FISCHERS PARK AN DER ELBCHAUSSEE 

 

Fischers Park? Da zucken viele Hamburgerinnen und Hamburger mit den Schultern. Sie kennen Hirschpark, Heinepark und vielleicht einige andere Parks an der Elbchaussee, aber Fischers Park? Dafür bekommen viele Bewohner Ottensens leuchtende Augen, wenn sie an ihren Park denken, an den „Fischi“, wie sie ihn liebevoll nennen. Anders als andere Parks rechts und links der Elbchaussee war dies niemals ein prächtiger Privatpark mit stattlicher Villa. Bis ins 20. Jahrhundert ist der heutige Park von der reichen Bankiersfamilie Donner als Weide genutzt worden.

 

Mit der Idylle war es zu Ende vorbei, als das damals preußische Altona beschloss, zum 250-jährigen Stadtjubiläum 1914 endlich einmal die Hamburger Konkurrenz in den Schatten zu stellen und eine große Gartenbauausstellung rechts und links der Elbchaussee zu organisierveranstalten. Als Schirmherrin konnte Kaiserin Auguste Victoria gewonnen werden. Die Stadt kaufte auf der Elbsüdseite der Elbchaussee einige private Parkflächenflächen wie den den Donners Park und den heutigen Rosengarten. Der Kommerzienrat Plange stellte seinen Park für den guten Zweck seinen Park zur Verfügung, der heute den Kern aus dem später der Heinepark hervorging.  Auf der anderen Seite der Elbchaussee bezog man die Donners Weide in das weitläufige Ausstellungsgelände ein. Es entstand – so jedenfalls Bürgermeister Schnackenburg bei der Eröffnung der Ausstellung am 15. Mai 1914 – eine „Oase … auf die sich der Natur entfremdete Großstädter retten“ konnte.  

 

Auf der Donners Weide errichtete die Stadt ein beeindruckendes Niederdeutsches Bauernhaus mit dazu­gehörigem Bauerngarten. Im Bauernhaus waren u. a. Modelle von Schrebergärten und Siedlungshäusern für Arbeiterfamilien zu bestaunen. Die tatsächlichen Wohnverhältnisse der Arbeiterfamilien in den Mietskasernen von Ottensen hätte man ganz in der Nähe kennenlernen können, aber sie gehörten nicht zum Ausstellungsangebot, waren eben auch keine „Oase“. Auf dem Gelände der Donners Weide entstanden außerdem unter anderem eine Heidelandschaft sowie einige Kleingärten und eine Reihenhauszeile.

 

Am 21. Juni 1914 reiste sogar der Kaiser Wilhelm II. in Admiralsuniform und Gefolge zur Ausstellung an. Es schienen alle Voraussetzungen für eine grandiose und fröhliche Gartenschau gegeben zu sein. Daraus wurde trotzdem nichts. Eine Woche nach der Eröffnung der Schau m Kaiserbesuch ermordete ein Attentäter den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau in Sarajewo. Das hatte Auswirkungen bis ins ferne Altona, weil die Kaiser in Wien und Berlin diesen Mord zum Anlass für einen Krieg machten, der als Erster Weltkrieg in die Geschichte einging. Die Gartenschau blieb geöffnet,  aber es kamen weit weniger.

 

Zur Eröffnung der Gartenschau Besucher als erhofft. Nach der Schließung der Schau im Oktober 1914 wurde das große Bauernhaus wie geplant abgebaut und im Altonaer Volkspark neu errichtet. Es dient heute als „Eventlocation“. Die frühere Donnerwiese verwandelte die Stadt Altona in einen Park für die Bewohner des dicht besiedelten Arbeiterquartiere von Ottensen. Benannt ist der Park wie die benachbarte Allee nach dem Ottensener Pastor und Grundeigentümer Jacob Hermann Heinrich Fischer (1754-1814).

 

Nach einer gründ­­lichen Erneuerung 2021 und 2022 ist der 26.00 Quadratmeter große Park auf vielfältige Weise nutzbar. Im „Fischi“ laden unter anderem ein Spielplatz, ein Planschbecken, ein Sportfeld, eine Kletterlandschaft, Tischtennisplatten, Flächen für das Boulespiel und eine große Wiese zur Erholung ein. Der Fischers Park ist so gestaltet worden, dass er Menschen aller Altersstufen und auch mit unterschiedlichen Einschränkungen anspricht.

 

Gedenktafel für den Schriftsteller Otto Ernst

 

„Längst sind Otto Ernsts liebevollen Aufzeichnungen der kindlichen Ansichten und Taten seines Töchterchens Roswitha, genannt Appelschnut, eins der wenigen wirklich unsterblichen Bücher über Kinder geworden. Immer noch – und wohl auch in aller Zukunft – vermag es unzählige Menschen zu begeistern.“ So steht es im Klappentext meiner Ausgabe des Buches „Appelschnut“ aus dem Jahr 1960. Das Buch ist weiterhin lieferbar, aber unzählige Menschen sind es nicht, die es noch lesen. Es bedurfte gar nicht erst des pädagogischen Aufbruchs Ende der 1960er Jahre, um die Familienidylle und die Pädagogik des Buches als aus der Zeit gefallen wahrzunehmen.

