Weihnachten - und nicht nur Weihnachten - sind wir aufgefordert, die Armen im eigenen Ort und in der Welt zu unterstützen, damit das Fest für alle ein Fest der Freude wird.
Weihnachten - und nicht nur Weihnachten - sind wir aufgefordert, die Armen im eigenen Ort und in der Welt zu unterstützen, damit das Fest für alle ein Fest der Freude wird. Foto: iStock.com/Canetti

Weihnachten: Ein Anlass zur Umkehr und zum Engagement

 

Der evangelische Theologe Martin Koschorke schreibt in seinem Jesus-Buch über die Bedeutung des Weihnachtsgeschehens bis heute: „Weihnachten feiert die Ankunft des Göttlichen in der Welt. Zugleich erfahren wir, wie Gott sich seine Welt vorstellt. Sie ist überraschend, ganz anders, als wir Menschen sie eingerichtet haben. Mit Weihnachten kommt Gottes ‚Reich’ – in heutiger Sprache wird man wohl eher sagen: Gottes Gegenwart oder Gottes Wirklichkeit – in unser Leben. Die menschlichen Vor­stellungen von Gott werden radikal umgekehrt. Das hat Folgen: Eine ganze Reihe menschlicher Spielregeln wird infrage gestellt.“[1] Wenn Gott „unsere Welt auf den Kopf“ stellt, hat das für Martin Koschorke konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Wenn Gottes Liebe auf die Welt kommt, dann verändert sich diese Welt, auch wenn es politisch Mächtigen seit Kaiser Konstantin gelungen ist, die christliche Religion dafür zu missbrauchen, der eigenen Machtausübung eine re­li­giöse Rechtfertigung zu verleihen. Es bleibt für den evangelischen Theologen dabei: „Im Angesicht von Gottes Gegenwart fallen menschliche Hierarchien in sich zusammen.“[2]

 

Die damalige Hamburger Bischöfin Maria Jepsen stellte kurz vor Weihnachten 2007 ebenfalls die Verbindung zwischen dem Kind in der Krippe, dem erwach­se­nen Jesus und den heutigen sozialen Fragen heraus: „Das Kind in der Krippe ist später ja der erwachsene Jesus. Heiligabend ist ein Geburtstag, den wir feiern, an dem wir aber auch daran erinnert werden, dass Glaube die Wirklichkeit nicht ausblendet und dass Gott da anfassbar ist, wo Menschen in Armut und Elend leben.“[3] Im Blick auf die Kinder sagte die Bischöfin in einer Weihnachtspredigt: „Kinder dürfen kein Armutsrisiko bedeuten, brauchen unser aller Schutz, nicht nur zu Weihnachten.“[4] Wenn wir von der Bibel lediglich die Geburtsgeschichte kennen würden, wie sie Lukas überliefert hat, wüssten wir sehr viel von Gottes Willen, ist Maria Jepsen überzeugt: „Und wir wüssten, allein aus diesen paar Zeilen, die Art auch, wie er sich in die menschliche Geschichte, in unser Leben einmischen will. Absolut gewaltlos. Absolut unerhaben. Absolut herrschaftslos und absolut unbedrohlich. In Windeln gewickelt ein Kind, das in einer Krippe liegt. Das ist der Anfang eines Weges Gottes auf Erden.“[5]

 

Die Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter besuchte regelmäßig am Heiligabend die Gefangenen in einem Frauengefängnis und sagte dazu 2002: „An Weih­nachten denken wir besonders an die, die oft vergessen werden. Gefangene brauchen Zuwendung und Aufmerksamkeit, um nach der Haftzeit den Weg wieder zurück in die Gemeinschaft zu finden.“[6] Auf Weihnachtsgeschenke verzichtet die Bischöfinnenfamilie, erzählte sie 2003 einem Journalisten: „Das macht Weihnachten stressarm, und es bleibt mehr übrig für Brot für die Welt und andere Bedürftige.“[7]

 

Ganz ähnlich wie die Lübecker Bischöfin hat sich am 23. Dezember 2010 auch Andreas von Malzahn, der Landesbischof von Mecklenburg, geäußert. Er hob in einer Weihnachtsbotschaft hervor, dass Gott im Abseits der Weltgeschichte zur Welt gekommen ist und dass ihm die Menschen am Rande am Herzen liegen: „Das ruft Christen in besonderer Weise zur Verantwortung und Parteinahme für die Benachteiligten unserer Zeit: für Kinder, deren soziale Herkunft ihnen noch immer bestimmte Bildungswege verschließt; für alte Menschen, die vereinsamen; für Soldaten, die in Kampfeinsätzen traumatisiert wurden; für Haftentlassene, die es schwer haben, ‚draußen’ wieder Fuß zu fassen und eine Arbeit zu finden; für Frauen, Männer, Kinder, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind; für Menschen, die am Rande ihrer Kraft arbeiten und sich vom Leben überfordert fühlen. Wo wir uns zu Nächsten dieser Menschen machen, ist Gott uns nahe.“[8]

 

Auf eine andere Verhaltensänderung zu Weihnachten drängt Rainer Hagencord, der Leiter des Instituts für Theologische Zoologie in Münster. Der katholische Theologe forderte im Dezember 2010 in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, weniger Fleisch zum Weihnachtsessen zu servieren: „Ich bin empört darüber, wie sehr der Fleischkonsum als globales Problem verharmlost wird.“[9] Er fügte hinzu: „Die Kirche spricht zwar immer von der Bewahrung der Schöpfung, aber Puten, Hühner, Schweine, Rinder tauchen dabei nicht auf.“[10]

 

 

 

© Frank Kürschner-Pelkmann

 

 

 



[1] Martin Koschorke: Jesus war nie in Bethlehem, Darmstadt 2007, S. 100

[2] Ebenda, S. 110

[3] „Weihnachten ist auch immer ein Nachhausekommen“, Gespräch mit Maria Jepsen und Werner Thissen, Hamburger Abendblatt, 24.12.2007

[4] Weihnachten ist nicht nur ein Märchen, Hamburger Abendblatt, 24.12.2007

[5] Maria Jepsen: Das Kind, das die Welt bewegt, Publik-Forum, 24/1999, S. 30

[6] Landesregierung Schleswig-Holstein, Pressemitteilung, Justizministerin Lütkes und Bischöfin Wartenberg-Potter besuchen JVA Kiel, 19.12.2002

[7] Gefängnisbesuch und Geschenkeverzicht für Brot für die Welt, epd-Nord, 19.12.2003

[8] Andreas von Malzahn: Weihnachten – etwas von Gott erkennen, 23.12.2010, zu finden auf www.kirche-mv.de

[9] Theologe fordert: Weniger Fleisch zum Weihnachtsessen, Deutsche Presse Agentur, 18.12.2010, u. a. veröffentlicht von www.focus.de

[10] Ebenda