Uta Ranke-Heinemann - eine streitbare katholische Theologin

 

„Die ganze Weihnachtsgeschichte ist eine Legende. Jesus ist Mensch und nicht Gott. Gott, der Urheber des Universums, ist unser aller Schöpfer. Jesus hat Wunderbares gesagt, z. B. ‚Selig sind die Friedensstifter’. Aber vieles wurde ihm nachträglich in den Mund gelegt: z. B. die Hölle. Er war ein Anti-Höllen-Prediger. Gott hat Himmel und Erde geschaffen – die Hölle haben die Menschen hinzuerfunden. Trotzdem: Für mich war Weihnachten mit meinen geliebten Eltern und Geschwis­tern und meiner geliebten Großmutter, Hanna Heinemann, ein wunderbares Fest. Ein Fest des Glücks.“[1] Das hat die katholische Theologin Uta Ranke-Heinemann 2010 in einem Interview auf die Frage geantwortet, was von Weihnachten bleibt, wenn man die Legenden abzieht.

 

Geboren wurde Uta Heinemann am 2. Oktober 1927. Über ihre Kindheit sagte sie 2010 in einem Interview: „Ich war ein frommes und glückliches Kind frommer, geliebter Eltern – und das christliche Hochfest war für mich das Weihnachtsfest.“[2] Aber das Glück war getrübt, denn Uta wuchs unter der Herrschaft der Nationalsozialisten auf. Ihre Eltern, Gustav Heinemann und seine Frau Hilda, waren gegen die Nazis eingestellt. Deshalb überraschte es die Tochter, dass die Eltern einen Kellerraum für Treffen der BDM-Gruppe zur Verfügung stellten, zu der auch Uta Heinemann gehörte. Erst später erfuhr sie, dass dies der Verschleierung diente, denn in dem Keller wurde nachts die illegale Zeitschrift „Grüne Blätter“ gedruckt. Gustav Heinemann war in der „Bekennenden Kirche“ aktiv und Sprecher der Synodalen des Rheinlands in dieser Vereinigung der kirchlichen Gegner des Naziregimes. Die Zeitschrift war ein wichtiges Organ die­ser Gruppe im Rheinland. Eines Tages wurde die Tochter Uta von einer Schulfreundin gefragt, was denn in ihrem Hause vorginge. Ihr Vater, ein Parteifunk­tionär, habe vor, das herauszufinden. Uta erzählte dies zu Hause, und daraufhin wurde der Vervielfältigungsapparat ganz schnell woanders hingebracht.[3]

 

Angesichts der verheerenden Luftangriffe auf Essen, insgesamt waren es 272, floh Hilda Heinemann am 5. März 1943 mit ihren Kindern aus der Stadt. Nach einer Odyssee wurde die Tochter Uta in der Familie von Professor Rudolf Bultmann in Marburg untergebracht, und kam so zu dem berühmten evangelischen Theologen, der mit dem Ziel einer „Entmythologisierung“ des Neuen Testaments für Furore sorgte. Uta Heinemann wurde dort sehr freundlich aufgenommen, und Professor Bultmann half dem Mädchen, die Philosophie Platons kennenzulernen. Im Rückblick auf die Zeit bei ihrem „ent­scheidenden Lehrer“ schrieb Uta-Ranke-Heinemann: „Die Erinnerung an Ru­dolf Bultmann, den Gelehrten voller Hilfsbereitschaft, den Aufgeklärten voller Fröm­mig­keit, hat mich durch mein Leben begleitet, als mir die Zweifel größer wurden. Aber gleichzeitig hat mich sein Beispiel gelehrt, dass auch der Skeptiker ein Christ sein kann, wenn auch nicht auf die herkömmliche Weise.“[4]

 