 

Auch der Verfasser des Buches, der Schriftsteller Otto Ernst, ist nur noch wenigen bekannt. Immerhin, es gibt am Ostrand des Fischers Parks eine Gedenktafel für ihn, hinter der ein Apfelbaum gepflanzt wurde, ein Hinweis auf sein Werk „Appelschnut“. Der Dichter wurde am 7. Oktober 1862 als Otto Ernst Schmidt geboren. Er   wuchs in einer Zigarrettendreherfamilie unter ärmlichen Bedingungen in Ottensen auf. Er verdankte es seinen Schullehrern, dass er eine Ausbildung als Lehrer erhielt, damals eine große Ausnahme für ein armes Kind.

 

Von 1883 an arbeitete er als Lehrer an verschiedenen Volksschulen und auch an einer Höheren Mädchenschule. Dort lernte er die Lehrerin Helmy Scharge kennen und lieben. Sie heirateten 1887. Neben seiner Lehrertätigkeit schrieb Otto Ernst Schmidt viele Gedichten, Erzählungen, Romane und Dramen. Er war so erfolgreich, dass er 1901 seine Tätigkeit als Lehrer aufgeben konnte und sich eine Existenz als freier Schriftsteller unter dem Namen Otto Ernst aufbaute.

 

Bereits 1903 erwarb er ein Haus in Groß- Flottbek. Zur Familie gehörten bald fünf Kinder. Senta-Regina war das jüngste von ihnen und wurde von ihren Eltern und Geschwistern geliebt. Sein 1907 erschienenes Buch „Appelschnut“ über dieses Kind wurde das bekannteste Werk von Otto Ernst. Die Erlebnisse mit Roswitha, wie das Kind im Buch heißt, hat er sehr detailliert gemütvoll-humoristisch beschrieben. „Appelschnut“ fand damals eine große Leserschaft, aber keine Anerkennung bei den meisten Literaturkritikern. In seiner Autobiografie schrieb Otto Ernst über sich, er wäre „hoffnungslos unmodern“.

 

Der Schriftsteller verschloss sich nicht den sozialen Problemen seiner Zeit. Seine autobiografische „Asmus-Semper-Trilogie“ enthält ungeschönte Beschreibungen der sozialen Realität von Arbeiterfamilien in Ottensen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Ballade „Nis Randers“ stellte die Gefahren der Lebensrettung auf See und die Opferbereitschaft der Rettungsmannschaften so realistisch und überzeugend dar, dass die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger 1990 einem Seenotrettungskreuzer den Namen „Nis Randers“ gab.

 

Otto Ernst starb am 5. März 1926. Seine Tochter Senta-Regina Möller-Ernst hat zeitlebens versucht, das literarische Werk ihres Vaters vor dem Vergessen zu bewahren. Sein Arbeitszimmer schenkvermachte sie 1984 dem Othmarscher Gymnasium Christianeum. Allerdings wählte die Schule einen abgelegenen, fensterlosen Raum, um das Arbeitszimmer aufzubauen. Es wurden zwar künstliche Fenster mit dahinter angebrachten Lichtern eingebaut, aber spätestens bei der Frage der Belüftung zeigte sich, dass das Zimmer ungeeignet als Ausstellungsraum war. Da half auch ein Finanzaufwand von 35.000 Euro für den Museumsraum nicht.

 

Es kam noch schlimmer. Bei einer Schulsanierung stellte die Schulbehörde eine Zweckentfremdung fest. Der Raum müsse für schulische Zwecke genutzt werden. Da die Tochter von Otto Ernst bei ihrer Schenkung vertraglich bestimmt hatte, dass die Möbel nur im Christianeum ausgestellt werden duürften, blieb nur eine Einlagerung der Ausstellungsstücke.

 

Es kommt hinzu, dass inzwischen eine größere Sensibilität dafür besteht, dass Otto Ernst im Alter antisemitische und „völkische“ Positionen vertrat. So erinnern heute nur noch ein Straßenname und die Gedenktafel im Fischers Park an den früher populären Dichter. Genau hinter der Gedenktafel, an der Fischers Allee 11, hat der „Kinderhaus Rotznasen“ seine Räume. Wir dürfen annehmen, dass hier die Tradition von „Appelschnut“ nicht gepflegt wird.

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann

Entdeckungsreise entlang der Elbchaussee

Mit dem Linienbus 112 von Altona bis Blankenese

Rediroma Verlag 2024, 342 Seiten mit zahlreichen Farbfotos, 31,95 Euro

 

Hinweis: Die Fotos zu diesem Beitrag sind nur im gedruckten Buch zugänglich.

 

© Frank Kürschner-Pelkmann