Die globale Vorherrschaft einiger Medien

  

Ich habe bewusst den Werbebereich an den Anfang dieses Kapitels gestellt, weil die Massenmedien immer stärker von den Zielen und Vorgaben der Werbekunden geprägt werden. Viele Hochglanz-Frauenzeitschriften sind ein Beispiel dafür, wie die Grenzen zwischen Werbung und redaktionellem Angebot immer unkenntlicher werden. Fast könnte man sagen, das sei bei diesen Zeitschriften auch nicht so wichtig, weil vieles von dem, was an redaktionellem Angebot übrig geblieben ist, ohnehin nur noch das Umfeld für die Anzeigen liefert und Artikel von Anzeigenkunden propagiert.

 

Aber auch in anderen Medien wird die Grenze von redaktionellem Teil und Werbung sowie Public Relations-Texten immer fließender. Günter Bentele, Professor für Öffentlichkeitsarbeit an der Universität Leipzig, verweist auf Untersuchungen, die nachweisen, dass zwei Drittel der redaktionellen Inhalte von Zeitungen und anderen Medien auf PR-Quellen zurückgehen, also auf Selbstdarstellungen von Unternehmen, Politik, Behörden und anderen Organisationen. Public Relations habe also einen „hohen Einfluss auf den Journalismus“.[1]

 

Ein Ergebnis ist, dass die Botschaften und Wertvorstellungen derer, die die gegenwärtige Globalisierung und den ungehemmten Konsum propagieren, direkt in den redaktionellen Teil vieler Medien einfließen. So wird von einem verantwortlichen Journalisten des „Manager Magazins“ kritisiert, dass die Journalisten zu selten über skandalöse Vorgänge in der Wirtschaft berichten oder das Thema nach kurzer Zeit wieder fallen lassen. Der härtere Kampf um Anzeigenerlöse, so Wolfgang Kaden, habe zu einem verstärkten Druck auf Verlage und Redaktionen geführt.[2] Das hat offenkundig gravierende Auswirkungen darauf, wie die Debatte um die vorherrschende und eine alternative Globalisierung ausgeht.[3]

 

Wenn Skandale in anderen Teilen der Welt dann nicht mehr oder nur in sehr knapper Form zum Thema werden, wenn ein bedeutender Anzeigenkunde darin involviert ist, bedeutet dies für die Betroffenen vor Ort, dass ein öffentlicher Druck auf das Unternehmen in dem Land ausbleibt, in dem es seinen Hauptsitz hat. Deshalb haben die Beschäftigung mit dem Zustand des Medienbereichs, die Aufdeckung von Missständen und die Entwicklung von Alternativen im Rahmen von Konzepten für eine andere Globalisierung einen hohen Stellenwert.

 

Die Auswirkungen der Medienkonzentration auf die Berichterstattung

 

Weltweit gibt es Hunderttausende von Medien aller Art, vom vierseitigen Gemeindebrief bis zu global ausgestrahlten Fernsehprogrammen. Betrachtet man die Massenmedien, so fällt auf, dass in den letzten Jahrzehnten ein starker Konzentrationsprozess stattgefunden hat. Einige global agierende Konzerne haben es geschafft, Hunderte von Zeitungen, Zeitschriften, Buchverlagen, Radio- und Fernsehsendern sowie Filmstudios unter ihre Kontrolle zu bringen. Bedenklich ist daran nicht zuletzt, dass es eine immer engere Verflechtung von Medieninteressen und anderen wirtschaftlichen Interessen gibt. So besitzen 16 der 20 größten multinationalen Konzerne auch bedeutende Medienanteile.[4]

 

Damit ist eine unabhängige Berichterstattung über diese Konzerne nicht mehr gewährleistet und es kommt immer häufiger zu Interessenkonflikten zwischen journalistischer Verantwortung und den kommerziellen Interessen des Mutterkonzerns, bestimmte Informationen zu verbreiten und andere geheim zu halten. Außerdem gewinnen westliche Wirtschaftsinteressen und westliche Perspektiven immer mehr Gewicht in der Berichterstattung. Der christliche Medienfachmann Michael Traber stellte in einem Zeitschriftenbeitrag fest: „Mit internationaler Teilnahme oder Austausch hat diese Globalisierung allerdings nichts zu tun. Globalisierung ist weitgehend Amerikanisierung. Die globalen Medien dienen der Ausbreitung der amerikanischen, japanischen und europäischen Wirtschaft.“[5]

 

Das Imperium von Rupert Murdoch ist ein Beispiel dafür. Er besitzt zahlreiche Zeitungen (wie die britische „Times“), Buchverlage und Fernsehsender (wie „Fox TV“ in den USA), und so kann es nicht überraschen, dass er sich in einem Interview nicht daran erinnern konnte, dass auch eine Zeitung in Fidschi zu seinem Medienreich gehört.[6]

