Relief mit Fisch und Brot in der Karmeliterkirche in Dobling/Österreich in Erinnerung an die wunderbare Brotvermehrung.
Relief mit Fisch und Brot in der Karmeliterkirche in Dobling/Österreich in Erinnerung an die wunderbare Brotvermehrung. Auch heute ermöglicht das ökumenische Teilen genug für alle. Foto. iStock.com/sedmak

Partnerschaften – biblische Maßstäbe für Projekte

 

Denn wie der Leib einer ist und hat doch viele Glieder, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus.“ (1. Korinther 12,12) Dieser Bibelvers hat der für die weltweite Ökumene und auch für viele bilateralen Partnerschaften von Kirchengemeinden oder Kirchenkreisen im Süden und im Norden eine zentrale Bedeutung. Die Sprache dieses Bibelverses mag manchen antiquiert und fremd erscheinen, aber die theologische Aussage hat nichts von ihrer Aktualität verloren: Alle Menschen, die das Evangelium zur Grundlage ihres Glaubens und ihres Lebens gemacht haben, bilden eine weltweite Gemeinschaft, selbst wenn sie unterschiedlichen Kirchen angehören.

 

Diese Zugehörigkeit zum „Leib Christi“ ist nicht in das Belieben der einzelnen Gläubigen oder Kirchen gestellt, sie ist konstituierend für eine Existenz als Christin, Christ und Kirche. Dass alle, die Teil dieses Körpers sind, besondere Gaben und Möglichkeiten besitzen, macht den Reichtum der Kirche Christi aus und nötigt zu Austausch, Zusammenarbeit und Solidarität.

 

Partnerschaften haben inzwischen einen festen Platz in dieser weltweiten christlichen Gemeinschaft, ebenso all jene Projekte, die sie gemeinsam planen und verwirklichen. Das gibt diesen Projekten einen besonderen Stellenwert im gemeinsamen Bestreben, Jesus nachzufolgen. Das sollte nun nicht als Überforderung wahrgenommen werden, sondern als Orientierung und als Chance.

 

Ein Partnerschaftsprojekt muss wie jedes andere Projekt verantwortungsbewusst, professionell und zielgerichtet geplant und verwirklicht werden, aber bei den Zielbestimmungen und deren Umsetzung haben wir eine klare „Messlatte“: das Evangelium und den Auftrag, an der einen Kirche Christi in der Welt mitzubauen. Die Partnerschaftsgruppen sind deshalb mehr als „Projektpartner“, ihr konkretes Kindergarten- oder Aids-Projekt ist Teil eines größeren Projektes, das Paulus so beschrieben hat, dass wir Teil des einen Leibes sind.

 

Wir sind Schwestern und Brüder

 

In Matthäus 23,8 sagt uns Jesus, dass wir einen gemeinsamen „Meister“ haben, „ihr aber seid alle Brüder“. Wir können dieser Lutherübersetzung gewiss die Worte „und Schwestern“ hinzufügen, wenn wir Jesu Achtung und Wertschätzung von Frauen ernst nehmen. Wenn wir also Brüder und Schwestern sind, muss sich dies im Miteinander von Partnerschaftsgruppen bei der Verwirklichung von Projekten widerspiegeln. Das wird zu Recht so interpretiert, dass wir auf Augenhöhe zusammenarbeiten und keiner sich als „Meister“ über den anderen erheben soll. Das gibt eine klare Orientierung für die Kommunikation und praktische Zusammenarbeit bei der Verwirklichung eines Projektes.

 

Damit ist allerdings nicht verbunden, dass es nur Harmonie gibt und Probleme „unter den Teppich gekehrt“ werden. Auch und gerade in Familien gibt es häufig Meinungsverschiedenheiten und Auseinandersetzungen. Das war auch zu Lebzeiten Jesu so, können wir dem Neuen Testament entnehmen. Aber es sollten ein Grundvertrauen und eine Bereitschaft bestehen, die nun einmal bestehende Unterschiedlichkeit von Auffassungen und Lebenseinstellungen der einzelnen Familienmitglieder zu akzeptieren und sich zu bemühen, den Zusammenhalt der Familie zu fördern und nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

 

Das Bewusstsein, „wir gehören zusammen“, geht nur verloren, wenn alle Gespräche und Versöhnungsbemühungen gescheitert sind. Auch dieses Scheitern gehört zur menschlichen Existenz, sei es nun in den Beziehungen von Geschwistern oder in Partnerschaften. Aber Geschwister und kirchliche Partnerschaften verbindet mehr als geschäftliche Beziehungen, und sie sind gefordert, am Miteinander zu arbeiten und es nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.

