Vorwort zur Studie

 

Der Slogan von der Globalisierung ist in aller Munde, viele Bücher und Artikel sind dazu schon geschrieben worden und Kirchen haben Synoden dazu abgehalten. Und nun noch ein weiteres Buch zum Thema, das noch dazu der erste Band einer dreiteiligen Studie zur Globalisierung ist? Was ist das Anliegen dieser Publikation (und der beiden weiteren Bände, die in Kürze mit Studien zum Thema Wasser als Beispiel für eine globalisierte Wirtschaft und im dritten Band mit konkreten Vorschlägen für Alternativen zum vorherrschenden System der Globalisierung folgen werden?

 

Anliegen der von Frank Kürschner-Pelkmann erarbeiteten und hier vorgelegten Studie über „Gott und die Götter der Globalisierung“ ist nicht, noch einmal das komplexe Phänomen der Globalisierung in seinen unterschiedlichen Faszetten zu beschreiben. Ausgangspunkt der Darstellung ist vielmehr die im Gespräch mit vielen Partnern im Süden der Welt immer wieder zu spürende Wahrnehmung, dass die Globalisierung der Weltwirtschaft ihr Versprechen eines besseren Lebens für viele Menschen nicht einlöst. Im Gegenteil: Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer, Menschen werden aus den Produktionsprozessen und dem Weltmarktgeschehen ausgegrenzt.

 

Nicht nur schreitet die Marginalisierung großer Bevölkerungsteile, mancher Länder und ganzer Regionen fort; es setzt sich mit der Globalisierung - der am Kapitalismus orientierten Weltwirtschaft - auch ein Ethos und Menschenbild durch, das von Profit und Konsumdenken geprägt ist und die Achtung der Würde des Menschen untergräbt. Der Titel der hier vorgelegten Studie, der von den „Göttern der Globalisierung“ spricht, mag manchen übertrieben erscheinen, entstammt aber genau dieser Erfahrungswelt vieler Menschen im Süden, die in der einseitigen Orientierung an Gewinn, in der Jagd nach Profit und dem Streben nach Luxus, die mit dem Ethos des neuen „homo economicus“, der von der Globalisierung hervorgebracht wird, nur eine Vergötzungmaterieller Werte sehen können. „Mammon“ ist der Name dieses Gottes, der Menschen magisch anzuziehen scheint, der aber auch – wie besonders lateinamerikanische Theologinnen und Theologen heute sagen – Opfer fordert, die auf dem Altar dieses Götzen dargebracht werden.

 

Die hier vorgelegte Studie ist von der Überzeugung geprägt, dass es in dieser Situation heute ganz besonders darauf ankommt, sich für eine Globalisierung einzusetzen, die menschliche Werte wie Gerechtigkeit, Frieden, Versöhnung und Bewahrung der Schöpfung in den Vordergrund rückt. Auf die Stimmen der Menschen, die Globalisierung als problematisches Phänomen erfahren, zu hören, auf ihre kritischen Fragen zu achten und an ihren Suchbewegungen nach Alternativen teilzunehmen, ist das Anliegen dieser Publikation.

 

Durchgeführt wird dieses Anliegen in der hier vorgelegten Studie im wesentlichen in zwei Schritten. Zunächst wendet sich der Verfasser den biblischen Schriften zu und fragt, aus der Perspektive der Menschen, die eher am Rande des großen Weltgeschehens stehen, nach der Stadien und Prozessen der Auseinandersetzungen des Volkes Israel und der Nachfolger Jesu mit den politischen Mächten ihrer Zeit. Manche Details der Darstellung werden Fachexegeten, zu denen der Autor nicht gehört, anders beurteilen oder gewichten, aber man wird doch sehen müssen, dass eine sozialgeschichtliche Auslegung biblischer Traditionszusammenhänge, wie sie hier verfolgt wird, die biblischen Texte gerade für die Menschen, die nicht zu den Gewinnern der Globalisierung gehören, in neuer Aktualität erschließt.

 

Steht schon dieser biblisch orientierte Teil im Gespräch mit theologischen Stimmen aus dem Süden, insbesondere mit einer Methodik biblischer Textauslegung, wie sie in den Befreiungstheologien entwickelt wurde, so wendet sich der zweite Teil den ökumenischen Stimmen aus dem Süden zur Globalisierung direkt zu. Exemplarisch präsentiert werden nicht nur theologisch orientierte Diskurse zur Globalisierungsthematik aus Lateinamerika, Asien und Afrika, sondern auch die Diskussionsprozesse im Ökumenischen Rat der Kirchen, in konfessionellen Weltbünden, evangelikalen Vereinigungen und anderen internationalen Zusammenhängen. Am Ende dieses Teils steht dann ein Blick auf die Beratungen der EKD-Synode zur Frage der Globalisierung, ehe am Schluss der Studie Schritte „Auf dem Wege zu einer anderen Globalisierung“ angedeutet werden. Was hier thesenhaft und programmatisch skizziert wird, soll in den beiden folgenden Bänden anhand der internationalen Wasserwirtschaft und im Blick auf praktische Vorschläge zu einer alternativen Globalisierung entfaltet und noch sehr viel deutlicher konkretisiert werden.

 

Nicht zuletzt die ausführlichen Fußnoten zeigen an, dass die hier vorgelegte Studie vor allem als ein Lesebuch gemeint ist, das Einblick in das Nachdenken über Globalisierung in theologischen Diskursen außerhalb Deutschlands und Europas geben will. Die Studie gibt nicht Antwort auf alle Fragen zur Globalisierung, vielmehr will sie die Frage nach der Globalisierung vertiefen und verschärfen, indem sie an biblisch-theologische Fundamente erinnert, die Grundlage einer Auseinandersetzung mit der Globalisierung aus christlicher Perspektive sein sollten.

 

Hamburg, im Juli 2002

 

Dr. Klaus Schäfer

 

Leiter der Abteilung Studien und Öffentlichkeitsarbeit im Evangelisches Missionswerk in Deutschland (EMW)

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Gott und die Götter der Globalisierung - Die Bibel als Orientierung für eine andere Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

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