 

Nach Angaben des Murdoch-Medienimperiums kann ein Viertel der Menschheit die eigenen Fernsehprogramme sehen.[7] Wie brisant solche Machtkonzentration ist, zeigt sich zum Beispiel in den Geschäftsbeziehungen zu China. Murdoch hat es geschafft, in dem aus der Sicht der Herrscher in Peking sensiblen Medienbereich des Landes Fuß zu fassen. Das hat seinen Preis. Noch harmlos erscheint, dass der Medienmagnat den Satz nicht wiederholt, Satellitenfernsehen sei „eine klare Bedrohung für jedes totalitäre Regime“. Er war in Peking gar nicht gern gehört worden. Gravierender wirkt sich aus, dass Murdoch in seinem Satellitenfernsehangebot aus Hongkong nach Interventionen aus Peking das Nachrichtenprogramm der BBC strich, weil es kritisch aus China berichtet hatte.[8]

 

Auch die Tatsache, dass sich der letzte britische Gouverneur in Hongkong, Chris Patten, mehr als einmal kritisch zu den politischen Plänen der chinesischen Regierung geäußert hatte, blieb nicht ohne Konsequenzen. Als der renommierte Verlag HarperCollins, der zum Murdoch-Konzern gehört, ein Buch Pattens herausbringen wollte, intervenierte der Verleger in letzter Minute und ließ den Titel aus dem Programm werfen.[9] Auch die China-Berichterstattung der britischen „Times“ wurde auf die neue Linie gebracht. Der frühere Ostasien-Redakteur der Zeitung berichtete 1998, dass die Zeitung „einfach beschloss, wegen der Interessen Murdochs die seriöse Berichterstattung über China einzustellen“.[10]

 

Im Bündnis mit autoritären Regierungen

 

Das Bündnis von Medienmagnaten und autoritären Regierungen hat ihren Preis, und der lautet oft: die Freiheit der Presse. Wie fatal Medienmacht und politische Macht verbunden werden können, beweist auch Silvio Berlusconi in Italien.[11] Noch häufiger ist der Fall, dass Medienkonzerne ihre verschiedenen Medien ganz gezielt einsetzen, um ein Produkt des eigenen Konzerns mit geballter Medienmacht rund um den Globus zu propagieren. So wird ein Film aus den eigenen Studios in allen Zeitungen und Zeitschriften, Radio- und Fernsehstationen des Konzerns gelobt, das dazugehörige Buch kommt im eigenen Buchverlag heraus, die Filmmusik wird vom Musikverlag vermarktet und natürlich wird der Film in den eigenen Kinos präsentiert. Medienkenner wissen, wie all diese Unternehmen verflochten sind, und wundern sich über das überschwängliche Lob in der Zeitung X und das werbende Exklusiv-Interview mit der Hauptdarstellerin im Fernsehsender Y nicht. Alle anderen wundern sich auch nicht, weil sie gar nicht durchschauen, wie aus vermeintlich unabhängigen Medien PR-Instrumente für konzerneigene Produkte gemacht werden. Die Konzerne selbst nennen den Vorgang „Synergieeffekte“.

 

Besonders attraktiv ist unter diesem Gesichtspunkt der Kauf von Kabelnetzen, weil die großen Medienkonzerne, damit die Kontrolle darüber erhalten, was den Zuschauerinnen und Zuschauern auf elektronischem Wege geliefert wird und wie sie bald interaktiv die breite Palette der Produkte dieses Medienkonglomerats erwerben können. Es gibt zwei international ausgestrahlte Fernsehprogramme, die auf ihre je eigene Weise dazu beitragen, die Globalisierung zu einer medialen Realität zu machen, CNN und MTV.

 

CNN hat eine neue Form des Nachrichtensenders geschaffen. Rund um die Uhr werden Fernsehnachrichten aus aller Welt präsentiert – genauer muss man wohl sagen, aus den Metropolen der Welt, vor allem den westlichen Metropolen, und aus all jenen Weltregionen, wo geschossen wird oder wo es sonst etwas zu berichten gibt, was nach US-amerikanischen Maßstäben eine Nachricht ist. Dank Satellitentechnik ist CNN vor Ort, wenn US-Bomber den Irak angreifen oder eine Geiselnahme mit einem Schusswechsel zu Ende geht. So wird das Bild vieler Menschen von dem geprägt, was auf der Welt vor sich geht. Es ist in doppelter Weise verzerrt. Die komplexe Realität der Welt wird radikal auf das reduziert, was „berichtenswert“ erscheint, nach CNN-Maßstäben sind das vor allem gewaltsame Konflikte und die Politik jener Regierungen, die als wichtig angesehen werden. Außerdem wird dieses Geschehen aus US-amerikanischer Perspektive betrachtet und kommentiert.