Ihren späteren Mann lernte die Schülerin kurz nach dem Krieg am traditionsreichen Essener Burggymnasium kennen, wo sie – wegen ihres großen Interesses am Griechischen – als erstes Mädchen zugelassen wurde und nun zusammen mit 800 Jungen lernte. Sie lernte dort gern: „Meine Zeit auf dem Burggymnasium betrachte ich immer noch als eine schöne und sogar lustige Zeit, obwohl es eine Hungerzeit war.“[5] Edmund Ranke war fünf Jahre älter als seine Mitschüler. Er war 1941 aus der 11. Klasse heraus zur Wehrmacht eingezogen worden und hatte als Jugendlicher alle großen Schlachten des Krieges miterlitten, von Stalingrad bis zur Normandie-Invasion. Nun saß er nach all seinen schrecklichen Erlebnissen wieder auf der Schulbank.

 

Als sich Uta Heinemann in Edmund Ranke verliebte, war ihr Vater entsetzt, denn der Mitschüler war Katholik. Gustav Heinemann tat alles, um eine engere Verbindung der beiden zu verhindern und schickte seine Tochter sogar zum Theologiestudium ins Ausland. Vergeblich. Es wurde trotzdem geheiratet. Dass Uta Ranke-Heinemann zum Katholizismus übertrat, um ihren Vater zu ärgern, ist allerdings eine Legende. Ihre tatsächlichen Beweggründe hat sie im Rückblick in einem Interview 2005 beschrieben: „Mein Mann, mit dem ich seit meinem 17. Lebensjahr 56 Jahre unzertrennlich gewesen bin, war katholisch. Ich dachte alle Katholiken seien so sanft und tolerant wie er. Auch fand ich die katholische Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe gut, denn ich bin total monogam.“[6]

 

Streit um die Jungfrauengeburt

 

Uta Ranke-Heinemann studierte nach dem Abitur von 1947 bis 1953 evangelische Theologie und fügte nach ihrem Übertritt zum Katholizismus am 25. September 1953 ein Studium der katholischen Theologie hinzu. Nach der Promotion (Hauptgutachter: Karl Rahner) wurde die junge Theologin Dozentin an einem Katechetinnenseminar in Bonn und ab 1965 an der Pädagogischen Hochschule in Neuss. 1969 habilitierte sie sich als erste Frau auf der Welt in katholischer Theologie und unterrichte weiter in Neuss. 1980 wurde sie an die Universität Duisburg und 1985 an die Universität Essen berufen, wo sie Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche lehrte.

 

Dass sie sich dabei intensiv mit den Legenden im Christentum beschäftigte und diese auch deutlich als solche bezeichnete, hat ihr viel Ärger in ihrer Kirche eingebracht. Dass sie die Weihnachtsgeschichte ein „Weihnachtsmärchen“ nannte, bildete einen Contrapunkt zu all den vielen Weihnachtspredigten, in denen das Geschehen so beschrieben wird, als handle es sich um ein historisch genau überliefertes Ereignis. Der Konflikt von Uta Ranke-Heinemann mit der Leitung ihrer Kirche spitz­te sich an der Frage der Jungfrauengeburt zu. Dass diese Geburt Jesu durch Maria nicht im biologischen Sinne als Jungfrauengeburt zu verstehen ist, hatten vor ihr schon bekannte Theologen wie Karl Rahner und Joseph Ratzinger, der spätere Papst, geschrieben, ohne dass dies eine große Wirkung in der Öffentlichkeit gehabt hätte. In Joseph Ratzingers Buch „Einführung in das Christentum“ kann man lesen: „Die Gottessohnschaft Jesu beruht nach kirchlichem Glauben nicht darauf, dass Jesus keinen menschlichen Vater hatte; die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht an­getastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre. Denn die Gottessohnschaft, von der der Glaube spricht, ist kein biologisches, sondern ein ontologisches Faktum; kein Vorgang in der Zeit, sondern in Gottes Ewigkeit.“[7]

 