 

Das Bild von den Brüdern und Schwestern, die gemeinsam ein Projekt verwirklichen, ermutigt uns, Differenzen anzusprechen und Konflikte auszutragen, dies aber auf solch eine Weise, dass wir auch danach noch geschwisterlich verbunden bleiben. Das wird nur möglich sein, wenn sich nicht der eine über den anderen erhebt. Das war schon eine Gefahr, der die Jünger Jesu erlagen. Im Markusevangelium lesen wir, dass es einen „Rangstreit der Jünger“ gab. Jesus hat darauf so reagiert: Und er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener.“ (Markus 9,35)

 

Auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, erhöht auch die Aussicht, das Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein aller Beteiligten zu stärken. Mit Dietrich Bonhoeffer können wir fragen: „Hat die Gemeinschaft dazu gedient, den einzelnen frei, stark und mündig zu machen, oder hat sie ihn unselbstständig und abhängig gemacht?“ (Gemeinsames Leben, 2012, S. 75)

 

Der Auftrag zum ökumenischen Teilen

 

Das Teilen der Reichtümer dieser Welt ist unverzichtbar für eine christliche Existenz, lernen wir in der Bibel: Nicht, dass die andern Ruhe haben und ihr Not leidet, sondern dass es zu einem Ausgleich komme. Jetzt helfe euer Überfluss ihrem Mangel ab, damit auch ihr Überfluss eurem Mangel abhelfe und so ein Ausgleich geschehe, wie geschrieben steht (2. Mose 16,18): ‚Wer viel sammelte, hatte keinen Überfluss, und wer wenig sammelte, hatte keinen Mangel.‘“ (2. Korinther 8,13-15)

 

Paulus beließ es nicht bei solchen theologischen Aussagen, sondern führte in den von ihm gegründeten Gemeinden eine Sammlung für die Gemeinde in Jerusalem durch, die unter Armut litt angesichts von Hungersnöten und dem wirtschaftlichen Niedergang in Palästina. Dem Apostel war das Miteinanderteilen so wichtig, dass er selbst nach Jerusalem reiste, um das gesammelte Geld zu übergeben. Er wusste, wie gefährlich es für ihn sein würde, in Jerusalem aufzutauchen, und er wurde dort tatsächlich verhaftet und nach Rom überstellt. Paulus wusste aber auch: Die Gemeinschaft der Gläubigen lebt davon, dass wir als Christinnen und Christen miteinander teilen und dass wir persönlich sichtbar machen, wie wichtig dies uns ist. Die Einheit der Kirche, also damals die Einheit der über den östlichen Mittelmeerraum verstreuten kleinen Gemeinden, war Paulus ein so großes Anliegen, dass er diese Einheit durch eine finanzielle Sammlung festigen wollte und große persönliche Risiken dafür einging.

 

Wenn wir die weltweiten Ökumene stärken wollen, kommt dem Teilen von Reichtum und der Beseitigung von materiellem Mangel eine große Bedeutung zu. Wenn wir dem Vorbild Paulus folgen, ist es wichtig, dass die Gelder nicht nur gesammelt und an die Empfänger übersandt werden, sondern dass das Teilen ökonomischer Güter mit dem Aufbau und der Festigung persönlicher Beziehungen und geistlicher Gemeinschaft verbunden wird.

 

Dafür können Partnerschaftsprojekte ein gutes Beispiel sein. Das setzt allerdings voraus, dass sie in der Paulus-Tradition in einem Geist der Geschwisterlichkeit verwirklicht werden. Das geht einher mit einem offenen Austragen unterschiedlicher Auffassungen, diskutierte Paulus bei seinem Besuch in Jerusalem doch durchaus kontrovers mit den Leitern der Gemeinde über die Frage, welchen Platz Nichtjuden in den Gemeinden der Jesusanhänger haben sollten. Aber der Apostel nutzte seine Sammlung nicht, um die armen Geschwister in Jerusalem unter Druck zu setzen, sich seinen Auffassungen anzuschließen.

 

Es gab damals eine zweite, eng damit verbundene Form des Miteinanderteilens. Über die Gemeinde in Jerusalem wird in der Apostelgeschichte berichtet: Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.“ (Apostelgeschichte 2,44-47) Theologen diskutieren heute, ob dies Wunschvorstellung oder Wirklichkeit war, aber es spricht viel dafür, dass das Miteinanderteilen zumindest ansatzweise verwirklicht wurde und dazu beitrug, dass sich immer mehr Menschen dieser Gemeinschaft angeschlossen haben.

