Ökumenisches Engagement in GATS-Fragen

 

Ein Schritt auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung besteht darin, die GATS-Verhandlungen in der WTO zu beeinflussen. Für die Kirchen und die ökumenische Bewegung gibt es hierfür eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Die Kirchen im Süden der Welt können versuchen, ihre Regierungen und die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren, worum es bei GATS geht. Gefordert werden kann zum Beispiel, dass alle Angebote der Regierung für eine Liberalisierung im Dienstleistungsbereich vorher öffentlich diskutiert werden müssen.

 

Das widerspricht zwar ganz und gar der Geheimdiplomatie im Rahmen der WTO, kann aber den Effekt haben, unverantwortliche Zugeständnisse zu verhindern, die dann nicht wieder rückgängig gemacht werden können. Außerdem können die Kirchen darauf hinwirken, dass die Regierungen mit ausreichend großen und aus fähigen Personen zusammengesetzten Delegationen bei der WTO in Genf präsent sind und an Konferenzen teilnehmen. Auch für arme Länder ist dieses Geld gut angelegt, denn die Folgen der Beschlüsse haben gravierende Auswirkungen auf jede Volkswirtschaft.

 

Das kirchliche Engagement in diesen Fragen setzt eine beachtliche eigene Kompetenz in Fragen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen voraus. Der Einsatz von Ressourcen in diesem Bereich lohnt sich aber, weil dann nicht erst auf Liberalisierungs- und Privatisierungsentscheidungen reagiert werden muss. Stattdessen kann schon vorab verhindert werden, dass die eigene Regierung die Voraussetzungen dafür schafft, dass ausländische Unternehmen das durchsetzen, was sie unter Liberalisierung verstehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass viele Regierungen im Süden der Welt unter massivem Druck von Internationalem Währungsfonds und Weltbank stehen, die Märkte für die internationale Konkurrenz zu öffnen und staatliche Unternehmen zu privatisieren. Es bedarf eines beachtlichen öffentlichen Gegendrucks, um zu verhindern, dass der heimische Dienstleistungsbereich unter internationale Kontrolle gerät. Dazu können die Kirchen und christliche Gruppen ganz wesentlich beitragen.

 

Bei einer Neugestaltung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen muss ein zentrales Ziel sein, den Umweltschutz zu einem wichtigen Kriterium dafür zu machen, ob und in welcher Form liberalisiert wird. Dies bedeutet zum Beispiel, dass ein grenzüberschreitender Handel mit Waren und Dienstleistungen dann nicht gefördert wird, wenn damit ein hoher Transportaufwand verbunden ist.

 

Vor allem der Transport auf dem Luftweg muss eingeschränkt statt gefördert werden. Ebenso gilt es, keinen internationalen Handel zu fördern, der im exportierenden oder im importierenden Land zu sozialer Ungerechtigkeit und zu sozialen Konflikten beiträgt. Exportoffensiven auf der Grundlage von Minimallöhnen und miserablen Arbeitsbedingungen dürfen ebenso wenig durch eine Liberalisierung gefördert werden wie die Vernichtung einer großen Zahl von Arbeitsplätzen als Folge der Verdrängung der einheimischen Produzenten durch Importe oder Tochterunternehmen übermächtiger ausländischer Konzerne.

 

Dieser Ansatz unterscheidet sich also deutlich von den vorherrschenden Liberalisierungskonzepten. Statt davon auszugehen, dass die Durchsetzung eines großen globalen Marktes am Ende allen oder doch fast allen dienen würde, setzt ein solches alternatives Konzept darauf, nur dort zu liberalisieren, wo die ökologischen und sozialen Folgen geprüft und größere Schäden nicht zu erwarten sind.

 

Damit ein solches Konzept Aussichten auf Erfolg hat, obwohl es den Interessen vieler Konzerne widerspricht, sind eine starke internationale Bewegung für eine solche alternative Globalisierung sowie demokratische Strukturen und verantwortungsbewusste Regierungen in möglichst vielen Ländern nötig. Mit ihrer Hilfe ist es auch möglich, den GATS-Prozess grundlegend unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten zu verändern. Internationale Liberalisierungen wären dann das Ergebnis systematischer Analysen sozialer und ökologischer Folgen möglicher Maßnahmen und einer breiten öffentlichen Debatte. Das ist ziemlich genau das Gegenteil von dem, was heute im Rahmen des GATS-Prozesses geschieht.

 

Die Chance der Kirchen besteht darin, solche Initiativen auf nationaler Ebene miteinander zu koordinieren und auf weltweiter Ebene gemeinsam vorzugehen. Der ÖRK, die konfessionellen Weltbünde und andere ökumenische Zusammenschlüsse haben hier wichtige Aufgaben. Eine besondere Aufgabe und Verantwortung kommt in diesen ökumenischen Prozessen den Kirchen und ökumenischen Initiativen in den westlichen Ländern zu. Angesichts der gewichtigen Rolle der EU bei GATS-Verhandlungen bedarf es besonderer Anstrengungen, um die europäische Position zu beeinflussen und in dieser Debatte andere Stimmen zu Gehör zu bringen als ausschließlich die internationalen Konzerne und ihre Verbände. Eine Alternative zur derzeitigen internationalen Liberalisierungspolitik im Dienstleistungsbereich sollte auch von den Kirchen in Europa mit entwickelt und verwirklicht werden.

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

 

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

 

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann