Kirche in New York inmitten der "Kathedralen" der Globalisierung
Kirche in New York inmitten der "Kathedralen" der Globalisierung Foto: istock/ozgurdonmaz

  

Globalisierung – christliche Kritik und Engagement für eine andere Globalisierung

 

„Born to Shop“, so lautete in den Vereinigten Staaten die Aufschrift auf T-Shirts – geboren, um einzukaufen. Man könnte dies als Credo einer ökonomischen Bewegung bezeichnen, die überall auf der Welt viele Lebensbereiche beeinflusst und umgestaltet. Das Thema Globalisierung hat seit zwei Jahrzehnten Konjunktur. Viele können es schon nicht mehr hören, aber das, worum es dabei geht, hat für Menschheit und die Schöpfung existenzielle Bedeutung. 

 

In diesem und weiteren Beiträgen des Ökumenischen Handbuchs wird es um die Frage gehen, wie biblische Botschaft und christlicher Glaube helfen können, die vorherrschenden Globalisierungsprozesse kritisch zu analysieren und neue Formen der Globalisierung zu entwickeln und zu fördern. Der Ausgangs- und Bezugspunkt ist dabei die Überzeugung, dass die befreiende Botschaft des Evangeliums eine klare Orientierung für das Engagement für eine menschliche Globalisierung geben kann.

 

Die vorherrschende Globalisierung ist nicht nur ein Konzept der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, sondern ebenso ein Glaubensgebäude. Das Credo der Markt-Religion hat Heiner Hank, Leiter der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen, 2001 so formuliert:

 

„Heute ist die Integration des Welthandels ... viel weiter fortgeschritten. Das nützt letztlich allen, vor allem aber den Konsumenten. Die internationale Arbeitsteilung bringt für alle Vorteile: Offene Märkte zwingen jedes Land, Güter zu importieren, die anderswo besser und billiger produziert werden, und sich auf die Herstellung und den Export der eigenen konkurrenzfähigen Waren zu konzentrieren. Wenn jeder das macht, was er am besten kann, gewinnen alle ... Auch wenn die Globalisierungsgegner es nicht glauben: Der Wettbewerb belohnt die Guten und bestraft die Bösen. Er bietet deshalb Anreize für alle, dem ‚Club des ökonomischen Wohlverhaltens’ beizutreten. Noch steiler gesprochen: Der Wettbewerb selbst ist das moralische Gewissen des Kapitalismus. Wer ihn behindert und Offenheit einschränkt, handelt unmoralisch.“[1]

  

Die Gegenposition formulierte der „Ausschuss für den Dienst auf dem Lande in der Evangelischen Kirche“ im Jahre 2000 so: „Wir fragen uns: Ist das Glaubensbekenntnis der Marktwirtschaft nicht schon an die Stelle der lenkenden Hand Gottes getreten? Die Konkurrenz von wirtschaftlichen Kräften soll angeblich die ‚unsichtbare Hand’ des Marktes sein, der den ungezügelten Eigennutz auf wundersame Weise in das Optimum für den Gemeinnutz kehrt. Der Markt, sofern er denn frei ist, wird in seiner Allmacht angebetet, er wird zum Götzen. Das Versprechen von Reichtum für jeden ist die Heilsbotschaft. Der Traum vom menschengemachten grenzenlosen Fortschritt ist die Vision des ewigen Lebens und der paradiesischen Vorstellungen. An die Stelle von dem gottesfürchtigen Menschen tritt der ‚homo oecumenicus’. Nicht die Liebe ist seine treibende Kraft, sondern der Eigennutz.“[2]

 

Es kann nicht überraschen, dass der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff zu den scharfen Kritikern der „Gefräßigkeit der über den Weltmarkt vermittelten Globalisierung“ gehört. Dabei reicht seine Kritik weiter: „Aber dieses System verweist uns auf tiefgreifende Fragen, bei denen es um ein neues Zivilisationsmodell, um veränderte Beziehungen zwischen den Menschen und ein neues Verhältnis zur Arbeit geht. Wir dürfen nicht nur an die unmittelbaren Feinde Währungsfonds, Weltbank usw. denken, sondern müssen auch sehen, welche Alternativen der Menschheit insgesamt offenstehen, um zu überleben.“[3]


