STOLPERSTEIN FÜR CARL UND OLGA BRUCK
Das Ehepaar Carl und Olga Bruck gehörte in den 1920er Jahren zu den reichen Einwohnern Othmarschens, die sich eine Villa an der Elbchaussee leisten konnten. Ihr parkähnliches Grundstück Elbchaussee 271 lag auf der „nassen“ Seite der Straße und reichte bis ans Elbufer.
Carl Bruck kam am 28. Februar 1879 in einer jüdischen Familie in Glatz (Schlesien) zur Welt. Als Sohn eines Fabrikanten war es ihm möglich, ein Gymnasium zu besuchen und ein Medizinstudium aufzunehmen. 1902 promovierte er und erhielt seine Approbation. Anschließend arbeitete er am Institut für Infektionskrankheiten in Berlin, das von Robert Koch geleitet wurde. Carl Bruck forschte hier und anschließend in Breslau auf dem Gebiet der Syphilis-Bekämpfung. Er nahm an einer Forschungsreise nach Java teil und wurde 1911 zum Professor ernannt. 1914 wurde er mit der Leitung der Dermatologischen Klinik des Krankenhauses Altona betraut.
Am Ersten Weltkrieg nahm Carl Bruck als Arzt teil und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bayerischen Militärverdienstorden. 1917 heiratete er die nichtjüdische Hamburgerin Olga Amalie Auguste Jepsen. Ihr Vater war Kaufmann in Altona und ihre Mutter stammte ebenfalls aus Altona. Das Ehepaar Bruck blieb ohne Kinder.
Nach Kriegsende kehrte Carl Bruck in seine Klinik zurück. 1919 war er an der Gründung der Dermatologischen Gesellschaft Hamburg-Altona beteiligt und schrieb häufig Beiträge für die Zeitschrift dieser Gesellschaft. Er gehörte zu den profiliertesten Hamburger Hautärzten. Seine Klinik war die einzige Fachklinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten für die etwa 250.000 Einwohner Altonas. Tausende Altonaer profitierten von den herausragenden medizinischen Leistungen Brucks.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde das Ehepaar Bruck ein Opfer der Rassengesetze. Zunächst konnte Carl Bruck noch in seiner Klinik arbeiten, war aber zunehmenden Repressionen ausgeliefert. So konnte er keine Fachbeiträge mehr veröffentlichen. 1935 forderte man ihn auf, seine Entlassung aus dem städtischen Dienst zu beantragen. Das wies er empört zurück. Daraufhin pensionierte man den angesehenen Dermatologen im November 1935 zwangsweise, damals war er 56 Jahre alt.
Anschließend arbeitete er drei Jahre lang als Privatarzt. 1938 entzog man ihm die Approbation. Dass er im Gegensatz zu anderen jüdischen Ärzten bis dahin beruflich tätig sein konnte, lag an seiner Ehe mit einer nichtjüdischen Frau. Von 1938 an lebte das Ehepaar isoliert in seinem Haus an der Elbchaussee. Die Sperrung ihres Kontos und die staatliche „Sicherungsanordnung“ über ihr Vermögen hatte zur Folge, dass Carl und Olga Bruck völlig verarmten.
Am 12. Juni 1944 betraten zwei Polizisten die Villa der Brucks und konfrontierten Carl Bruck mit den absurden Vorwürfen, er hätte mehrmals Butter geschmuggelt. Er wurde aufgefordert, mit den Polizisten zur Wache zu kommen. Um einer Verhaftung zu entgehen, begab er sich unter einem Vorwand in die Küche und vergiftete sich mit Zyankali. Er starb qualvoll. Seine Frau nahm sich zwei Tage später mit einer Überdosis Schlafmittel das Leben.
Nach dem Krieg dauerte es sehr lange, bis das Leiden und der Tod des Ehepaars Bruck dem bewussten „Vergessen“ entrissen wurden. Vor dem Grundstück, auf dem ihre Villa stand, erinnern inzwischen Stolpersteine an Carl und Olga Bruck. Der Hörsaal des Krankenhauses Altona trägt seit 2002 den Namen Carl Brucks. Dort wurde auch eine Gedenktafel für ihn angebracht.
Aus: Frank Kürschner-Pelkmann
Entdeckungsreise entlang der Elbchaussee
Mit dem Linienbus 112 von Altona bis Blankenese
Rediroma Verlag 2024, 342 Seiten mit zahlreichen Farbfotos, 31,95 Euro
Hinweis: Die Fotos zu diesem Beitrag sind nur im gedruckten Buch zugänglich.