 

Ein solches radikales Miteinanderteilen ist in der Geschichte der christlichen Kirchen die Ausnahme geblieben, und das ist auch heute so. Realistischerweise können wir es auch nicht zum Maßstab für das Gelingen von Partnerschaften machen. Aber es muss angestrebt werden, dass das ökumenische Teilen im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Nord und Süd dadurch ergänzt wird, dass die beteiligten Partnerschaftsgruppen ihre Augen nicht vor den krassen Unterschieden zwischen Arm und Reich in ihren jeweiligen Gemeinschaften und Gesellschaften verschließen. Für deutsche Partnerschaftsgruppen und Kirchengemeinden kann dies bedeuten, die materielle Unterstützung für die Partner im Süden und der Armen am eigenen Ort nicht als konkurrierende Aufgaben anzusehen, sondern als zwei Seiten eines überzeugenden christlichen Engagements.

 

Projekte aus der Lazarusperspektive wahrnehmen

 

Der arme Lazarus, der begehrte, sich von dem zu ernähren, was vom Tisch des Reichen fiel (Lukas 16,19ff.), ist auch, zwei Jahrtausende nachdem Jesus seine Geschichte in einem Gleichnis erzählt hat, ein Beispiel für die biblischen Verheißungen für die Armen und die großen Gefahren, die mit Reichtum verbunden sind. Der Skandal des Nebeneinanders von krasser Armut und grenzenlosem Überfluss bestimmt unsere Welt mehr denn je. Und während die Armen nicht selten ohne Perspektive dahinvegetieren müssen, nimmt der Reichtum einer kleinen Minderheit ständig zu. Christinnen und Christen können diesen Skandal nicht ignorieren oder beschönigen, sondern sind gefordert, die Welt aus der Lazarusperspektive wahrzunehmen.

 

Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass die Versprechungen der Globalisierung sich nicht erfüllt haben. Manche Menschen sind durch die Öffnung der Märkte und andere Globalisierungsprozesse wohlhabender oder sogar reich geworden. Viele andere sind arm geblieben oder noch ärmer geworden. Zahlreiche Angehörige der Mittelschicht fürchten in Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern den sozialen Abstieg – und dies häufig nicht ohne Grund. Der heutige Lazarus wird wahrnehmen, dass es inzwischen in zahlreichen Ländern rund um den Globus wachsende soziale Unterschiede gibt und dass gleichzeitig weiterhin das Prokopfeinkommen in den reichen Ländern sehr viel höher ist als in den Ländern, die von den dynamischen Globalisierungsprozessen abgehängt wurden oder die sogar als „failed states“ gelten, als gescheiterte Staaten.

 

In dieser Situation gewinnen die Verheißungen und Warnungen des Gleichnisses vom armen Lazarus eine neue Aktualität und Dramatik. Dass es in reichen Ländern so viele Arme gibt und ihre Zahl vielerorts sogar steigt, ist auch eine fundamentale Anfrage daran, wie Christinnen und Christen in reichen Ländern ihr Christsein verstehen und leben. Ebenso stehen wohlhabende und reiche Christinnen und Christen im Süden der Welt vor der Frage, was sie für die extrem Armen in ihrer Gesellschaft tun. Und über diesen innergesellschaftlichen krassen Einkommens- und Vermögensunterschieden dürfen die weiterhin bestehenden Unterschiede zwischen den Ländern mit einem hohen und einem niedrigen Durchschnittseinkommen nicht übersehen werden. Und diese krassen Ungleichheiten sind Ausdruck von Ungerechtigkeit.

 

Die kirchlichen Partnerschaften müssen sich in diesen komplexen Zusammenhängen bewähren, und nicht zuletzt bei ihren Projekten müssen sie dies im Blick haben. Die Lazarusperspektive bedeutet für Partnerschaftsprojekte vor allem drei Dinge: Bei der Planung und Umsetzung eines Projektes muss die soziale Situation auf regionaler, nationaler und globaler Ebene im Blick sein, vor allem die Situation der Armen und Ausgegrenzten. Zweitens muss gefragt werden, was das Projekt zur Verbesserung der Situation der Armen und Diskriminierten bewirkt. Dazu gehört dann auch, nicht nur deren materielle Situation, sondern auch ihr Selbstbewusstsein und ihre Würde zu stärken. Und drittens muss analysiert werden, welchen – wenn auch noch so kleinen – Beitrag das Projekt dazu leisten kann, die strukturellen Ursachen von Armut und Marginalisierung infrage zu stellen und zu überwinden.