Uta Ranke-Heinemann äußerte sich zu diesem Thema pointiert im Fernsehen, und so, dass alle sie verstanden. In einer WDR-Sendung aus dem Marienwall­fahrtsort Kevelaer bekundete sie am 15. April 1987: „Viele Juden sind umgebracht worden, weil sie nicht an die Jungfrauengeburt glauben konnten. Und ich kann das auch nicht.“[8] Am 13. Juni 1987 verteidigte sie ihre Position in einer Diskussionssendung des WDR und berief sich auf Karl Rahner und Joseph Ratzinger. Der Dominikanerpater Willehad Paul Eckert, der für die Diözese Essen an der Fernsehdiskussion teilnahm, entgegnete: „Was Ratzinger und Rahner sagen, ist falsch, Sie dürfen sich nicht auf sie berufen.“[9] Zwei Tage später entzog der Essener Bischof Franz Hengstbach der Professorin die Lehrbefugnis für katholische Theologie.

 

Uta Ranke-Heinemann verlor ihren Lehrstuhl für katholische Theologie und erhielt ersatzweise einen von der Kirche unabhängigen Lehrstuhl für Religionsge­schichte an der Universität Essen. Mit dem Buch „Nein und Amen“ fand sie 1992 bundesweit Beachtung – viel Zustimmung und ebenso viel Kritik. Sie ist trotz aller gegen sie gerichtete Angriffe nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten. 1997 wurde sie mit dem Satz zitiert: „Ich wüsste im Moment auch gar nicht, wo ich hintreten sollte.“[10] Ihr Ziel bleibe es, die Kirche zu verändern.

 

Der Tod ihres geliebten Mannes Edmund am 11. September 2001 hat Uta Ranke-Heinemann dazu veranlasst, intensiver über die Grundfragen von Leben und Tod nachzudenken. „Das Einzige, das Positive, was mir vom Christentum geblieben ist … ist die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit den geliebten Toten.“[11]

 

Ein langjähriges politisches Engagement

 

Neben der Beteiligung an theologischen Debatten hat sich Uta Ranke-Hei­ne­mann auch politisch engagiert. Beispielsweise trat sie für das Verbot von Napalm ein und ebenso für die Abschaffung von Atomwaffen. 1972 reiste sie während des Vietnamkrieges demonstrativ nach Hanoi, überbrachte Hilfsgüter und forderte von den USA die Beendigung dieses Krie­ges.[12] In den 1980er Jahren war sie aktiv in der Frie­densbewegung und hielte zahlreiche An­sprachen bei Kundgebungen und Demon­stra­tionen.

 

1999 kandidierte Uta Ranke-Hei­ne­­mann für die PDS für das Bundespräsidententamt. Wie es zu der Kandidatur kam, hat sie in einem „Stern“-Inter­view beschrieben: „Das woll­­te ich nie! Bisky von der PDS rief an – ich war gerade beim Kartoffelschälen – und fragte, ob ich kandidieren würde. Weil das eine gute Möglichkeit war, gegen den Kosovo-Krieg zu protestieren, habe ich’s gemacht. Ich fand damals komisch, dass mich die PDS einstimmig zur Kandidatin gewählt hat, ohne mich überhaupt zu kennen. Mein Mann meinte: ‚Komischer wäre gewesen, wenn sie dich gewählt hätten, obwohl sie dich kennen.’“[13] Wie zu erwarten, blieb Uta Ranke-Heinemann bei der Wahl chancenlos, und ihr angeheirateter Neffen Johannes Rau wurde neuer Bundespräsident.

