Anbau konnten 45 Frauen aufgenommen werden. Sie wohnten nicht nur kostenfrei dort, sondern erhielten auch regelmäßig Geldbeträge für ihren Lebensunterhalt. In dem Stift wohnten mehrheitlich christliche Frauen, daneben auch einige Jüdinnen. Das Gebäude existiert nicht mehr, aber das Jugendstilhaus, das am Jungfernstieg an dieser Stelle gebaut wurde, trägt den Namen Heine-Haus.

Die Stifterin lebte überwiegend in Dresden, kam aber häufiger nach Hamburg und besaß eine Wohnung im Heine’schen Stiftsgebäude. Sie starb am 22. April 1880. Ihr Grab und das ihres Mannes befinden sich neben der Christianskirche in Ottensen, also ganz in der Nähe ihres früheren Hauses (siehe Abschnitt „Christianskirche“). Die Gräber sind erhalten geblieben und nördlich der Kirche zu finden. In ihrem Testament bedachte Therese Halle nicht nur die von ihr gegründete soziale Einrichtung, sondern ließ der Hamburger Kunsthalle ihre Gemäldesammlung zukommen. Das Altenstift hat man 1901 in einen Neubau am Holstenwall verlegt. Als Architekt konnte Martin Haller gewonnen werden. Das bis heute bestehende Heine’sche Wohnstift gegenüber dem Museum für Ham­burgische Geschichte macht einen geradezu schlossartigen Eindruck.

Therese HallesIhr Haus im am Rande des heutigen Heine-Pparks steht unter Denkmalschutz. SieEs gehörte bis vor zwei Jahrzehnten zur Seefahrtsschule, war also im städtischen Besitz. Das Haus ist 2011 zusammen mit der Seefahrtsschule verkauft worden und wird jetzt „Villa Therese“ genannt. Die Villa ist 2015 restauriert und in drei Luxuswohnungen aufgeteilt worden. Das historische Treppenhaus mit der Holztreppe, dem Marmorbodenbelag und den Wandpilastern blieb erhalten. Anstelle der früheren Veranda entstand ein gläserner Anbau mit Blick auf den Heine-Ppark.

Die Form der Restaurierung und die Umwandlung des Hauses in Luxuswohnungen ist von der Initiative „anna elbe – Weitblick für Hamburg“ heftig kritisiert worden. Zum Denkmalschutz der Villa schreibt die Initiative auf ihrer Website: „Als Schutz vor zerstörerischem Umbau diente er hier auf jeden Fall nicht. Die Heine-Villa ist inzwischen nicht   wiederzuerkennen.“ Als Beleg werden Bilder vor und nach der Restaurierung gegenübergestellt. Dabei wird auch dokumentiert, dass neben dem Wintergarten auch zwei Balkone hinzugefügt worden sind.

Wer den Heine-Ppark besucht, sollte die Villa der Tochter von Betty und Salomon Heine und bedeutenden Wohltäterin nicht unbeachtet lassen. Sie ist neben dem Heine -Haus und einigen Bäumen alles, was von demvon dem großen Anwesen von Betty und Salomon Heine übrig geblieben ist.

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann

Entdeckungsreise entlang der Elbchaussee

Mit dem Linienbus 112 von Altona bis Blankenese

Rediroma Verlag 2024, 342 Seiten mit zahlreichen Farbfotos, 31,95 Euro

 

Hinweis: Die Fotos zu diesem Beitrag sind nur im gedruckten Buch zugänglich.

 

© Frank Kürschner-Pelkmann