Jesu Geburtsjahr - ein Thema der jungen Kirche
Wir können uns ohne Schaden von der Vorstellung verabschieden, dass Jesus tatsächlich an einem 25. Dezember geboren wurde? Dieses Datum ist aus der Kirchengeschichte zu erklären, aber im Blick auf Jesu tatsächliche Geburt ein willkürlich gewählter Tag. Es spricht allein schon gegen dieses Datum, dass der Dezember in den judäischen Bergen empfindlich kalt ist und die Hirten zu dieser Jahreszeit nicht nachts mit ihren Herden auf dem Felde waren.[1] Nun braucht man für Erinnerungen Symbole und Daten, und so spricht nichts dagegen, weiterhin am 25. Dezember die Geburt Jesu zu feiern. Aber es macht Sinn, diese Erinnerung zu bewahren, ohne den Eindruck zu erwecken, Jesus sei genau an diesem Tag vor 2018 oder 2019 Jahren auf die Welt gekommen. Das verbietet sich auch schon deshalb, weil wir nicht einmal das Geburtsjahr Jesu genau kennen. Einiges spricht dafür, dass er vier Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung zur Welt kam.
Das Geburtsjahr und der Tag der Geburt Jesu waren für die ersten Generationen der Jesusbewegung wahrscheinlich von keiner großen Bedeutung, sehr viel wichtiger war, dass die Gläubigen seine baldige Wiederkehr erwarteten. Erst aus dem 4. Jahrhundert ist überliefert, dass die Geburt Jesu mit einem jährlich wiederkehrenden Fest gefeiert wurde. Martin Wallraff, Professor für Kirchen- und Theologiegeschichte an der Universität Basel, hat die Frühgeschichte des Weihnachtsfestes beschrieben: „Die erste, eher indirekte Erwähnung findet sich in einem stadtrömischen Kalenderdokument, das vor 336 entstanden sein muss. Wer diese Jahreszahl hört, horcht auf: Es ist die Regierungszeit Konstantins des Großen. Das ist vielleicht mehr als ein Zufall. Denn das Weihnachtsfest ist ein Fest, dass diesem Kaiser gefallen haben dürfte, ein Fest, das sich gut in die Regierungspolitik dieses religiös so vielseitigen und so interessanten Mannes einfügt. Das muss nicht heißen, dass der Kaiser höchstpersönlich es erfunden oder eingeführt hat (das ist wohl eher nicht der Fall – sonst hätte sich vermutlich ein Dokument aus der kaiserlichen Kanzlei erhalten), aber es ist doch ein Fest ganz nach seinem Sinn, unter seiner Regentschaft ‚politisch korrekt’.“[2]
Warum passte das Fest in das politische Kalkül dieses Herrschers? Kaiser Konstantin führte seine erfolgreiche Politik auf den „unbesiegbaren Sonnengott“ zurück und ließ sich gern mit dem Strahlenkranz des Sonnengottes abbilden, den die Griechen Helios und die Römer Sol nannten. Dieser Gott Helios lässt sich auf religiöse Vorstellungen in Syrien zurückverfolgen, die in Verbindung mit dem Baal-Kult gestanden haben.[3] Der Gott fristete lange Zeit ein Randdasein im Götterhimmel, erst im 3. Jahrhundert nach Christus erlebte Helios/Sol einen Aufstieg, um die Herrlichkeit des Kaisers ins rechte Licht zu setzen. Sonnengott und Kaiser sollten die Einheit des Weltreiches mit seinen vielen Religionen und Kulturen zum Ausdruck bringen. Daher ließ sich Kaiser Konstantin in der von ihm gegründeten Stadt Konstantinopel auf einer Säule als Sonnengott darstellen. Die Einführung des Sonntages als allgemeinem wöchentlichem Feiertag hat alle seitherigen globalen Veränderungen überstanden.
Konstantin wollte gern auch das Christentum in diese religiöse Einheit im Zeichen der Sonne einbeziehen. Anders als seine Vorgänger betrieb er keine Politik der Verfolgung der Christen, sondern wollte sie einbinden in seine alles umfassende Religionspolitik. Da traf es sich gut, dass die junge Christenheit in Rom dazu übergegangen war, das Sonnensymbol auf Jesus und seine Botschaft zu beziehen. Die Christinnen und Christen sprachen von der „Sonne der Gerechtigkeit“ und stellten den Heiland nun mit Strahlenkranz dar. Das war Zeichen des Anspruchs, dass der Gottessohn, den die Römer als Aufrührer hingerichtet hatten, der wahre Herrscher der Welt war und den Strahlenkranz der Sonne verdiente. Jesus Christus war für die Gläubigen der Verehrungswürdige, nicht der römische Kaiser, selbst wenn sich dieser auf einer hohen Säule als Sonnengott darstellen mochte. Deshalb wäre es zu einfach anzunehmen, die Christinnen und Christen hätten sich dem kaiserlichen Sonnenkult angeschlossen.
