Arzneimittelspenden in der Diskussion

 

Eine preiswerte Form der Überwindung von Engpässen in armen Ländern scheinen Arzneimittelspenden zu sein. Im Zeitalter globaler Kommunikation, günstiger Transportmöglichkeiten und großer Medikamentenrestbestände in Europa und Nordamerika haben solche Spendenaktionen ein großes Ausmaß angenommen. Allerdings werden von Einzelpersonen, Apotheken und pharmazeutischen Unternehmen oft große Mengen ungeeigneter Medikamente zur Verfügung gestellt. Nicht selten scheitert die Verwendung schon daran, dass die Beschriftung der Medikamente und die Beipackzettel vor Ort niemand lesen kann. In anderen Fällen sind die Medikamente in dem Land gar nicht verwendbar. Die berüchtigten Lieferungen von Appetitzüglern in Hungerregionen sind nur ein besonders makabres Beispiel. Allein in Bosnien-Herzegowina kamen 17.000 Tonnen (!) nicht verwendungsfähiger Arzneimittelspenden an.[i]297 Die ordnungsgemäße Entsorgung kostete etwa 34 Millionen Dollar. In Ostafrika hat eine Umfrage ergeben, dass mehr als die Hälfte der gelieferten Medikamente nicht dem lokalen Bedarf entsprachen.

 

Der Skandal solcher Lieferungen besteht darin, dass für die Entsorgung nicht mehr benötigter Arzneimittel auch noch Spendenquittungen ausgestellt werden, die Steuerlast der betreffenden Unternehmen also vermindert wird. Die Missstände auf diesem Gebiet hat das „Deutsche Institut für ärztliche Mission“ veranlasst, einen „Leitfaden für Arzneimittelspenden“ zu erarbeiten und gemeinsam mit anderen Organisationen zu verbreiten. Der Leitfaden wird von den Dachverbänden des pharmazeutischen Großhandels und der Apothekerschaft, Hilfsorganisationen und kirchliche Werke zur Grundlage für die Zusammenstellung von Medikamenten für Länder des Südens genutzt.

 

Der „Verband Forschender Arzneimittelhersteller“ fordert, Arzneimittelspenden ausschließlich nach den Maßstäben des Leitfadens zur Verfügung zu stellen. In dem Leitfaden wird zum Beispiel erläutert, dass erst einmal festgestellt werden muss, ob eine lokale Beschaffung der Medikamente nicht sinnvoller und preiswerter ist. Es muss auch geklärt werden, ob die erbetenen Medikamente auf der Nationalen Arzneiliste stehen, ob sie also zu den anerkannten unentbehrlichen Medikamenten gehören. Wenn aus dem Ausland geliefert werden soll, nennt der Leitfaden eine ganze Reihe wichtiger Gesichtspunkte zu Auswahl, Haltbarkeit, Verpackung etc. und macht so deutlich, dass Arzneimittellieferungen ein sehr komplizierter Vorgang sind, der neben guten Absichten ein profundes Fachwissen erfordert.[ii]

 

Ohne solche Kenntnisse Medikamente nach Tansania zu senden, ist deshalb oft kein Beitrag zu einer globalen Solidarität, sondern ohne Nutzen, wenn nicht sogar schädlich. Ein sinnvoller Beitrag besteht darin, die erfahrenen Werke zu unterstützen, die medizinische Hilfe leisten, die lokale Medikamentenproduktion fördern und im Falle von Arzneimittellieferungen genau prüfen, was benötigt wird und wie es vor Ort an die richtigen Empfänger gelangt.

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

 

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

 

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann

 

 



[i] Vgl. Deutsches Institut für Ärztliche Mission, Arzneimittel spenden – aber wie?

[ii] Vgl. DIFÄM-Jahresbericht 2001, S. 6