Schritte zu einer anderen Globalisierung – Waren und Dienstleistungen

 

1 Während der vorherrschende Trend darin besteht, den Handel mit Waren und Dienstleistungen zu globalisieren, kommt es vor allem aus ökologischen Gründen darauf an, lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern. Eine Konsequenz ist, bei Einkäufen darauf zu achten, dass eine Ware aus der näheren Umgebung stammt und sich möglichst auf das Obst und Gemüse zu beschränken, das gerade im heimischen Angebot ist. Ebenso gilt es, im politischen Raum dazu beizutragen, dass regionale Versorgungsstrukturen gefördert werden, zum Beispiel bei der Energieerzeugung. Es gibt in der Gesellschaft große Erwartungen, dass die Kirchen und ihre Mitglieder sich aktiv an diesen Prozessen beteiligen.

 

2 Um der Bevölkerung verantwortliche Entscheidungen beim Kauf von Waren und Dienstleistungen zu ermöglichen, sind einheitliche Siegel für Produkte erforderlich, die ökologisch und sozial verantwortlich produziert worden sind. Daneben ist es notwendig, die Einrichtungen zur Verbraucherinformation auszubauen, damit Waren und Dienstleistungen noch umfassender geprüft und die Verbraucherinnen und Verbraucher noch besser beraten werden können. Ein Ergebnis könnte sein, dass Anbieter von ökologisch bedenklichen und unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen hergestellten Waren viele potenzielle Käuferinnen und Käufer verlieren. Systematische Analysen und Prüfungen sowie eine umfassende Aufklärung sind deshalb die Grundlage dafür, dass viele Missstände der heutigen globalen Wirtschaft zumindest eingeschränkt werden können.

 

3 Die Produkte des Fairen Handels müssen besser beworben und vermarktet werden, um aus ihrer heutigen kleinen Nische herauszukommen. Auch sollte der Anteil von Waren weiter gesteigert werden, die ökologisch unbedenklich erzeugt oder produziert werden. Ebenso kommt es darauf an, den Fairen Handel noch stärker als eine Alternative zur vorherrschenden Globalisierung zu profilieren und dafür die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich weiter auszubauen.

 

4 Der öffentliche Sektor sollte gestärkt werden, damit er noch wirksamer und nachhaltiger lebenswichtige Güter wie Wasser in hoher Qualität und zu günstigen Preisen zur Verfügung stellen kann. Dies erfordert einerseits ein stärkeres kommunales Engagement für das eigene Wasserwerk oder die eigenen Stadtwerke, andererseits eine Verhinderung von Privatisierungen, wenn öffentliche Betriebe besser geeignet sind, ökologische und soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen als auf Gewinn ausgerichtete Unternehmen. Eine Qualitätsverbesserung der öffentlichen Betriebe ist ein wichtiger Beitrag zu einer anderen Globalisierung.

 

5 Damit der öffentliche Bereich eine Zukunftsperspektive hat, gilt es, ihn zu stärken, statt ihn schlechtzureden. Diejenigen, die behaupten, private Unternehmen seien immer effizienter und kostengünstiger als öffentliche Einrichtungen müssen dafür den Nachweis erbringen und auch zeigen, dass die Kosteneinsparungen nicht primär daraus resultieren, dass den Beschäftigten schlechtere Lohn- und Arbeitsbedingungen angeboten werden. Gerade in Fragen des öffentlichen Dienstes muss eine offensive Auseinandersetzung mit den Verfechtern des Neoliberalismus stattfinden.

 

6 Am Beispiel des Dienstleistungsabkommens GATS zeigt sich, dass eine größere Transparenz in den Entscheidungsprozessen die Grundvoraussetzung dafür ist, Alternativen zu einer totalen Marktöffnung zu entwickeln und durchzusetzen. Die Geheimhaltung und die Schaffung vollendeter Tatsachen sind nur für diejenigen Wirtschaftsverbände von Vorteil, die in die Entscheidungen über Liberalisierungsprozesse einbezogen werden.

