Johann Matthias Dreyer - ein Hamburger Original

 

Als ein Zweifler, doch nicht als Gottloser habe ich gelebt,

Voller Ungewißheit sterb‘ ich, doch keineswegs unruhig.

Unwissenheit und Irrtum sind des Menschen Los,

Wesen aller Wesen, erbarme Dich meiner!

In dieser reizenden,

in dieser freien Stadt,

wo man Gesetz und Mut,

statt Zwang und Herrschaft hat …

Die Freiheit ist gewiß der Bürger größter Schatz.

Ist sie einmal dahin, so ist sie stets verloren.

Du, der Du wie ein Hund, grob, tückisch und voll Neid

Stets die Gelehrten Deiner Zeit

In Deiner Zeitung gern verrissest,

Beständig bellst und wenn Du könntest, bissest.

Dir sagt man: Herr Professor Dusch,

Auf allen Deinen Lärm nur dies: Kanaille, kusch!

Des Gipfels Scharfsinn zu erreichen,

Weiß er Braut, Hochzeitstag und Kuß

Mit einem Apfel zu vergleichen,

Fast scheint es, sein Gehirn sei Apfelmuß.

Der Priester Feind, ein Frauenjäger,

Des Teufels treuster Waffenträger,

Für Geld ein Teufel und ein Christ,

Wer weiß nicht, daß es Dreyer ist!

 Sie war zuerst natürlich, leicht und rein,

Drauf drang die Schrift und der Gewinn hinein.

Die gaben ihr Geheimnis und Gebräuche,

Dem Volke Furcht, den Priestern dicke Bäuche.“

Da steht er! Seine fette Wange

Färbt keine Scham mehr rot;

Und Hamburg, abergläubisch bange,

Horcht fromm auf sein Gebot;

Verehrt mit knechtischem Entsetzen

Den von ihm selbst erhöhten Mann.

So schuf sich Juda seinen „Goezen“,

Ein goldnes Kalb, und betet’s an!

Trinkt, als ein Deutscher trinkt,

Lacht, als ein Weiser lacht.

Ahmt Gott als Christen nach,

Indem ihr Menschen macht.

Trinkt hier, so viel ihr könnt,

Thut, was das Fleisch euch heißt;

Dort habt ihr keinen Durst,

dort seyd ihr lauter Geist.

Die Wahrheit mag man niemals hören,

Und hält die Schmeichelei an ihrer Statt in Ehren,

Die täuscht den Sinn durch eine süße List.

Wie kömmt es denn, daß man die Wahrheit scheuet,

Und ihr fast nie das schuldge Recht verleihe?

Man schämet sich für sie, weil sie stets nackend ist!

              In Deiner Hand stehn meine Tage,

              Ich halt‘ und küsse diese Hand;

              Wenn ich der Welt den Abschied sage,

So führt sie mich ins Vaterland,

Wo, eh‘ Du diese Welt gemacht, 

Du schon an mich, Dein Kind gedacht.

 

 

Aus:

Frank Kürschner-Pelkmann

Entdeckungsreise in die Welt der Hamburger Originale

ISBN 978-3-98885-248-9

336 Seiten, 15,95 Euro

 

© Frank Kürschner-Pelkmann