Auferstehung und Pfingsten - die Bedeutung angesichts der Globalisierung

 

Dass das Christentum heute in allen Teilen der Welt verbreitet ist, wäre ohne die Auferstehung und das Pfingstfest nicht denkbar. Die Auferstehung hat aus der versprengten Anhängerschaft eines ermordeten Wanderpredigers die überzeugten Missionarinnen und Missionare des Messias gemacht.[1] Ohne Pfingsten wären die Jesus-Leute vermutlich eine kleine innerjüdische Sekte geblieben. Pfingsten öffnete den Weg zu einer weltweiten Bewegung. Die Jünger, vom Heiligen Geist ergriffen, sprechen in vielen Sprachen, erreichen also auch jüdische Zuhörerinnen und Zuhörer in der Diaspora und später dann auch nicht-jüdische Menschen.

 

Mit dem Tod des Gottessohnes und seiner Auferstehung wurde ein grundsätzlicher Wandel im Gottesverständnis sichtbar. Dazu schrieb der taiwanesische Theologe Choan-Seng Song: „Gott ist schwach und hilflos geworden, selbst der Tod konnte sich seiner bemächtigen. Wie wenig erinnert das Bild dieses Gottes an den Gott des Alten Testaments, der die Feinde Israels in die Flucht schlug und sie gnadenlos niedermetzelte. Dieser Gott am Kreuz ist bar allen Glanzes weltlicher Macht. Welche absurde Vorstellung, dieser Gott würde sein Werk mit den Heiden im Schutz von Streitkräften bereiten! Nein, dieser Gott trägt ganz andere Züge; von Ohnmacht gezeichnet, stirbt er am Kreuz. Eine Theologie, die dies ausspricht, ist gefährlich. Sie ist gefährlich für eine Kirche, die sich noch immer nicht ganz hat befreien können vom Erbe einer Vergangenheit, in der sie die Insignien äußerer Macht und viele Privilegien genossen hat. Eine solche Theologie ist ein Risikofaktor für eine Kirche, die sich verzweifelt festzuklammern scheint an Macht und Einfluss in einer Welt, die ihr diese gerade in letzter Zeit immer mehr streitig macht.“[2]

 

Die Frage nach dem Gottesverständnis 

 

Hier sind wir an einem ganz entscheidenden Punkt angelangt. Mit welchem Gottesverständnis können wir am Beginn des dritten Jahrtausends in die Nachfolge Jesu treten? Hüten wir uns vor einer „perfekten“ Definition. Gott ist von den Menschen nicht zu erkennen und noch weniger in Worte zu fassen. Das Geheimnis Gott ist nicht zu entschlüsseln. Die Gottesverständnisse und -bilder, die wir in der Bibel finden und die in der Kirchen- und Theologiegeschichte immer neu debattiert wurden, gilt es auf unsere heutige Wirklichkeit zu beziehen.[3]

 

In dem Zitat von Choan-Seng Song wurde bereits deutlich, dass das Verständnis von Gott und das Bild von der Kirche eng zusammenhängen. Die Versuchung mag groß sein, den übermächtigen globalen Mächten der Gegenwart einen allmächtigen Gott und eine Kirche entgegenzustellen, die an ihre triumphalistischen Traditionen anknüpft. Aber erfolgversprechender, wenn auch anstrengender ist es nach meiner Auffassung, mit der Widersprüchlichkeit Gottes zu leben, über die Jürgen Ebach schreibt: „Die Widersprüchlichkeit der Bibel, die Widersprüchlichkeit Gottes ist genauer als jede scheinbare Eindeutigkeit es sein könnte.“[4]

 

Vielfalt als Reichtum wahrnehmen

 

Ein solches Gottesverständnis hat Auswirkungen auf das Verständnis von Kirche, lässt sie in all ihrer Gebrochenheit gerade in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit als die Kirche Gottes wahr- und annehmen. Nicht die triumphierende schlagkräftige, auf Linie gebrachte Kirche ist die Antwort auf die Globalisierung, sondern die Kirche, die Vielfalt als Reichtum erlebt und gerade deshalb alle aufnehmen kann. Dies ist keine beliebige Kirche, sondern eine Kirche, die in einer pluralistischen, undurchschaubaren Welt die Werte vertritt, die Jesus ans Kreuz gebracht haben und die durch ihn weiterleben mitten in dieser Welt.

 

Der Glaube an die Auferstehung ist der Glaube daran, dass Jesus lebt und am Ende nicht das Leiden und der Tod stehen, sondern ein Leben in Freiheit und Fülle, dass das Reich Gottes mitten in dieser Welt beginnt und dass wir darauf vertrauen können, dass Gott gemeinsam mit uns dafür sorgen wird, dass die Zäsaren dieser Welt nicht das letzte Wort haben. Auferstehung ist ein langer Prozess, der mit der Auferstehung Jesu begonnen hat und auf dessen Vollendung wir hoffen, wenn wir beten „Dein Reich komme“.

 

Die Bedeutung von Pfingsten im Zeitalter der Globalisierung

 

Pfingsten gilt als Geburtstag der Kirche, das mag im Rückblick so erscheinen, obwohl wir uns bewusst sein müssen, dass die Jesus-Anhänger sich zu diesem Zeitpunkt ganz eindeutig als Reformbewegung innerhalb des Judentums verstanden und nicht als Gründungsmitglieder einer neuen Religionsgemeinschaft. Pfingsten war aber auf jeden Fall der Anfang einer weltweiten religiösen Bewegung, bewegt vom Heiligen Geist – und dann, so sagen viele Kritiker wohl mit einigem Recht – allzu schnell wieder domestiziert in Institutionen und in vielen Ländern auch in einem engen Bündnis von Thron und Altar. Trotz dieser Entwicklungen können wir Pfingsten feiern als den Beginn einer Globalisierung, die auf der Geschwisterlichkeit, der Freiheit der Kinder Gottes und des Lebens hin auf das Reich Gottes, das schon mitten in dieser Welt beginnt, ausgerichtet ist.

 

In der Streitschrift „Globalisierung der Landwirtschaft aus christlicher Sicht“ hat der „Ausschuss für den Dienst auf dem Lande in der Evangelischen Kirche“ formuliert: „Die Kirche ist von Anfang an ein ‚global player’. Sie ist von Pfingsten universalistisch auf alle Menschen ausgerichtet, auf alle Völker und Nationen. Globalität entspricht unserem Verständnis vom eigentlichen Wesen der Kirche, die die Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen weitergeben soll, wie Jesus sie selbst gelebt und verkündet hat. Die weltweite Vernetzung der Menschen als Schwestern und Brüder gehört zum Grundauftrag der Kirche. Die weltweite Solidarität ist der wesentliche Beitrag, den die Kirche in den Globalisierungsprozess einbringen kann. Sie macht nicht halt bei den Mitgliedern des eigenen Glaubensbekenntnisses, sondern schließt die ganze Ökumene, die ganze bewohnte Erde, mit ein.“[5]

 

Es sind vielleicht die in vielen Teilen der Welt rasch wachsenden Pfingstkirchen, die dem Geist des Pfingstfestes in Jerusalem vor etwa 2000 Jahren am stärksten auf der Spur sind – und viele andere Christinnen und Christen sind von dem, was in ihren Gottesdiensten geschieht, so beunruhigt wie viele Jerusalemer damals von dem Auftritt der Apostel.

 

Der Weg vom Pfingstereignis in Jerusalem zur heutigen Christenheit ist ein Weg zu immer größerer Vielfalt. Scharten sich zunächst vor allem Juden und einige Griechen und Angehörige anderer Mittelmeervölker um die Jesus-Leute, so breitete sich das Evangelium bald bis nach Rom, Äthiopien und sogar Indien aus. Daraus entwickelte sich in glücklichen Zeiten ein Miteinander, oft aber auch ein Nebeneinander oder gar Gegeneinander von Kirchen. Aber die Vielfalt war nicht primär eine Schwäche, sondern hat es auch ermöglicht, dass in vielen Völkern und Kulturen eigenständige Kirchen entstanden.

 

Wie ist diese christliche Bewegung so stark geworden? Dies ist sicher nicht erklärbar ohne den Heiligen Geist, der sich Pfingsten so eindrucksvoll manifestierte, und es ist nicht denkbar ohne zwei Entwicklungen in der Kirche, die eng miteinander zusammenhängen und die für eine andere Globalisierung von zentraler Bedeutung sind. In der Apostelgeschichte wird gleich im zweiten Kapitel geschildert, wie die urchristliche Gemeinde alles miteinander teilte, füreinander sorgte und durch dieses gelebte Zeugnis viele überzeugte, sich dieser Gemeinschaft anzuschließen. Ohne eine lebendige Gemeinde, so zeigt sich gerade in unserem Lande, nützen alle Missions- und Marketingkonzepte nichts. Dies ist auch das „Erfolgsgeheimnis“ sowohl der Basisgemeinden in Lateinamerika als auch vieler Pfingstgemeinden in aller Welt.