Leonardo Boff mischt sich immer wieder in aktuelle Themen der Globa­li­sierungsdebatten ein. In der Finanzkrise der Jahre 2007/2008 sah er auch etwas Heilsames: „Denn sie macht deut­lich, dass das kapitalistische Finanzsystem auf einer unverschämten, ja skan­dalösen Lüge aufgebaut ist. Die verbreitete Illusion bestand eben darin, dass der Markt mit seiner unsichtbaren Hand alles selbst organisieren werde. Doch jetzt sehen wir, dass die Politik für die Organisation unserer Gesellschaft unersetzbar ist.“[4]


 

Der 2017 verstorbene Schweizer Schriftsteller und Theologe Kurt Marti übte scharfe Kritik am vorherrschenden wirtschaftlichen System: „... wir leben eine Diktatur der Ökonomie, die Konzerne sind wichtiger als alle Regierungen. Das ist nicht von Gutem. Das macht einem schon Sorgen auch im Hinblick auf die Enkel; was wird denn aus dieser Welt, wenn die mal groß sind? Was haben die für Perspektiven?“ [5]


 Und dann denkt er über den „Tanz um das goldene Kalb“ nach. Die Kritik Kurt Martis blieb nicht abstrakt, sondern machte sich an ganz konkreten Situationen fest. In der Zeit des Apartheidregimes rief er von der Kanzel herab zum Boykott südafri­ka­nischer Äpfel auf.

 

Die Religion und der totale Markt

 

Bereits 1921 gab Walter Benjamin einem Aufsatz den Titel „Kapitalismus als Religion“, und 2002 hat der Schriftsteller Carl Amery den Gegensatz zwischen dem Glauben an einen Gott und den Glauben an die Kräfte des Marktes in seinem Buch „Global Exit – Die Kirchen und der Totale Markt“ herausgearbeitet. Er schreibt u.a.: „Am unmissverständlichsten ... ist wohl von der Religion des Totalen Marktes zu sprechen.“[6]

 

Er präzisiert das so: „Der Totale Markt erfüllt alle Kriterien einer Religion. Sein Dogmenbestand ist transzendenzarm und banal; seine oberste Maxime lautet: Alles hat seinen Preis, und wenn etwas noch keinen hat, wird er ihm angeheftet ... In der historischen Raum-Zeit nimmt der Totale Markt die Funktion einer Reichsreligion wahr, die strukturell ziemlich genau der des spätrömischen Kaiserkults entspricht. Damals wie heute galt und gilt die Formel TINA: There is no alternative.“[7]


Carl Amery ist überzeugt, dass die Kirchen sich einer Religion entgegenstellen müssen, die den ganzen Globus bedroht. Es stehen sich seiner Auffassung nach also zwei Glaubenssysteme gegenüber, knapp gesagt der Gott der Bibel und die Götter der Globalisierung.

 

Auch manche Verfechter des freien Marktes und der neoliberalen Globalisierung berufen sich ebenfalls auf den Gott der Bibel, aber kann dieser Gott für ein System in Anspruch genommen werden, das zum Ergebnis hat, dass es eine steigende Zahl von Verlierern gibt, während die Gewinner immer reicher werden? Der Gott, der den Armen das Reich Gottes verheißt, lässt sich aber nicht so „umbiegen“, dass er das Streben der Reichen nach immer mehr Geld absegnet. Davon sind jedenfalls die Christinnen und Christen in aller Welt überzeugt, die sich für die Opfer der Globalisierung engagieren oder selbst zu diesen Opfern gehören.

 

Die Zukunft der Menschheit und des ganzen Globus wird ganz entscheidend davon abhängen, ob Gott oder die Götter der Globalisierung sich in dieser Auseinandersetzung durchsetzen. Die Bibel bietet eine klare Orientierung in dieser Auseinandersetzung, dass haben vor allem Christinnen und Christen im Süden der Welt entdeckt. Für sie gewinnt die Bibel im Kampf für ein anderes Leben, für eine andere Globalisierung eine ganz neue Bedeutung, so für Leng Lubang, Pfarrerin der Vereinigten Kirche Christi auf den Philippinen:

 

„Als Mittel der Machterhaltung ist Globalisierung allerdings nichts Neues in dieser Welt. Die Bibel ist voll mit Bildern von solchen Systemen. Auch das Buch Amos zeigt eine Gesellschaft zu einer Zeit, in der die Reichen immer reicher werden, auf Kosten der Armen, die nicht nur vernachlässigt werden, sondern auch benutzt werden, um Reichtum und Geld für die Reichen zu erwirtschaften. Und Gott spricht in seinem Zorn zu Amos und zeigt ihm das Ende der Unterdrückung. Das soll unseren Kirchen Hoffnung und Herausforderung zugleich sein.“[8]

 

