Konflikte um Flüsse und Seen

 

Sie werden zunehmend härter, die Verteilungskämpfe um das Wasser von mehr als 200 größeren Flüssen und Seen, die durch mehrere Länder fließen. Etwa 40 Prozent der Menschheit leben an einem dieser grenzüberschreitenden Gewässer­sys­teme. Besonders im Nahen Osten gibt es eine ganze Reihe von Konflikten um Wasserrechte, die durchaus Kriege auslösen könnten, insbesondere am Jordan und seinen Zuflüssen. In anderen Weltregionen verhindern Verträge den Ausbruch von offenen Konflikten oder sogar Feindseligkeiten. Ein positives Beispiel ist der Vertrag zwischen Indien und Pakistan über die Nutzungsrechte des Wassers des Indus und seiner Nebenflüsse aus dem Jahr 1960. Indien verpflichtete sich, auf alle wasserbaulichen Maßnahmen am Oberlauf des Indus zu verzichten, die die Wassermenge vermindern würden. Das sichert die pakistanische Nutzung von Indus-Wasser. Dafür hat Indien vertraglich das Recht erhalten, die östlichen Zuflüsse des Indus allein nutzen zu können, insbesondere für Bewässerungsvorhaben. Dieser Vertrag hat trotz Kriegen und Gefechten zwischen den Armeen beider Staaten seit mehr als vier Jahrzehnten Bestand. Auch die vertragliche Zusammenarbeit der meisten Staaten am Mekong hat sich selbst in Krisenzeiten als stabil erwiesen.

 

An anderen Flüssen gilt das „Recht des Stärkeren“, das heißt, dass einer der Anrainer des Flusssystems militärisch so überlegen ist, dass die anderen sich fügen müssen. Wenn Verträge existieren, spiegeln sie dieses Machtverhältnis wider. Das ist zum Beispiel an Euphrat und Tigris der Fall, wo die Türkei militärisch weit überlegen ist. Grundsätzlich sind die Staaten an den Oberläufen der Flüsse in einer besseren Ausgangsposition, weil sie Wasser stauen und für Bewässerungszwecke nutzen können, während den Anrainer am Unterlauf nicht viel mehr übrig bleibt, als dies hinzunehmen, wenn sie nicht zum extremen Mittel eines Krieges greifen wollen. Ist der Staat am Oberlauf dazu noch militärisch so stark wie zum Beispiel Indien, hat ein Land wie Bangladesch am Unterlauf des Ganges wenig Aussichten, seine Wasseransprüche gegen den mächtigen Nachbarn zu wahren.

 

Konflikte bestehen auch an großen Seen, die Ländergrenzen überschreiten. Beispiele sind Konflikte am Viktoriasee in Ostafrika und am Malawisee im Grenzgebiet von Malawi und Tansania. Besonders brisant wird die Situation, wenn die Wassermenge eines Sees drastisch abnimmt, wie dies am Aralsee und am Tschadsee der Fall ist. In diese Konflikte sind dann auch jene Staaten involviert, die mit einer wasserintensiven Landwirtschaft und Staudämmen das Wasservolumen beeinflussen, das über die Zuflüsse im See ankommt.

 

Die sehr unterschiedlichen Interessen der zahlreichen Staaten, die an grenzüberschreitenden Gewässern liegen, haben es bisher schwer gemacht, zu weltweit verbindlichen Regelungen über die Rechte und Pflichten von Staaten an diesen Gewässern zu gelangen. In UN-Gremien bilden so unterschiedliche Staaten wie die Türkei und Äthiopien eine Koalition der Oberanlieger von Flüssen, denen ein mindestens so heterogenes Bündnis der Unteranlieger gegenübersteht, zu dem zum Beispiel Syrien, die Niederlande und Brasilien gehören. Ein Einvernehmen ist so allenfalls auf der Basis des kleins­ten gemeinsamen Nenners zu erwarten – und der ist bei diesem konfliktreichen Thema sehr klein.

 

Der immer härter werdende ökonomische Wettkampf bestimmt zum Beispiel auch die Konflikte zwischen Farmern in den USA und Mexiko um das Wasser des Grenzflusses Rio Grande/Rio Bravo. Auch innerhalb von Ländern mit Wasserknappheit nehmen die Konflikte um das kostbare Nass zu. Die Auseinandersetzungen um das Wasser des Ebro sind ein Beispiel dafür. Die frühere spanische Regierung unter Ministerpräsident Aznar wollte große Mengen Wasser des nordspanischen Flusses in den trockenen Süden des Landes pumpen, um dort den Wasserbedarf der Landwirtschaft und des Tourismus besser decken zu können. Das stieß auf den massiven Widerstand der Bevölkerung am Ebro, und der Plan wurde schließlich aufgegeben – was aber zu Demonstrationen in Süd­spanien gegen die neue Wasserpolitik führte.

 

Es besteht die Gefahr, dass steigender Wasserverbrauch (vor allem in der Landwirtschaft), die Folgen des Klimawandels, gefährliche Schadstoffeinleitungen an den Oberläufen der Flüsse sowie weitere Faktoren zur Verschärfung dieser Konflikte führen. Am Beispiel einiger Gewässer wird dargestellt, welche Ursachen die Auseinandersetzung um ihre Kontrolle haben, welche Risiken damit verbunden sind und welche Lösungen möglich erscheinen.

 

© Frank Kürschner-Pelkmann