 

2003 wurde die streitbare Theologin mit dem „Blütenfest-Award“ ausge­zeich­net, der von Lesben-, Schwulen- und AIDS-Organisationen in Essen vergeben wurde, weil sie, betonte Klaus-Peter Hackbarth von der Essener AIDS-Hilfe, „mit ihrem langjährigen Wirken auch ein Stück weit dazu beigetragen hat, die Diskriminierung von Schwulen und Lesben in der Stadt Essen abzubauen“.[14]

 

Weihnachten ohne Märchen

 

Das Weihnachtsfest war für Uta Ranke-Heinemann in der Kindheit „das Zaubertor zum Christentum“: „Das Christkind in der Krippe, die Hirten auf dem Feld, die singenden Engel, die drei Könige mit ihren Gaben …“.[15] Aber es bekümmerte sie, dass diese Zaubergeschichte kein schönes Ende haben sollte, dass ihr gesagt wurde, dass das Kind am Ende einen schlimmen Tod gestorben ist. Da tröstete sie nicht das Abendgebet, das ihre Eltern jeden Abend mit ihr beteten und das mit diesen Zeilen endete:

 

Deine Gnad und Jesu Blut

macht ja allen Schaden gut.[16]

 

Von dieser Vorstellung hat sie sich später radikal gelöst. Sie sagt inzwischen: „Eine blutige Erlösung am Kreuz ist eine heidnische Menschenopferreligion nach religiösem Steinzeitmuster.“ Von dem Mann, der am Kreuz starb, schrieb Uta Ranke-Heinemann: „Jesus ist Mensch und nicht Gott.“[17] Irritiert hat Uta Ranke-Heine­mann auch das, was im Glaubensbekenntnis über Jesus gesagt und nicht gesagt wird. Über die Zeit zwischen der Geburt und der Kreuzigung unter Pontius Pilatus wird im Glaubensbekenntnis nichts erwähnt. Und in ihrer pointierten Sprache formulierte die Theologin: „Dazwischen ist eine Lücke. Jesus hätte genauso gut zu Hause sitzen und Kreuzworträtsel lösen können, für das Credo der Christen spielt keine Rolle, was er zu Lebzeiten sagte oder tat.“[18] Und sie setzt da­gegen: „Aber Jesus ist geboren, um zu leben. Und er hat gelebt. Und seine Worte haben die Menschen in großen Massen angezogen.“[19]

 

Ablehnung einer Jungfrauengeburt

 

Die Weihnachtsgeschichte ist für Uta Ranke-Heinemann nur ein Märchen: „Denn in Wahrheit kommt niemals ein Engel in unseren Alltag, um große Freude zu verkünden. In Wahrheit hält niemals ein Märchen dem Leben stand.“[20] Die Theologin setzt sich in ihrem Buch „Nein und Amen“ kritisch mit den vielen Unstimmigkeiten in den Geburtsberichten von Matthäus und Lukas auseinander. Auch steht Uta Ranke-Heinemann weiterhin der Vorstellung der Jungfrauengeburt ablehnend gegenüber. Sie verweist darauf, dass dieser Gedanke dem Judentum fremd ist und nicht mit der Geburt des Messias verknüpft wird.[21] In einer hellenistischen Umwelt hingegen konnte „eine solche wunderbare Geburt als Erweis der Göttlichkeit des Erlösers durchaus nützlich sein“.[22] Ihr Schluss dar­aus: „Die Jungfrauengeburt des Neuen Testaments ist also durch die Erwartung der heidnischen Umwelt diktiert.“[23]

 

Nun wusste man im ersten Jahrhundert nichts davon, dass es ein weibliches Ei gibt, denn das wurde erst 1827 entdeckt. Daher konnten Matthäus und Lukas, argumentiert Uta Ranke-Heinemann, davon ausgehen, dass der Geist Gottes allein das Jesuskind hervorgebracht hatte: „Die Erschaffung Jesu sollte ganz und gar Gottes ausschließliches Schöpfungswerk sein, vergleichbar mit der Erschaffung Adams aus einem Erdenkloß.“[24] Für die kritische Theologin hat sich alles verändert, seit das weibliche Ei entdeckt wurde, denn nun müsste man die Zeugung Jesu, wie sie von Matthäus und Lukas beschrieben wird, „als die notwendigerweise konzertierte Aktion zwischen Gott und einer Frau“ ansehen.[25] Die Vorstellung von einer biologischen Jungfrauengeburt lasse sich nach dieser Entdeckung nicht mehr aufrechterhalten, die „Idee nämlich, dass Gott der allein Wirkende ist“.[26] Im Glauben von Uta Ranke-Heinemann ist Maria die Mutter Jesu und nicht die Gottesmutter.[27]