Entgegen der These, dass mit der Bergpredigt keine Politik zu machen sei, zeigt sich, dass die Bibel und besonders die Bergpredigt zu einem Leitfaden für eine andere Politik und Ebenso ein anderes persönliches Verhalten im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben werden können. Dass die Bibel eine „aufrührerische“ Botschaft enthält, haben bereits die Mächtigen in biblischen Zeiten und in den letzten Jahrhunderten erkannt und immer wieder versucht, diese Botschaft zu domestizieren. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Theologie und das Leben der Kirchen. [9]

 

Mit Bibel und Tageszeitung

 

Vor allem Christinnen und Christen in Afrika und Asien, Lateinamerika und der Karibik, dem Mittleren Osten und dem Pazifik haben die auf Befreiung ausgerichtete Grundlinie der biblischen Botschaft wieder in Erinnerung gerufen. Gottes „Option für die Armen“ wird von vielen Kirchen in aller Welt wieder stärker wahr- und ernst genommen. Wie der reiche Jüngling schrecken hingegen viele wohlhabende und reiche Christinnen und Christen vor den Konsequenzen der Nachfolge Jesu zurück. Das Reich Gottes beginnt in dieser Welt erst und wird nicht durch menschliches Handeln vollendet. Aber wir sind eingeladen, auf dieses Reich Gottes hin zu leben. Zu diesem Prozess äußerte Kurt Marti 2010 in einem Interview: „Zur Globalisierung müsste man sagen, dass der christliche Glaube von Anfang an globalisiert war. Ökumene bedeutet ja der ‚Weltkreis’. Dabei stehen aber nicht wirtschaftliche Interessen, sondern der Mensch im Vordergrund.“[10]

 

Eine Gefahr auch für Christinnen und Christen besteht darin, bereits bei der Analyse von Missständen in der eigenen Gesellschaft und der Welt die Schere der inneren Zensur anzusetzen und sich zu fragen, ob diese Analyse zu radikale Ergebnisse hat und nicht auf breite Zustimmung oder einen Konsens stoßen wird. Mit der Bibel in der einen und den Tageszeitungen und Wirtschaftsanalysen in der anderen Hand haben wir die Aufgabe, die Probleme unserer Welt präzise zu erkennen und öffentlich zu benennen.

 

Das sind wir nicht nur den Opfern schuldig, sondern auch den Tätern. Die Aufforderung zur Umkehr ist nur gerechtfertigt und glaubwürdig, wenn sie auf einer präzisen Analyse von Missständen und deren Ursachen beruht und diese beim Namen nennt. Hier ist an den reichen Mann in der Geschichte vom armen Lazarus zu erinnern, wo der Reiche  darum fleht, seine Brüder warnen zu dürfen, damit sie nicht weiterhin die gleichen Missetaten begehen und das Heil verlieren wie er selbst.

 

Bei der Analyse der Probleme müssen wir uns aber davor hüten, die Komplexität der ökonomischen und politischen Prozesse zu übersehen und alle Nöte dieser Welt pauschal unter dem Stichwort Globalisierung zu subsumieren. Die Globalisierungskritik wird dann um so glaubwürdiger. Der Protest und Widerstand von Christinnen und Christen gegen die Folgen der gegenwärtigen Globalisierung hat seine Grundlage in der Bibel und speist sich aus dem Glauben an den Gott, der für die Armen Partei ergreift. Dies ist aber kein exklusiv christlicher Protest. Menschen können aus ganz unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen heraus ein „Nein“ zur jetzigen Globalisierung sagen. Mit ihnen gemeinsam können wir auf die Suche nach Alternativen gehen.

 

Diese Alternativen sind umso wichtiger, als die Befürworter der jetzigen Globalisierung den Eindruck erwecken, es gebe keine Alternative. Tatsächlich gibt es Hunderte von Ansätzen für solche Alternativen, die aber in den Gesamtzusammenhang einer anderen Globalisierung gestellt werden müssen, damit sie nicht als isolierte Einzelaktivitäten erscheinen und teilweise belächelt werden.

 

Bei solchen Konzepten einer anderen Globalisierung und deren Umsetzung gilt es, die globale Krise und ihre lokalen Auswirkungen in ihrer ganzen Gefährlichkeit und Unmenschlichkeit ernst zu nehmen und trotzdem den Wert kleiner Zeichen und Initiativen zu erkennen und zu schätzen. Gefordert ist der Wille, etwas zu ändern, auch sich selbst, und die Bereitschaft, immer wieder neue Versuche zu unternehmen, der Vision eines anderen Lebens einen kleinen Schritt näherzukommen. Christinnen und Christen können dies aus der Hoffnung heraus tun, dass sie den Kampf für eine bessere Welt nicht allein führen müssen. Auch Niederlagen sind so leichter zu verkraften. Es gilt, die Hoffnung auf das andere Leben nicht zu verlieren, das mitten in dieser Welt beginnt, oft in kaum wahrnehmbaren Zeichen, und das Zukunft hat, ja Zukunft ist.

