Globalisierungs-Alternativen; Bahn- und Busverkehr ausbauen

 

Die Deutsche Bahn AG ist ein trauriges Beispiel dafür, wie man ein Unternehmen auf den Ruin zusteuern kann bei dem Versuch, es „börsenfähig“ zu machen. Statt das Bahnsystem auszubauen und zu einer attraktiven Alternative zum Auto zu machen, werden immer wieder Strecken stillgelegt, Bahnhöfe verkauft, Serviceleistungen eingeschränkt und Zugverbindungen gestrichen. Die Bahn-Politik hat durchaus ihre Logik. Wenn Gewinn erzielt werden soll, ist es einleuchtend, sich von allen Geschäftszweigen und Aktivitäten zurückzuziehen, die Verluste bringen. Zurück bleibt dann ein nationales Netz von Hochgeschwindigkeitsstrecken mit einigen Zubringerlinien. Sonst werden nur noch Strecken betrieben, für die es staatliche Subventionen gibt. Das Schienennetz. Mit 40.000 Kilometern (einschließlich privat betriebener Strecken) hat es nur noch ein Länge wie vor 120 Jahren. Seit der Wiedervereinigung ist es um mehr als zehn Prozent geschrumpft. Und viele dieser Bahnstrecken sind so marode, dass ein gewaltiger Investitionsstau besteht.

 

Je geringer das Angebot und je schlechter der Service sind, desto weniger attraktiv ist es für Reisende, mit der Bahn statt mit dem Auto zu fahren. Daran kann auch das 69-Euro-Ticket nichts ändern. Die Bahn macht es vielen ihrer Freunde wie dem Fahrgastverband „Pro Bahn“ schwer, diese Möglichkeit, ohne großen ökologischen Schaden mobil zu sein, zu propagieren. Bundestagsabgeordnete und Bürger haben sich zu einer Initiative „Bürgerbahn statt Börsenwahn“ zusammengeschlossen, um dazu beizutragen, dass die Bahn eine neue Richtung nimmt.[2]

 

Die Möglichkeit, mit der Bahn zu fahren, gehöre wie Gesundheit und Altersversorgung zur Grundversorgung. Bei einer neuen Verkehrspolitik gehe es um die Vorsorge für diejenigen, die auf die Bahn angewiesen sind und/oder die einen Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen“.

 

Der Versuch eines Börsengangs und seine Folgen

 

Ohne das Problem öffentlich zu debattieren, dass ein Bahnbetrieb sich eben nicht als „profit centre“ betreiben lässt, sondern dies ein Angebot für alle ist, preiswert und umweltfreundlich ans Ziel zu kommen, selbst wenn dafür beachtliche Steuergelder aufgewendet werden müssen, fährt die Bahn aufs Abstellgleis. Erforderlich wäre ein Eingeständnis, dass die Politik der Kommerzialisierung aller Lebensbereiche mindestens bei der Bahn ohne Perspektive ist. Der Weg an die Börse ist ein Weg weg von der Wahrnehmung einer Verantwortung für die ganze Gesellschaft.

 

Die Perspektivlosigkeit der gegenwärtigen Bahnpolitik lässt sich exemplarisch an der Einführung eines neuen Tarifsystems Ende 2002 zeigen. Statt die Angebote für die Bahncard-Besitzer auszuweiten und damit ein Erfolgsmodell zu pflegen, wird das Angebot für sie komplizierter und lohnt sich nur noch, wenn sie Tage oder Wochen vorher wissen, mit welchem Zug sie fahren wollen.  Dazu ist das ganze System so kompliziert, dass es in einer Zeitungsüberschrift zutreffend hieß: „Stammkunden der Bahn blicken beim neuen Preissystem nicht durch“.[4]

 

Der Versuch, die Bahn zu kommerzialisieren, statt sie als ein solide und effektiv arbeitendes öffentliches Unternehmen auszubauen, hat mit einem Desaster geendet. Gerade deshalb ist es erforderlich, das Modell eines Bahnbetriebes zu propagieren, das sich nicht irgendwelchen Gewinnerwartungen hingibt, sondern den Dienst an der Gesellschaft in den Mittelpunkt der Bemühungen stellt.

 

Die Erfahrungen in anderen europäischen Ländern

 

In England, wo der Prozess der Kommerzialisierung und Privatisierung des Bahnbetriebs schon länger betrieben wird, sind die Folgen noch negativer als bei uns. Ein Zeitungsbeitrag über die Krise der britischen Bahn hat die Unterüberschrift: „Weil die Privatisierung der britischen Bahn zum Desaster geriet, trösten die Behörden entnervte Fahrgäste mit frischen Blumen am Bahnsteig.“[6]  British Rail wurde bei der Privatisierung in 30 größere und zahlreiche kleine Unternehmen aufgespalten, und nun trägt im Zweifelsfall niemand mehr irgendeine Verantwortung. Das Schienen- und Signalsystem ist mittlerweile so marode, dass es in den letzten Jahren eine größere Zahl von Unfällen gegeben hat, nicht selten mit tödlichen Folgen für Fahrgäste. Die Betriebsgesellschaft für das Schienennetz Railtrack musste inzwischen Konkurs anmelden, und die Steuerzahlen müssen die Kosten für die Sanierung des heruntergekommenen Netzes tragen, vorerst durch Staatsgarantien für Schulden und Löhne.