 

Viele, die das Magnifikat der Maria hoch schätzen, wird überraschen, dass Uta Ranke-Heinemann es ihr aberkennt. Sie vertritt die Auffassung, dass es wahrscheinlich von Lukas ursprünglich Elisabeth in den Mund gelegt wurde. So steht es nicht nur in einigen älteren lateinischen Handschriften, sondern erscheint der Theologin auch logischer. Der Lobgesang knüpft an den Lobpreis der Hanna an, die wie Elisabeth lange Zeit vergeblich auf ein Kind gewartet hatte und Gott lobte, als sie endlich Mutter wurde. Außerdem verweist der Vers direkt nach dem Magnifikat nach Auffassung von Uta Ranke-Heinemann darauf, dass das Magnifikat ursprünglich Elisabeth zugeordnet wurde. Vers 56 von Lukas 1 lautet nämlich: „Und Maria blieb bei ihr etwa drei Monate; danach kehrte sie wieder heim.“ Das „ihr“ spreche dafür, dass in dem vorangehenden Text Elisabeth zu Wort gekommen ist.[28]

 

Die Abstammung Jesu – neu bewertet

 

Auf die Zweifel Uta Ranke-Heinemanns an der Darstellung der Abstammung Jesu bei Matthäus und Lukas wird auf dieser Website Abschnitt über die Stammbäume eingegangen. Zusätzlich zu erwähnen ist, dass die Theologin nicht nur die Authentizität der Stammbäume bezweifelt, sondern auch ihre Relevanz der Auflistung: „Das Jesus von Adam abstammt, wie Lukas beweist, ist zu beweisen gänzlich überflüssig, da jeder von Adam abstammt … Die Bedeutung von Jesus als Erlöser der Welt kann man ebenso wenig aus seiner Ahnenreihe herauslesen wie aus dem Kaffeesatz.“[29] Und sie fügt im Blick auf die Beweisführung mit den Stammbäumen hinzu: „Man kann aber die Bedeutung Jesu nicht an Kriterien messen, die an Gesichtspunkte er­innern, wie sie z. B. bei der Zucht von Rassepferden gelten, in deren Stammbaum ein edler arabischer Rassehengst von Wichtigkeit sein mag.“[30] Solche pointierten Aussagen lassen erkennen, warum die katholische Theologin für manche kirchliche Kreise ein „rotes Tuch“ ist.

 

Uta Ranke-Heinemann verweist auch auf einen Widerspruch zwischen den neutestamentlichen Wurzeln der Stammbäume und den Ahnennachweisen in der jüngeren deutschen Geschichte. In den Stammbäumen des Neuen Testaments legten die Christen großen Wert auf die Abstammung Jesu von dem jüdischen König David. „Für sich selbst allerdings suchen die Christen häufig genau entgegengesetzte Ahnenforschung zu betreiben und nachzuweisen, dass sie gerade nicht von David oder überhaupt einem Juden abstammen.“[31]

 

Die Geschichte vom Kindermord von Bethlehem, kein Grund zur Trauer

 

Über den Kindermord schreibt Uta Ranke-Heinemann: „Erfüllung einer Prophezeiung ist auch die schreckliche Herodesgeschichte mit dem Mord an den kleinen Jungen von Bethlehem. Trauer über diese Tode brauchen wir dennoch nicht zu empfinden. Die ganze Geschichte ist wie die der drei Weisen aus dem Morgenland ein Märchen und nur wegen einer Prophezeiung geschehen.“[32] Die Professorin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die Prophezeiung bei Jeremia, auf die Matthäus sich im zweiten Kapitel seines Evangeliums beruft, nicht durch den Kindermord in Bethlehem erfüllt werden konnte. Erstens war der Ort der Handlung bei Jeremia nicht Bethlehem, sondern Rama, und zweitens weinte Rahel nicht um ihre toten Söhne, sondern diese kehrten später wohlbehalten aus dem Land der Feinde heim (Jeremia 31,15).

