Widerstand ist gefragt – aber nicht die selbstmörderische Konfrontation
Kaum ein Satz des Neuen Testaments ist so häufig zur Stabilisierung des politischen und wirtschaftlichen Status quo missbraucht worden wie dieser: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Markus 12,17) Markus überliefert, in welchem Kontext dieser Satz steht. Jesus wurde gefragt, ob man dem Kaiser Steuern zahlen sollte. Hinter der Frage stand vermutlich der Versuch, Jesus in eine Falle zu locken. Würde er zum Steuerboykott aufrufen, war das ein Anlass, ihn bei den Römern anzuklagen, würde er diesen Schritt nicht tun, dann wären sicher viele seiner Anhänger, die den Widerstandsbewegungen gegen die Römer nahestanden, enttäuscht. Jesus ließ einen Silbergroschen bringen und vorlesen, was auf dieser Münze stand: „Des Kaisers“. Daraufhin fiel der berühmte Satz. Er besagte nicht mehr und nicht weniger, als dass dem Kaiser mit dessen Münzen die Steuer gezahlt werden sollte.
Hinter der Frage und Jesu Antwort stand ein Konflikt, in dem es um die Strategie des Widerstandes gegen die globale Macht Rom ging.[1] War es rechtens, einer fremden Macht eine Kopfsteuer zu zahlen, also eine Steuer, mit der Rom den Anspruch auf den ganzen Menschen reklamierte? Konnten gläubige Juden eine solche Steuer zahlen, wo doch der Mensch Gott allein gehörte? Aber die Steuer zu verweigern, würde bedeuten, der Ermordung entgegenzusehen, denn die Römer ließen alle Steuerverweigerer kreuzigen.
Jesus forderte seine Mitmenschen nicht zum bewaffneten Aufstand auf
Steuerverweigerung und Aufruhr standen in unmittelbarem Zusammenhang. Das wurde auch in der Anklage gegen Jesus in Jerusalem deutlich, als Pilatus überzeugt werden sollte, dass Jesus ein Aufrührer wäre: „Wir haben gefunden, dass dieser unser Volk aufhetzt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König.“ (Lukas 23,2) Das Problem wurde dadurch verschärft, dass Pontius Pilatus Münzen mit einem Symbol des Kaiserkults hatte prägen lassen, was seine Vorgänger mit Rücksicht auf das Bilderverbot für die Münzen in Palästina vermieden hatten.[2]
Neben der Frage der Steuer ging es also auch um die Frage, ob mit Münzen gezahlt werden konnte und sollte, die den eigenen religiösen Überzeugungen widersprachen. Jesus rief entgegen den Behauptungen nach seiner Festnahme trotzdem nicht zur Steuerverweigerung auf, denn dies hätte entweder die Aufforderung zum bewaffneten Aufstand bedeutet oder wäre mit dem bewussten Weg in den Tod für alle verbunden gewesen, die dieser Aufforderung gefolgt wären.
Jesus sprach mehrfach von den Gefahren, mit denen die zu rechnen hatten, die ihm nachfolgten, aber er wollte sie nicht zu Handlungen veranlassen, die unmittelbar zur Kreuzigung geführt hätten. Jesus nahm also in einer konkreten historischen Situation eine Abwägung vor und empfahl, dem Kaiser seine Münzen als Steuern zu zahlen. Der Mensch aber, daran ließ Jesus mit der zweiten Hälfte seines Satzes keinen Zweifel, gehört Gott. Dorothee Sölle und Luise Schottroff schreiben in ihrem Jesus-Buch zu dieser Botschaft: „Menschen ‚gehören’ Gott, nicht in dem Sinne, dass Gott ihr Besitzer wäre, sondern weil er sie – in Freiheit und zur Freiheit – erschaffen hat. Kein Vater, kein Kaiser, kein General und keine Behörde hat das Recht, Menschen nach Willkür wie Dinge zu benutzen. Diese religiöse Begründung der Menschenrechte steckt in der Unterscheidung, die Jesus mit den Worten ‚was des Kaisers ist’ und ‚was Gottes ist’ ausdrückt. Niemand hat das Recht, die anderen Menschen als ‚Körper’ zu gebrauchen, wie es ihm gerade gefällt.“[3]
Auch in anderen Fragen vertrat Jesus Positionen, in denen die grenzenlose Liebe zu den Menschen zum Ausdruck kam. Opfer und Leiden waren nicht zu vermeiden, das belegt Jesu eigener Lebensweg, aber er sorgte sich da, wo es möglich war, um das Wohlergehen der Menschen, die ihm nachfolgten. Von Johannes dem Täufer ist überliefert, dass er Heuschrecken und wilden Honig aß. Jesus lebte nicht üppig, aber er nahm an Festessen wie bei der Hochzeit von Kana teil und sorgte sich um das leibliche Wohl derer, die gekommen waren, um ihm zuzuhören, wie die Speisungsgeschichten belegen.
[1] Vgl. hierzu u. a.: Kuno Füssel: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ Aber wer und was gehört wem?, in: Füssel/Segbers: „... so lernen die Völker des Erdkreises Gerechtigkeit“, Luzern und Salzburg 1995, S. 149ff.
[2] Vgl. Karl Jaroš: Jesus von Nazareth, Geschichte und Deutung, Mainz 2000, S. 34
[3] Dorothee Sölle und Luise Schottroff: Jesus von Nazaret, Frankfurt am Main 2000, S. 29