 

Die Suche nach einem christlichen Gemeinschaftsleben

 

Auffällig ist, dass sich die Mitglieder der christlichen Urgemeinde mit ihrer ganzen Existenz in die neue Gemeinschaft einbrachten, auch mit ihrem ganzen Vermögen (das sicher nicht sehr groß, aber gerade deshalb so wichtig als Überlebensgrundlage war). Der evangelikale US-amerikanische Theologe Ronald Sider schreibt hierzu: „Wie ärgerlich es einigen auch sein mag – der umfangreiche wirtschaftliche ‚Kommunismus’ der ersten frühchristlichen Kirche ist unbestreitbar ... Die Freude und Liebe, die sich in ihrem gemeinsamen Leben zeigte, war ansteckend! ... Das Gebet Jesu, dass die liebevolle Einmütigkeit seiner Nachfolger so deutlich sichtbar würde, dass sie die Welt davon überzeugen könnte, dass er vom Vater kam, wurde wenigstens einmal erhört! Es geschah in der Gemeinde in Jerusalem. Die ungewöhnliche Art ihres gemeinsamen Lebens verlieh der Predigt der Apostel Vollmacht.“[6]

 

Dazu sind heutzutage nur kleine Gruppen in der Gesellschaft bereit, die je nach religiöser Ausrichtung und/oder Bewertung als Kommunitäten oder sektiererische Gruppen bezeichnet werden. Dass manche Ordensgruppen im Kampf gegen die vorherrschende Globalisierung, zum Beispiel die Macht der Banken, eine so überzeugende Rolle spielen, kann auf diesem Hintergrund nicht überraschen. Sie leben im Kleinen vor, was sie als Alternative in der Gesellschaft vertreten.

 

Auch außerhalb von Kommunitäten und Orden wird deshalb nach Wegen gesucht, neue Formen des christlichen Gemeinschaftslebens jenseits von sonntäglicher Gottesdienstgemeinde und monatlichem Treffen der Friedensgruppe zu finden. Angesichts der Atomisierung der Gesellschaft, die immer weiter voranschreitet, wird von Gemeinde erhofft, Gemeinschaft zu stiften.

 

Die globale Dimension des Christseins 

 

Die zweite Dimension, die hinzukommen muss, ist die ökumenische Verbindung zwischen diesen Gemeinden, also die regionale und globale Dimension des Christseins. Hierfür sind die Bemühungen des Apostels Paulus, durch Briefe und Besuche die Verbindung zwischen den weit verstreuten Gemeinden zu halten, von exemplarischer Bedeutung.[7]

 

Die von ihm initiierte Sammlung für die Gemeinde in Jerusalem ist ein Beispiel dafür, wie zu ökumenischer Gemeinschaft auch das Teilen materieller Güter über Ländergrenzen hinweg gehört.[8] Die Verbindung von beiden Dimensionen hat zum Wachstum der Gruppen der Jesus-Anhänger und dann der Kirche binnen kurzer Zeit wesentlich beigetragen, trotz aller Verfolgungen durch die politisch Mächtigen und trotz der für beide Seiten traumatischen Trennung von Judentum und Christentum.

 

Daraus lässt sich heute für einen christlichen Beitrag zu einer anderen Globalisierung viel lernen, und zwar jenseits der relativ banalen Einsicht, dass überzeugende Arbeit vor Ort und weltweites Engagement miteinander verknüpft werden müssen.

 

© Frank Kürschner-Pelkmann

 

 

 



[1] Die Frage der leiblichen Auferstehung, die Frage also, ob das Grab leer war oder nicht, soll hier bewusst ausgeklammert werden, weil sie den Rahmen dieser Studie sprengen würde. Entscheidend ist in Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Jesus-Anhänger mit ihren jüdischen Mitbürgern und den Römern, dass sie fest daran glaubten, dass Jesus auferstanden war und mit ihnen weiter dafür stritt, dass das Reich Gottes mitten in dieser Welt anbrach und zugleich noch in seiner ganzen Herrlichkeit erwartet wurde.

[2] Choan-Seng Song: Theologie des Dritten Auges, Asiatische Spiritualität und christliche Theologie, Göttingen 1989, S. 189f.

[3] Vgl. hierzu u.a. die Themenhefte der Zeitschriften „Concilium“ (1/2001), „Ökumenische Rundschau“ (1/2001) und „Junge Kirche“ (4/2001)

[4] Jürgen Ebach: Frag-mentale Reflexionen über das biblische Reden von Gott, in: Junge Kirche, 4/2001, S. 24

[5] Ausschuss für den Dienst auf dem Lande in der Evangelischen Kirche: Globalisierung der Landwirtschaft aus christlicher Sicht, Kirche im Ländlichen Raum, Sonderheft 2000, S. 20

[6] Ronald Sider: Der Weg durchs Nadelöhr, Wuppertal 1978, S. 92f.

[7] Vgl. ebenda, S. 98ff.

[8] Jacques Rossel, der frühere Präsident der Basler Mission, hat in einer kleinen provozierenden Schrift entwickelt, was es wirklich bedeutet, geschwisterlich zu teilen; Jacques Rossel: Teilen in der Ökumenischen Gemeinschaft, Texte zum Kirchlichen Entwicklungsdienst, Frankfurt am Main 1983