 

Ermutigung zu einer anderen Globalisierung

 

Dieses Ökumenische Handbuch möchte dazu ermutigen, sich an dem Engagement für eine andere Globalisierung, ein anderes Leben zu beteiligen. In den Kirchen können wir uns gegenseitig stärken, die Hoffnung auf dieses andere Leben nicht aufzugeben und gemeinsame Schritte auf diesem Weg zu gehen. Christinnen und Christen sind seit Pfingsten Teil der einen Kirche, die alle kulturellen, sozialen, ökonomischen, politischen und theologischen Unterschiede hintanstellt. Wir bekennen im Apostolischen Glaubensbekenntnis den Glauben an die eine heilige christliche Kirche. Wenn das kein Lippenbekenntnis bleiben soll, ist die Gemeinschaft aller Kirchen und aller ihrer Mitglieder in dem einen Leib Christi unaufgebbar trotz der Existenz vieler einzelner Kirchen.

 

Die weltweite christliche Familie ist geprägt von einer großen Vielfalt an Traditionen und kirchlichen Strukturen, das ist ihre Schwäche, denn es kann das gemeinsame Zeugnis in der Welt behindern. Es ist aber auch ihre Stärke, weil es den ganzen Reichtum der von Gott geschaffenen Welt widerspiegelt. Wo viele wirtschaftlich Mächtige den einen großen Weltmarkt mit den gleichen Produkten bis ins „letzte Dorf“ schaffen, gewinnt die christliche Bewegung ihre Stärke aus ihrer Vielfalt, aus der Dankbarkeit für diese Vielfalt. Sie kann zu einem Beispiel einer gelebten anderen Globalisierung werden, wenn es gelingt, gemeinsam und jede und jeder an ihrem und seinem Ort für ein anderes Leben einzutreten. Das gilt aber nur, wenn auf „Alleinvertretungsansprüche“ einzelner Kirchen verzichtet wird.

 

Im gemeinsamen Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland aus dem Jahre 1997 lesen wir: „Wenn die Christen die biblische Botschaft mit den aktuellen Herausforderungen zusammen lesen, gewinnen sie nicht nur ethische Orientierungen für das eigene Handeln; es ergeben sich vielmehr auch ethische Einsichten, die sich auf den institutionellen Rahmen der Gesellschaft beziehen. Dazu gehört vor allem der Begriff der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist ein Schlüsselbegriff der biblischen Überlieferung, der alles umschließt, was eine heile Existenz des Menschen ausmacht. Er steht in der Bibel in Verbindung mit Frieden, Freiheit, Erlösung, Gnade, Heil.“ [11]

 

Die Probleme stecken allerdings im Detail. So ist unser Wissen über die Konfrontation eines kleinen Volkes mit den globalen Mächten der Antike lückenhaft, und dies gerade in zentralen Punkten wie dem Exodus aus Ägypten. Wie wenig wir davon wissen, was wirklich vor Jahrtausenden geschah, soll mit einer Aussage des katholischen Alttestamentlers Christian Frevel angedeutet werden: „Das Alte Testament ist kein Geschichtsbuch, sondern ein Geschichtenbuch.“[12]

 

Der Prozess der heutigen ökonomischen Globalisierung hat die theologische Reflexion in den Kirchen auf vielfältige Weise beeinflusst. Die Ergebnisse sind so widersprüchlich wie die Globalisierung selbst. Sie werden in einzelnen Beiträgen dieses Ökumenischen Handbuchs exemplarisch deutlich. Besonders die neuen theologischen Entwürfe aus Afrika, Asien und Lateinamerika, darunter die feministischen Theologien, können den Blick dafür schärfen, wie stark die Glaubensüberzeugungen der Verfechter des ungehinderten freien Marktes zu einer ernsthaften Konkurrenz zum christlichen Glauben geworden sind.