 

Die streitbare Theologin geht noch einen Schritt weiter: „Aber wenn man die Erzählung des Kindermordes doch für bare Münze nähme, dann müsste man die Frage stellen, warum denn Gott zwar seinen eigenen Sohn rettete, indem er Josef im Traum einen warnenden Engel schickte, warum er aber anderer Väter und Mütter kleine Söhne ohne Warnung sterben ließ.“[33] Uta Ranke-Heinemann plädiert dafür, den fantastischen Fabeln den Rücken zu kehren und sich dem zuzuwenden, was Jesus verkündet hat, die Wahrheit der Liebe Gottes.[34]

 

© Frank Kürschner-Pelkmann

 

Weitere Beiträge der Reihe "Ökumenische Porträts" finden Sie auf der Seite "Ökumenische Porträts". 

 

 



[1] „Weihnachten – Das Zaubertor zum Christentum“, Interview mit Uta Ranke-Heinemann, 12.12.2010, auf www.kirche-hamburg.de

[2] Weihnachten – das Zaubertor zum Christentum, Interview mit Uta Ranke-Heinemann, 12,12,2010, www.kirche-hamburg.de

[3] Vgl. Uta Ranke-Heinemann: Der BDM-Keller im Hause meines Vaters, in: Alfred Neven DuMont (Hrsg.): Erinnerungen an die Jahre unter dem Hakenkreuz, Köln 2007, S. 95ff.

[4] Uta Ranke-Heinemann: Mein siebenfaches negatives Glaubensbekenntnis, Magada, Das Magazin der Autoren, www.magda.de

[5] Uta Ranke-Heinemann: Nein und Amen, München 1992, S. 436

[6] Der Spiegel, 7.4.2005

[7] Joseph Ratzinger: Einführung in das Christentum, 2. Auflage, München 1968, S. 225

[8] Zitiert nach: Abschied vom traditionellen Christentum, Christ im Dialog. 2.10.2010

[9] Zitiert nach: ebenda

[10] Zitiert nach: Der Spiegel, 25.5.1997

[11] Uta Ranke-Heinemann: Nein und Amen, München 1992, S. 420

[12] Vgl. Der Spiegel, 25.5.1997

[13] Interview mit Uta Ranke-Heinemann, Stern, 17.12.2003

[14] Vgl. Ein Blütenpreis für Uta Ranke-Heinemann, queer.de, 2.8.2009

[15] Uta Ranke-Heinemann: Meine Suche auf den Spuren Gottes, Vortrag in Feldkirch, 29.5.2003

[16] Ebenda

[17] Vgl. Uta Ranke-Heinemann: Nein und Amen, a.a.O., S. 417

[18] Ebenda, S. 411f.

[19] Ebenda

[20] Uta Ranke-Heinemann: Nein und Amen, a.a.O., S. 15

[21] Vgl. ebenda, S. 60

[22] Ebenda, S. 62

[23] Ebenda

[24] Ebenda, S. 63

[25] Ebenda, S. 65

[26] Ebenda

[27] Vgl. ebenda, S. 417

[28] Vgl. ebenda, S. 71

[29] Ebenda, S. 97

[30] Ebenda, S. 98

[31] Ebenda, S. 114f.

[32] Ebenda, S. 45

[33] Ebenda, S. 47

[34] Vgl. ebenda, S. 16