„Käppen Haase stand stets hemdsärmlich in seiner Klause. Ein strammer, aber nicht übermäßiger Bauch gab seiner Figur Wuchtigkeit. Ein schöner eisgrauer Admiralsbart zierte sein Gesicht. In seinen Augen flimmerte der Schalk, saß die berstende Lebensfreude.“ So hat Carl Thinius, der Chronist des alten St. Pauli, das Original Haase beschrieben:
August Emil Theodor Haase kam 1867 in Bergen auf Rügen zur Welt. Er fuhr in seiner Jugend zur See und stieg zum Kapitän auf, so hat er es jedenfalls später erzählt. 1894 eröffnete er ein Seemannslokal in der Erichstraße auf St. Pauli. Und wie andere damalige Kneipenbesitzer in der Gegend staffierte er sein Lokal mit Objekten aus aller Welt aus, um ihm einen maritimen und exotischen Charakter zu verleihen. Er habe viele der Ausstellungsobjekte selbst von seinen Seereisen rund um den Globus mitgebracht, verkündete Haase bei einem Glas Grog. Aber die meisten Ausstellungsstücke hatte der Wirt von Seeleuten und anderen weitgereisten Besuchern seines Lokals erhalten. Bald war seine Sammlung so groß, dass er seine Kneipe ein Museum nennen konnte.
Objekte aus aller Welt, vorgestellt vom Wirt mit fantasievollen Geschichten
Haase machte gar nicht erst den Versuch, sein Museum systematisch und nach wissenschaftlichen Maßstäben zu präsentieren und alle Objekte entsprechend zu beschriften. Im Gegenteil. Gerade das Nebeneinander von Elefantenfuß, Maske, Sägefische und Südseeungeheuer machte den Reiz der Sammlung aus. Es soll nicht verschwiegen werden, dass Haase auch Aktfotos von Afrikanerinnen in seiner Sammlung hatte, von denen er behauptete, es wären seine Schwiegermutter und deren Nichte. Die Tiere der Sammlung hatte Haase selbst präpariert, betätigte er sich doch auch als Tierpräparator. Auch Objekte aus der näheren Umgebung bereicherten das Museum, darunter eine Reihe alter Gewehre. Für viele Hamburg-Besucher bildete die kunterbunte Mischung bei Haase eine willkommene Abwechslung zu den wohl geordneten, aber nach einer Weile vielleicht doch etwas langweiligen städtischen Museen der Stadt.
Die bunte Mischung seiner Sammlung allein hätten Käppen Haase nicht bekannt und ihn selbst zu einem Original gemacht. Es waren seine fantasiereichen Geschichten, die ihn, den „Professor der unentdeckten Wissenschaft“, berühmt machten. Dass er manche Objekte mit lateinischen Namen versah, sollte seinen Ruf als Professor unterstreichen. Aber Käppen Haases Präsentation der Museumsobjekte entbehrte jeglicher wissenschaftlicher Genauigkeit. Dafür verbreitete er zu jedem exotischen Objekt eine launige Geschichte.
Wenn er den Grog vor sich stehen und die Pfeife gestopft hatte, erzählte er über eine kleine ausgestopfte Giraffe: „Sie bringt in Hamburg die Kinder, weil es hier keine Störche mehr gibt.“ Zwei japanische Vasen waren nach Angaben des Käppen sechstausend Jahre alt, jede von ihnen etwa dreitausend Jahre. Eine der beiden Vasen, versicherte Haase, wäre vor der Sintflut entstanden, die andere bald darauf. Auch über eine Kette mit Holzringen hatte der Wirt etwas zu erzählen: „Dieses hier sind die Verlobungsringe von Adam und Eva.“ Und da war dann auch noch ein Holzstock, mit dem Zar Nikolaus II. angeblich die Revolution niedergeschlagen hatte.
Ein faszinierendes „Sammelsurium“
Käppen Haase duzte alle Besucherinnen und Besucher. Er sprach alle Männer einheitlich mit Heinrich und alle Frauen mit Mariechen an. Der Kneipenwirt und Museumsdirektor erlangte in den 1920er Jahren eine beträchtliche Berühmtheit. Seine Sammlung firmierte nun als „Museum für Kolonie und Heimat“, zu einer Zeit, als es die deutschen Kolonien gar nicht mehr gab. Der bekannte Journalist Egon Erwin Kisch schrieb eine Reportage über das „Sammelsurium“ in dem Lokal und der Schriftsteller Hans Leip hat es häufiger besucht und beschrieben. Wenn jemand den Käppen zu einem Grog einlud, war regelmäßig seine Antwort: „Ich habe noch keinen gehabt seit dem Letzten.“ Carl Thinius betont aber: „Niemand kann sich jedoch erinnern, ihn jemals betrunken erlebt zu haben.“
1930 hat Hans Harbeck in seinen Reiseführer „Hamburg. Was nicht im Baedeker steht“ ein Porträt des Kneipen- und Museumsbesitzers aufgenommen, das so beginnt: „Der rasende Zahn der Zeit hat die gemütvollen althamburgischen Straßenfiguren hinweggerafft. Die Gegenwart schwärmt für Tempo und Gleichmaß. Als eine Art von letztem Mohikaner haust in seinem Museum für Kolonie und Heimat (Erichstraße 46) der alte A. E. Th. Haase, Kapitän a.D. und Professor der unentdeckten Wissenschaft. Eine tolle Type und – nach Hans Leips Meinung – vielleicht das letzte große Original Europas. Jedenfalls ein echtes Hamburger Hafengewächs und wert, von allen Reisenden besichtigt zu werden, obwohl seine Redeweise eine fröhliche Unbefangenheit verrät und nicht für zimperliche Ohren bestimmt ist.“
Gefragt nach der Zukunft seiner Sammlung, wenn er sie selbst nicht mehr betreuen konnte, antwortete Haase: „Überhaupt, wer sollte sich meine Sammlung in seinem Gesamtbestand zulegen und die Schau so zelebrieren, wie ich es mache!“ Und nachdem er seinen Blick über seine Sammlung schweifen ließ, sagte er dem Fragenden resigniert: „Nee, lot man, Heinrich, dat blivt besohm, so lang ich lev. Mi kümmert nich, was no mi kümmt.“
Was aus der einmaligen Sammlung geworden ist
Käppen Haase starb 1934. Danach wurde sein Lokal geschlossen und das gesamte Inventar verkauft. Auch Museen sollen einzelne Objekte erstanden haben. Einen großen Teil der Museumsbestände erwarb der Gastronom Paul Wetzel, der sein Lokal an der Reeperbahn damit ausstattete. Er versuchte, von der Berühmtheit des Vorbesitzers zu profitieren und nannte das Lokal Kapitän Haase’s Museum und verkürzt Käppen Haase. Aber es fehlte der Namensgeber, das Original Haase. Außerdem beging Wetzel den Fehler, die Objekte in seinem Lokal gut geordnet wie in anderen Museen zu präsentieren und dem Museum damit den Charme der chaotischen und immer wieder überraschenden Präsentation von Haase zu nehmen.
1952 erwarb Harry Rosenberg das, was von den Schätzen von Käppn Haas übrig geblieben, und das, was von Paul Wetzel hinzugefügt worden war. Er machte diese Objekte zum Grundstock von Harrys Hamburger Hafenbasar. Rosenberg erweiterte das originelle Museum schrittweise auf 2.600 Quadratmeter und nahm Eintritt für die Besichtigung. Er erwarb zusätzlich viele neue Objekte und erlangte mit seinem Museum weit über Hamburg hinaus Beachtung.
Das originelle Museum von Harry Rosenberg und seiner Nachfahren musste mehrmals in St. Pauli umziehen, wird inzwischen von einer Stiftung getragen und hat in einem Schwimmkran am Sandtorhafen eine neue Heimat gefunden. Das Museum Harrys Hamburger Hafenbasar & Museum wirbt im Internet so: „Reise in eine Welt aus Schätzen, Kuriositäten, Kostbarem und vielen Überraschungen – von allen Kontinenten der Welt - Entdecke spannende Geschichten wie die Kostbarkeiten des Hafenbasars ihren Seeweg nach Hamburg fanden.“
Aus:
Frank Kürschner-Pelkmann
Entdeckungsreise in die Welt der Hamburger Originale
ISBN 978-3-98885-248-9
336 Seiten, 15,95 Euro