Vielmehr stellt Martin Wallraff zu Recht fest: „Wenn Christen ihren Heiland als ‚Sonne’ besingen, so ist das nur eine Metapher neben anderen: Christus als Hirt, als Lamm, als Fisch oder als Tür. Und wenn Christen die ‚Geburt der neuen Sonne’ feiern, so können sie nicht einfach einstimmen in den Chor der Sonnenverehrer, sondern es schwingt immer ein kritisches Moment mit. Ihre Sonne Christus ist nie ganz eins mit der göttlichen Sonne der anderen.“[4]
Gefeiert wurde am Tag der Wintersonnenwende
Als Tag des Geburtsfestes Jesu, des Weihnachtsfestes, wurde der Tag der Wintersonnenwende gewählt. Das war in der Zeit von Kaiser Konstantin der 25. Dezember. Ob dies auf ein heidnisches Fest zurückgeht, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden.[5] Warum der 25. und nicht der 21. Dezember? Der Grund ist, dass sich der von Julius Cäsar eingeführte Kalender im Laufe der Jahrhunderte als ungenau erwies. Der Tag der Wintersonnenwende fiel im vierten Jahrhundert auf den 25. Dezember. Später wurde der Kalender umgestellt, und seither fällt die Wintersonnenwende immer auf den 21. Dezember. Aber das Weihnachtsfest blieb auf dem 25. Dezember.[6] Binnen weniger Jahrzehnte wurde überall in den christlichen Gemeinden des Römischen Reiches Weihnachten gefeiert. Und dass die Feier am Tag der Wintersonnenwende begangen wurde, konnte von Kaiser Konstantin als Zeichen verstanden werden, dass auch die Christinnen und Christen die Bedeutung der Sonne anerkannten. Viele orthodoxe Kirchen, sei hier eingefügt, richten sich nach dem Julianischen Kalender und feiern die Geburt Jesu am 7. Januar unserer Zeitrechnung, welche auf den 1582 eingeführten Gregorianischen Kalender zurückgeht, der von den Orthodoxen nicht übernommen wurde.
Holger Hammerich, damals Privatdozent für Kirchengeschichte an der Universität Hamburg, hat sich 2002 in einem Zeitschriftenbeitrag mit der Entstehung des Weihnachtsfestes und seines Verhältnisses zur römischen Sonnenverehrung beschäftigt. Er ist zu der Auffassung gelangt, dass Kaiser Konstantin ein Christentum mit stark synkretistischen Zügen vertreten hat.[7] Deshalb ließ er sich sowohl als Zwilling des Sonnengottes darstellen als auch mit dem Christusmonogramm: „Die beherrschende Persönlichkeit Konstantins und seine ausgeprägten theologischen Interessen sprechen für die Vermutung, dass er als einzelner seinen Weg gefunden hat, der sich von der christlichen Frömmigkeit der Zeit deutlich unterscheidet.“[8] Holger Hammerich kommt zum Ergebnis, „dass sich das neue christliche Fest nicht in Konkurrenz gegen den Tag der Sol invictu durchgesetzt hat. Vielmehr ist von Anfang an das friedliche, offene Miteinander von Sonnenkult und Christusverehrung entscheidend. Weihnachten ist also von seinem Ursprung her ein synkretistisches Fest und erreicht deshalb so schnelle Popularität, weil es übergreifend die religiöse Symbolik der Zeit christlich aufnehmen konnte.“[9]
[1] Vgl. Martin Wallraff: Unsere Sonne ist nicht eure Sonne, in: Weihnachten, Welt und Umwelt der Bibel, 4/2007, S. 12
[2] Ebenda, S. 12
[3] Vgl. Georg Röwekamp: Die Sonnenanbeter, Heidnisches im Kirchenjahr, Isis, Zeus und Christus, Welt und Umwelt der Bibel, 3/2002, S. 47
[4] Martin Wallraff: Unsere Sonne ist nicht eure Sonne, a.a.O., S. 14
[5] Vgl. ebenda, S. 15
[6] Vgl. Martin Wallraff: Was hat Weihnachten mit der Wintersonnenwende zu tun?, in: Weihnachten, Welt und Umwelt der Bibel, 4/2007, S. 14
[7] Vgl. Holger Hammerich: Weihnachten – archäologisch betrachtet, Nordelbische Stimmen, 12/2002, S. 6
[8] Ebenda
[9] Ebenda, S. 7