 

7 Mit der Transparenz müssen eine öffentliche Debatte und demokratische Entscheidungsprozesse über existenzielle Fragen wie die Öffnung des eigenen Landes für große multinationale Dienstleistungskonzerne verbunden werden. Ein Beitrag der Kirchen kann darin bestehen, ihre weltweiten Verbindungen zu nutzen, um einen Erfahrungsaustausch und gemeinsame Kampagnen zu Fragen der internationalen Liberalisierung des Waren- und Dienstleistungshandels zu fördern.

 

8 Bei der Entscheidung über die Frage, ob eine Liberalisierung im internationalen Waren- und Dienstleistungsbereich erfolgen soll, müssen ökologische und soziale Gesichtspunkte eine wichtige Rolle bekommen. Damit solche Begrenzungen des Handels nicht als Maßnahmen gegen die Länder des Südens gebraucht werden oder so erscheinen, ist es erforderlich, sich auf gemeinsame soziale und ethische Standards zu verständigen.

 

9 Die Weltarbeitsorganisation ILO hat hierfür schon wichtige Beiträge geleistet. Auch im Umweltbereich gibt es Prozesse der internationalen Verständigung auf Mindeststandards. Auslandsinvestitionen können zum wirtschaftlichen Aufbau von Ländern beitragen. Dies wird aber nur dann der Fall sein, wenn die Investoren eine Reihe von ökologischen, sozialen und entwicklungspolitischen Anforderungen erfüllen. Weitsichtige Unternehmen erfüllen solche Anforderungen von sich aus, halten also zum Beispiel die gleichen Umweltstandards in ärmeren Ländern des Südens ein wie in Europa oder Nordamerika. Damit sich aber alle Unternehmen an solchen Standards orientieren, sind nationale Gesetze und Verordnungen und verbindliche internationale Abkommen erforderlich, die auch eine unabhängige Überprüfung der eingegangenen Verpflichtungen vorsehen. Ebenso kann die Zivilgesellschaft, einschließlich der Kirchen, in den einzelnen Ländern dazu beitragen, Missstände aufzudecken.

 

10 Da immer häufiger Subunternehmen mit oft undurchsichtigen Eigentumsverhältnissen damit beauftragt werden, die Billigproduktion für den Weltmarkt unter Missachtung der fundamentalen Rechte der Beschäftigten und der auch nur minimalsten Standards des Umweltschutzes durchzuführen, ist es erforderlich, den internationalen Unternehmen, die diese Waren kaufen und in Europa und Nordamerika auf den Markt bringen, ihre Verantwortung bewusst zu machen. Es gibt bereits eine Reihe von Unternehmen, die überwachen, dass ihre Lieferanten zum Beispiel keine Kinder als Arbeiter in der Produktion einsetzen.

 

11 Die Alternative zum „freien“ Welthandel ist ein Welthandel, der auf verbindlichen Regeln im Blick auf soziale, ökologische und ethische Fragen beruht. Ein solches Konzept bringt der WTO völlig neue Aufgaben, die sie nur in enger Zusammenarbeit mit UN-Organisationen wie der ILO und dem UN-Umweltprogramm UNEP wahrnehmen kann.

 

12 Die Kirchen und ihre Mitglieder müssen sich intensiver mit komplexen Fragen wie den GATS-Verhandlungen beschäftigen, um fundiert in die öffentliche Debatte einzugreifen und dabei ihre vielfältigen globalen Verbindungen zu nutzen. Neben der Kritik an den bestehenden Verhältnissen kommt es darauf an, Alternativen (zum Beispiel im Bildungsbereich) aufzuzeigen, die sich daran orientieren, eine wirklich nachhaltige und gerechte Zukunft für die Menschheit und die ganze Schöpfung zu ermöglichen. Kirchliche Entwicklungsorganisationen und Missionswerke mit ihren weltweiten ökumenischen Verbindungen können zu diesem Prozess wichtige Beiträge leisten.

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

 

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

 

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann