Matthias Claudius - ein Hamburger Original

 

Der Mond ist aufgegangen,

die goldnen Sternlein prangen

am Himmel hell und klar;

der Wald steht schwarz und schweiget,

und aus den Wiesen steiget

der weiße Nebel wunderbar.

Seht ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen

und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen,

die wir getrost belachen,

weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolze Menschenkinder

sind eitel arme Sünder

und wissen gar nicht viel;

wir spinnen Luftgespinste

und suchen viele Künste

und kommen weiter von dem Ziel.

Victoria! Victoria!
Der kleine weiße Zahn ist da.
Du Mutter! komm, und Groß und Klein
Im Hause! kommt und kuckt hinein,
Und seht den hellen weißen Schein.

Gott gebe mir nur jeden Tag,

Soviel ich darf zum Leben.

Er gibt's dem Sperling auf dem Dach;

Wie sollt er's mir nicht geben!

 Ich danke Gott mit Saitenspiel,
Daß ich kein König worden;

Ich wär geschmeichelt worden viel,
Und wär vielleicht verdorben.

 

Auch bet' ich ihn von Herzen an,
Daß ich auf dieser Erde
Nicht bin ein großer reicher Mann,
Und auch wohl keiner werde.

 

Denn Ehr' und Reichtum treibt und bläht,
Hat mancherlei Gefahren,
Und vielen hat's das Herz verdreht,
Die weiland wacker waren.

 

Und all das Geld und all das Gut
Gewährt zwar viele Sachen;
Gesundheit, Schlaf und guten Mut

Kann's aber doch nicht machen.

Es stand ein Sternlein am Himmel,
Ein Sternlein guter Art;
Das tät so lieblich scheinen,
So lieblich und so zart!

Das Sternlein ist verschwunden;
Ich suche hin und her,
Wo ich es sonst gefunden,
Und find es nun nicht mehr.

Weit von meinem Vaterlande
Muß ich hier verschmachten und vergehn,
Ohne Trost, in Müh’ und Schande;
Ohhh die weißen Männer!! klug und schön!

Und ich hab’ den Männern ohn’ Erbarmen
Nichts getan.
Du im Himmel! hilf mir armen
Schwarzen Mann!

Zuerst dem lieben Bauernstande;

Ich bin von Bauern her,

Und weiß, wie nötig auf dem Lande

Ein fröhlich Neujahr wär.

 

Gehn viele da gebückt, und welken

In Elend und in Müh,

Und andre zerren dran und melken;

Wie an dem lieben Vieh.

 

Und ist doch nicht zu defendieren,

Und gar ein böser Brauch;

Die Bauern gehn ja nicht auf vieren,

Es sind doch Menschen auch.

‚s Krieg!, ‚s Krieg!

o Gottes Engel wehre,

und rede Du darein!

‚s leider Krieg – und ich begehre,

nicht schuld daran zu sein!

Ich habe Dich geliebet und ich will Dich lieben,

Solang’ Du goldner Engel bist;

In diesem wüsten Lande hier, und drüben

Im Lande wo es besser ist.

 

Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod,
Und wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du lieber treuer frommer Gott!

 

Aus:

Frank Kürschner-Pelkmann

Entdeckungsreise in die Welt der Hamburger Originale

ISBN 978-3-98885-248-9

336 Seiten, 15,95 Euro

 

© Frank Kürschner-Pelkmann