 

Projekte des ökumenischen Teilens sind in diesem Verständnis eingebunden in ein breiteres Engagement für eine gerechtere und zukunftsfähige Welt. 1987 wurde bei einer Weltkonsultation des Ökumenischen Rates der Kirchen in El Escorial/Spanien über die Zukunft des ökumenischen Teilens beraten. In den „Richtlinien für das Teilen“ lesen wir: „Bei allem Miteinanderteilen verpflichten wir uns: Uns an einem vollständig neuen Wertsystem zu orientieren, das auf Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung beruht (…) Es wird sich grundlegend von dem Wertsystem unterscheiden, auf dem die bestehende wirtschaftliche und politische Ordnung beruht und die die Ursachen darstellen für die heutigen Krisen und Gefahren.“[1]

 

Die Orientierung an den Menschenrechten

 

Für die Gestaltung von Partnerschaftsprojekten und für ihre Einbindung in ein umfassendes gemeinsames ökumenisches Engagement haben sich die Menschenrechte als wichtiger Kompass erwiesen. Zwar kommt das Wort Menschenrechte in der Bibel nicht vor, wohl aber wird in vielen biblischen Texten das eingefordert, was seit der Neuzeit unter Menschenrechten verstanden wird. So lesen wir bei Jeremia: So spricht der HERR: Schafft Recht und Gerechtigkeit und errettet den Beraubten von des Frevlers Hand und bedrängt nicht die Fremdlinge, Waisen und Witwen und tut niemand Gewalt an und vergießt kein unschuldiges Blut an dieser Stätte.“ (Jeremia 22,3)

 

Im Neuen Testament lesen wir in vielen Texten, wie Jesus sich für die Rechte der Armen, der Witwen und der Waisen eingesetzt hat. Dabei hatte er auch die Rechte im Blick, die wir heute als wirtschaftliche und soziale Menschenrechte bezeichnen. In Jesu Ankündigung des Weltgerichts heißt es: Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen.“ (Matthäus 25,34-36)

 

Ein Engagement für diese Menschenrechte von Mitmenschen ist essenziell für das eigene Heil. Denn denjenigen, die wegschauen und nichts tun, verkündet Jesus beim Weltgericht: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.“ (Matthäus 25,45)

 

Auch die Menschen, die sich für das Wohlergehen und die Rechte ihrer Mitmenschen einsetzen, bedürfen der Gnade Gottes. Davon sind evangelische und katholische Christinnen und Christen überzeugt. Aber das entbindet uns nicht von der Verpflichtung, entschlossen für die Opfer von Unrecht und Verelendung einzutreten. Und ein Feld, wo sich dies bewähren muss, sind unsere Partnerschaften. Partnerschaftsprojekte können auf vielfältige Weise dazu beitragen, Recht und Gerechtigkeit zu schaffen und die Bedrückten, Fremdlingen, Waisen und Witwen zu ihren Rechten kommen zu lassen.

 

Mit den „Anderen“ vertrauensvoll zusammenarbeiten

 

Die meisten Christinnen und Christen kennen das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,25ff.). Dem oder der Nächsten zu helfen, wie es der Samariter getan hat, gehört zu den wichtigsten Zielen des Engagements der einzelnen Gläubigen und ihrer Kirchen für Menschen, die in Not geraten sind. Es ist auch eine wichtige Motivation und Grundlage für zahlreiche Partnerschaftsprojekte. Noch zu wenig wahr- und ernstgenommen wird, dass in dem Gleichnis die Hilfe von unerwarteter Seite kommt, von einem Samariter, nach dem Verständnis der damaligen Juden einem „Ungläubigen“. Das kann uns dazu ermutigen, auch die „Anderen“ und nicht zuletzt die „Andersgläubigen“ dazu einzuladen, gemeinsam ein Projekt zu planen und zu verwirklichen.

 

In einer Welt, in der die Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gemeinschaften aus den unterschiedlichsten Gründen sogar gewaltsame Formen annehmen, ist das gemeinsame Engagement von Menschen unterschiedlichen Glaubens für ein gemeinsames Projekt etwas sehr Kostbares. Es ist auch noch etwas Seltenes, aber wenn eine Partnerschaftsgruppe im Süden der Welt ein Projekt gemeinsam mit Menschen anderen Glaubens verwirklichen möchte, verdient sie dafür alle Unterstützung. Auch eine Partnerschaftsgruppe im Norden kann davon viel lernen.

 

In anderen Fällen ist viel erreicht, wenn Christinnen und Christen unterschiedlicher christlicher Konfessionen gemeinsam ein Projekt in Angriff nehmen. Überheblichkeit der deutschen Partner ist dabei unangebracht. Wer aus einem Land kommt, in dem es vor einigen Jahrzehnten noch getrennte Toiletten für evangelische und katholische Schüler gab, sollte keine Ungeduld über die langsamen Fortschritte in der ökumenischen Zusammenarbeit in anderen Ländern zeigen. Umso stärker sind ökumenische Initiativen im Süden der Welt zu begrüßen und zu unterstützen und dies auch bei Partnerschaftsprojekten. Bei solchen Projekten können dann zum Beispiel auch eine katholische und eine evangelische Gemeinde in Deutschland gemeinsam die Unterstützung organisieren und von dieser ökumenischen Projekterfahrung profitieren.

 

Die „Anderen“, die so unerwartet wie der Samariter Hilfe leisten, können auch Angehörige einer anderen Ethnie oder sozialen Gruppe sein. Besonders in Ländern, wo es starke Spannungen zwischen Ethnien gibt, ist viel erreicht, wenn der Mit-Samariter in einem Projekt einen anderen ethnischen Hintergrund hat oder einer anderen Kaste angehört.

 

Das Reich Gottes und die Projektarbeit

 

„Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ (Lukas 17,21) Diese biblische Ankündigung hat immer wieder all jene beunruhigt, die den gesellschaftlichen und kirchlichen Status quo bewahren wollten. Es wurde und wird befürchtet, dass diese und ähnliche biblische Aussagen zur Grundlage von Schwärmerei oder gar einem revolutionären Verständnis der christlichen Botschaft werden könnten. Und doch kann kein ernsthafter Zweifel bestehen, dass Jesus verkündet hat, dass das Reich Gottes schon mitten in dieser Welt beginnt und nicht erst in einer jenseitigen Welt. Jesus hat immer wieder Beispiele dafür gegeben, wie sich unser Denken und unser Handeln in dieser Welt verändern, wenn wir daran glauben, dass wir eingeladen sind, am Bau dieses Reiches mitzuwirken. Es werden immer sehr kleine Beiträge sein, die wir hierzu leisten können, und es besteht kein Anlass zu übertriebener Euphorie. Aber wir können doch aus der Hoffnung heraus leben, dass unser Reden und unser Handeln einfließen in den großen Strom, der sich auf das Reich Gottes hinbewegt. Wir können dabei auf die Gnade und die Zuwendung Gottes hoffen und darauf, dass er das Werk unserer Hände segnet.

 

Wir wollen an dieser Stelle die katholischen Bischöfe der Philippinen zitieren, die 1997 diese Hoffnung so formuliert haben: „Der Realität des Gottesreiches gegenüberzutreten erfordert eine Erneuerung des Lebens in Übereinstimmung mit dem Evangelium. Wir sollen nicht nur beten ‚Dein Reich komme“ (Mt. 6,10). Wir müssen auch handeln, um bei seinem Zustandekommen mitzuhelfen, indem wir unser Leben erneuern, indem wir Werte des Gottesreiches verteidigen und fördern, besonders Gerechtigkeit, Frieden, Wahrheit und Liebe, Freiheit, Mitleid und Versöhnung. Die Werte des Reiches Gottes zu fördern heißt, Gottes Willen zu tun.“

 

Für den Beitrag des ökumenischen Teilens zu einer Welt, die sich auf das Reich Gottes zubewegt, ist die Geschichte von der Speisung der Fünftausend von zentraler Bedeutung. Die Geschichte ist gut bekannt. Nach einer Predigt Jesu wiesen die Jünger ihn auf die Notwendigkeit hin, die 5.000 Menschen, die sich versammelt haben, mit einer Mahlzeit zu versorgen. Jesus hatte aber nur fünf Brote und zwei Fische in einem Korb vor sich stehen. Was dann geschah, beschreibt der Evangelist Johannes so: „Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie wollten. Als sie aber satt waren, spricht er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt. Da sammelten sie und füllten zwölf Körbe mit Brocken von den fünf Gerstenbroten, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.“ (Johannes 6,11-13)

 

Dieses Wunder ist oft interpretiert und erklärt worden. Vielleicht war es so, dass Jesu Segen und sein Teilen des Wenigen, was ihm zur Verfügung stand, die Menschen veranlasst hat, nun ihrerseits miteinander zu teilen, was sie selbst besaßen.

 

Dieses Teilen führte zu so viel Reichtum, dass am Ende noch körbeweise Brot übrig blieb. Die Botschaft ist eindeutig: Wenn wir miteinander teilen, werden wir alle bereichert. Eine verheißungsvollere Botschaft kann es für Partnerschaftsprojekte nicht geben. Diese Verheißung erspart uns die mühsame und manchmal auch konfliktreiche Arbeit an dem Projekt nicht, aber als Christinnen und Christen können wir unser Projekt verstehen als winzigen Teil des großen Projektes Gottes mit dieser Welt. Das kann uns auch in schwierigen Situationen Hoffnung und Gottvertrauen geben.

 

Mit der Bibel in der einen und dem Spaten in der anderen Hand

 

Die hier in knapper Form dargestellten Glaubensüberzeugungen haben unübersehbar Konsequenzen für Partnerschaftsprojekte. Wir leben in einem Kontext von fortbestehender Ungerechtigkeit, von Armut und Elend für viele Millionen Menschen, von bewaffneten Konflikten in zahlreichen Ländern und von einer Globalisierung, die die Kluft zwischen Arm und Reich ständig vergrößert, während gleichzeitig Gottes Schöpfung auf vielfältige Weise bedroht ist. In einer solchen Welt sind Christinnen und Christen eingeladen und aufgefordert, ihr Leben an den Werten und Verheißungen der Bibel auszurichten und mitzuwirken am Entstehen einer gottgefälligeren Welt.

 

Hierzu können Partnerschaftsprojekte einen winzigen Beitrag leisten. Sie können zu Zeichen werden unseres gemeinsamen Engagements für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Und sie können exemplarisch zeigen, dass ein Miteinander und ein gemeinsames Engagement von Menschen jenseits der ökonomischen „Gesetze“ der Globalisierung möglich und bereichernd sind.

 

Das ist nur möglich, wenn ein Projekt eingebunden ist in eine Partnerschaft, die aus dem Evangelium heraus lebt und in der geistliche Gemeinschaft und gemeinsames praktisches Engagement eine untrennbare Einheit bilden. Deshalb können wir die Morgenandacht nicht loslösen von der anschließenden gemeinsamen Beschäftigung mit Fragen von Buchhaltung oder Monitoring.

 

Es wäre allerdings ein großes Missverständnis, wenn wir gravierende Probleme bei der Verwirklichung eines Projektes mit der Bemerkung relativieren, wir seien Schwestern und Brüder des einen Leibes, und da müsste man das eine oder andere Fehlverhalten schon einmal übergehen. Partnerschaftsprojekte werden am besten mit der Bibel in der einen und dem Spaten in der anderen Hand verwirklicht. Und diese Hände gehören zusammen. So sind wir gerade zu besonderer Umsicht, Ehrlichkeit und verantwortungsbewusstem Handeln verpflichtet, weil dieses Projekt Menschen helfen soll, die dringend darauf angewiesen sind und weil wir unser gemeinsames Projekt als Teil des großen Projektes der Kirche mitten in dieser Welt verstehen. Wir werden darüber nicht unbarmherzig mit denen, die Fehler gemacht oder Geld veruntreut haben. Aber wir sprechen diese Probleme gerade in einer geschwisterlichen Partnerschaft an und versuchen, sie gemeinsam zu lösen.

 

Diese Partnerschaften werden sich immer als Teil der Partnerschaft zwischen Kirchen und der Kirche Christi in dieser Welt verstehen. Und entsprechend können Projekte nur als Teil dieser weiteren Gemeinschaft geplant und verwirklicht werden. „Heute sind wir Partner“, das ist aus dieser Perspektive mehr als der Versuch einer Zustandsbeschreibung. Es ist ein Ausdruck der Hoffnung, dass wir gemeinsam und partnerschaftlich mitten in dieser Welt kleine Zeichen des kommenden Reiches Gottes aufrichten können. Zum Triumphalismus oder zur unkritischen Euphorie gibt es keinen Anlass, aber es gibt Anlass zur Hoffnung und zum Vertrauen auf das Reich Gottes, das noch kommen wird, aber schon mitten unter uns begonnen hat.

 

© Frank Kürschner-Pelkmann



[1] Miteinander leben – miteinander teilen, ÖRK-Weltkonsultation Koinonia Geteiltes Leben in weltweiter Gemeinschaft, Hamburg 1990, S.33