 

Eine Wirtschaft, die den Menschen dient

 

Wie einst Paulus in Athen müssen sich heutige Christinnen und Christen auf dem Markt der Auseinandersetzung stellen und ihre Überzeugungen vertreten. Es geht dabei auch um die Frage, ob das Marktgeschehen sich selbst überlassen wird oder konsequent eingegriffen wird, wenn Menschen „unter die Räder“ einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung geraten. Dass die Wirtschaft den Menschen dienen soll und nicht die Menschen der Wirtschaft klingt banal, wird jedoch täglich millionenfach ignoriert. Aus dem Glauben lässt sich eine Ideologie kritisieren, die dem Markt vertraut und nicht dem Gott, der auf der Seite der Armen und Ausgegrenzten steht.

 

Erster Schritt auf dem Weg zu einer Globalisierung, die Leben fördert, ist eine fundierte Analyse der bestehenden globalen Wirtschaftsbeziehungen und ihrer Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Gefragt ist neben wissenschaftlichen Analysen die Betroffenheit und die Empörung über die Missstände, die durch dieses System verursacht werden. Ein Vorbild dafür sind die Propheten des Alten Testaments, die sich mit den Missständen ihrer Zeit nicht abfinden wollten und konnten und ihren Zorn nicht für sich behielten.

 

Wir dürfen uns nicht abfinden mit der Tatsache, dass inmitten einer Welt des Überflusses jedes Jahr viele Millionen Menschen verhungern, und auch nicht damit, dass viele Arbeiterinnen und Arbeiter zu Hungerlöhnen jene Waren produzieren, die hierzulande als „Schnäppchen“ angeboten werden. Aus der Empörung über soziale Missstände erwächst Protest. Der internationale Protest gegen all das, was unter dem Stichwort Globalisierung zusammengefasst wird, ist in den letzten Jahrzehnten breiter geworden und irritiert die politisch und wirtschaftlich Mächtigen.

 

Christinnen und Christen können aus ihrem Glauben heraus Beiträge zu dieser Debatte und zur Suche nach persönlichen und gesellschaftlichen Alternativen leisten und eine ihrer Stärken ist dabei, dass sie als weltweite Bewegung die Erfahrungen und Einsichten von Menschen in unterschiedlichen Regionen und Kulturen in die Debatte einbringen können. Eine andere Globalisierung ist möglich, und sie ermöglicht das, was uns in der biblischen Verheißung als ein Leben in Fülle zugesagt ist.

 

In das „Evangelische Gesangbuch“ in Deutschland hat ein Lied von Kurt Marti Aufnahme gefunden, das mit den Worten „Der Himmel der ist“ beginnt und dessen dritter Vers die ganz andere Globalisierung besingt: „Der Himmel, der kommt, das ist die Welt ohne Leid, wo Gewalttat und Elend besiegt sind.“

[13]

Und hoffnungsvoll heißt es im fünften Vers: „Der Himmel, der kommt, grüßt schon die Erde, die ist, wenn die Liebe das Leben verändert.“

 

© Frank Kürschner-Pelkmann



[1] Rainer Hank: Globalisierung ist gut für die Armen – Und die Reichen müssen keine Angst haben, Arnoldshainer Akzente, Nachrichten aus der Evangelischen Akademie, 2/2001, S. 1f.

[2] Ausschuss für den Dienst auf dem Lande in der Evangelischen Kirche: Globalisierung der Landwirtschaft aus christlicher Sicht – eine Streitschrift, Kirche im ländlichen Raum, Sonderheft 2000, S. 18f.

[3] Gespräch mit Leonardo Boff, „Für eine Soziologie der Menschlichkeit, Lateinamerika Anders Panorama, Wien, 6/96, nachgedruckt in epd-Entwicklungspolitik, 13/98, S. d18

Interview mit Leonardo Boff: „Die Finanzkrise macht eine skandalöse Lüge sichtbar“, Wendekreis, Dezember 2008/Januar 2009, S. 27

[5] Ebenda

[6] Carl Amery: Global Exit – Die Kirchen und der Totale Markt, München 2002, S. 17

[7] Ebenda, S. 82

[8] Leng Lubang: Auf wessen Kosten?, in: In die Welt für die Welt 2/2002, S. 7

[9] Vgl. Franz Segbers: Die Hausordnung der Tora – Biblische Impulse für eine theologische Wirtschaftsethik, Luzern 2000, S. 36ff.

[10] Interview mit Kurt Marti, „Gott ist kein Monopolist“, St. Gallen Tageblatt, 24.12.2010

[11] „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“, Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, Hannover und Bonn 1997, S. 45

[12] Zitiert nach: Publik-Forum, 20/2001, S. 48

[13] Lied Nr. 153 im Evangelischen Gesangbuch