 

Demgegenüber arbeitet die nicht privatisierte Eisenbahngesellschaft der Schweiz mit großem Erfolg und hat es geschafft, die Schweizer Bürgerinnen und Bürger zu weit mehr Bahnfahrten zu animieren als die Deutsche Bahn. Jeder Schweizer Bürger legt im Jahr 2021 1.628 Kilometer mit der Eisenbahn zurück, jeder Deutsche hingegen 691, also deutlich weniger als die Hälfte. 

 

Man muss vielleicht von fundamentalistischen Vorstellungen bei denen sprechen, die trotz aller gegenteiligen Beweise überzeugt sind, Liberalisierung und Privatisierung seien immer besser als ein öffentlicher Betrieb in Bereichen wie der Bahn, der Wasserversorgung etc. Um so wichtiger ist es, die negativen Auswirkungen einer solchen Politik konkret zu belegen und Alternativen zu entwickeln. Der Bahnverkehr ist ein Beispiel dafür, wie eine verfehlte Ideologie fatale Folgen hat und warum es notwendig ist, sich kritisch mit dieser Ideologie und ihren Konsequenzen auseinanderzusetzen. 

 

Der Irrweg der Liberalisierung der Nahverkehrssysteme

 

Die Nahverkehrssysteme in deutschen Großstädten sind auch im internationalen Vergleich vorbildlich, aber das bleibt eventuell nicht so. Zum einen fehlen den Kommunen die Gelder, um neue U-Bahnen oder Straßenbahnlinien zu finanzieren. Zum anderen droht eine Zerschlagung des Systems durch die von der EU verordnete sogenannte „Liberalisierung“. Um der Idee des Wettbewerbs auch hier zum Durchbruch zu verhelfen, sollen in Zukunft alle Strecken europaweit ausgeschrieben und an den preisgünstigsten Anbieter vergeben werden. Da die Kosten für Busse und Treibstoff für alle Anbieter weitgehend identisch sind und die jetzigen Träger des Nahverkehrs in der Regel relativ effizient arbeiten, bleibt nur eine substanzielle Einsparungsmöglichkeit: die Löhne und Gehälter der Beschäftigten. Wie bereits in der Baubranche werden auch im öffentlichen Nahverkehr das Lohnniveau und die Sozialleistungen reduziert. Dies deutet sich bereits an, und mit schlechter bezahlten und wenig motivierten Beschäftigten lässt sich kein attraktiver Nahverkehr aufbauen.

 

Deshalb gilt es, das Gehaltsniveau und die Sozialleistungen der Beschäftigten von Verkehrsbetrieben entsprechend der lokal gültigen Tarifverträge für alle Anbieter verbindlich zu machen, sonst ist ein Lohndumping geradezu unvermeidlich. Was es dann noch für einen Sinn macht, dass sich ein Unternehmen in einer mehrere Tausend Kilometer entfernten Stadt um den Auftrag bemüht, Buslinien zu betreiben, bleibt abzuwarten. Nicht der Glaube an die Segnungen einer Liberalisierung wird den öffentlichen Nahverkehr voranbringen, sondern ein effizientes, soziales und ökologisch verantwortungsbewusstes lokales Verkehrsunternehmen, das im öffentlichen Besitz ist und dessen Aktivitäten deshalb einer politischen Kontrolle unterliegen (selbst wenn diese Möglichkeiten bisher viel zu wenig genutzt werden). Konzepte und Beispiele für attraktive Nahverkehrsangebote in Deutschland sind in der Studie „Strategien für die Mobilität der Zukunft“ von Hans-Böckler-Stiftung und Deutschem Gewerkschaftsbund ausführlich dargestellt.[8]

 

Private Anbieter sollten eine Chance haben, aber nur dann, wenn sie ihren Wettbewerbsvorteil nicht mit schlechteren Arbeits- und Lohnbedingungen ihrer Beschäftigten erzielen. Ziel muss es in jedem Fall sein, dass die privaten Anbieter das Angebot ausweiten und sich nicht nur die „Rosinen herauspicken“.

 

In der Entwicklungszusammenarbeit muss im Verkehrsbereich die Förderung des Schienenverkehrs einen deutlichen Schwerpunkt bilden. Es gilt, vorhandene marode Stecken zu erneuern, ineffiziente Bahnunternehmen zu sanieren und in neue Strecken sowie Lokomotiven und Wagen zu investieren. 

 

Ein Vorbild: E-Busse in Kenia

 

Kenia will seine Busflotte bis 2027 vollständig auf E-Busse umstellen. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, hat das Land eine Montagelinie für Elektrobusse errichtet. Bei deren Eröffnung erklärte die Handelsministerin Rebecca Miano: "Eine der wichtigsten Prioritäten der Regierung ist die Bekämpfung des Klimawandels und die Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Der Verkehrssektor trägt in erheblichem Maße zu den Kohlenstoffemissionen bei, und die Umstellung auf Elektrofahrzeuge ist eine nachhaltige Lösung, um die Umweltzerstörung einzudämmen und die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu bekämpfen. Innerhalb von drei Jahren sollen 2.000 Elektrobusse gebaut werden.  Auch aus Ruanda liegen bereits Aufträge vor. Partner bei diesem Vorhaben ist ein großes chinesisches Unternehmen. 

  

© Frank Kürschner-Pelkmann 

 



 

[2] Vgl. Publik-Forum, 6/2001, S. 23

[4] Süddeutsche Zeitung, 2.10.2002

[6] Süddeutsche Zeitung, 18.1.2002

[8] Stand 1999, vgl. Das Parlament, 11.1.2002