 

Auf den ersten Blick hat MTV nicht viel mit CNN gemein, geht es in dem Programm doch um populäre Musik. Aber so wie CNN das politische Bild von Millionen Menschen in aller Welt prägt, tut dies MTV bei vielen Millionen Jugendlichen auf kulturellem Gebiet. Seit 1981 beherrscht MTV den globalen Musikmarkt und wird auch als „Monopoly Television“ bezeichnet. Der Sender hat praktisch alle großen Musikproduktionsfirmen dazu gebracht, parallel zum Musiktitel einen Videoclip herzustellen und zunächst MTV exklusiv zur Ausstrahlung anzubieten. Wer sich an diese „Spielregel“ nicht hält, muss damit rechnen, dass der eigene Clip überhaupt nicht von dem Sender ausgestrahlt wird, und dann ist es sehr, sehr schwer, irgendeinen Erfolg auf dem hart umkämpften Musikmarkt zu erzielen. Umgekehrt genießen einige wenige große Musikkonzerne eine privilegierte Position bei MTV. Ihre Clips werden automatisch umgehend zu den besten Sendezeiten ausgestrahlt. 90 Prozent der weltweit verkauften CDs stammen von diesen Konzernen. Es kommt noch etwas hinzu. MTV hat mit seinem Clip-Fernsehen Maßstäbe dafür gesetzt, wie ein erfolgreiches Musikprogramm auszusehen hat. So hat der Sender global die Jugendkultur und das Sehverhalten einer ganzen Generation geprägt.

 

Die globale Herrschaft westlicher Medienkonzerne

 

Die meisten globalen Medienkonzerne haben ihren Sitz in den USA, einige wenige in Westeuropa und Japan. In der „zweiten Liga“ der Medien-Globalisierung spielen auch einige Konzerne aus dem Süden der Welt mit, so der Globo-Konzern in Brasilien, der mit seinen Telenovelas internationale Verkaufserfolge erzielt. Ansonsten ist der Süden der Welt vor allem als Abspielort für Filme und Fernsehserien gefragt. Für die globalen Konzerne ist dies ein relativ unbedeutender Markt, aber immerhin lassen sich hier noch Einnahmen erzielen, wenn die lukrativeren Märkte in Nordamerika und Europa schon ausgeschöpft sind.

 

Die Billigangebote aus dem Norden haben in ärmeren Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas negative Wirkungen. Sie verdrängen die lokalen Produzenten von Kino- und Fernsehfilmen an den Rand des Marktes. Die importierten Filme sind viel billiger als die heimischen Produktionen und technisch meist viel perfekter. Zwar sind beim Publikum heimische Produktionen oft sehr beliebt, aber bei der finanziell prekären Situation vieler Sender wird das preiswerte Importangebot gewählt. Diese Filme transportieren eine gänzlich fremde Welt mit all ihren Werten und oft auch mit ihrer Gewaltverherrlichung in die Kinos und Wohnzimmer.

 

Ähnliches gilt auch für die Druckmedien. Viele Zeitungen in Afrika verwenden oft immer noch die Berichte von europäischen und nordamerikanischen Nachrichtenagenturen, wenn sie über andere afrikanische Länder berichten. Das liegt, muss man einräumen, auch daran, dass viele afrikanische Nachrichtenagenturen von miserabler Qualität sind, was nicht oder nicht primär an den Journalistinnen und Journalisten liegt, sondern daran, dass die Regierungen diese Agenturen strikt kontrollieren und zu Instrumenten der eigenen Propaganda machen. Da scheint es verlässlicher zu sein, sich auf den Reuter-Korrespondenten zu verlassen und dessen Bericht über eine Regierungskrise im Nachbarland abzudrucken. Dass dies dann oft ein Bericht aus einem europäischen Blickwinkel ist, stört zwar viele, aber die Propaganda der Regierungen der Nachbarstaaten will auch kein verantwortlicher Chefredakteur nachdrucken.

 

Die Öffnung der Märkte verstärkt die Medienkonzentration

 

Gegenwärtig verstärkt sich der Druck auf die Länder des Südens, ihre Medienmärkte für die internationale Konkurrenz zu öffnen, so auch durch Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO.[12] Dies geschieht mit dem Argument, kulturelle Produkte sollten nicht von der Handelsliberalisierung ausgeklammert werden. Der Effekt ist, dass noch mehr Fernsehprogramme aus den USA und Westeuropa in Afrika, Asien und Lateinamerika ausgestrahlt werden und dass halbwegs lukrativ erscheinende lokale Medien aufgekauft werden. Cees J. Hamelink, einer der führenden ökumenischen Denker in Kommunikationsfragen, hat beim letzten Kongress der Weltvereinigung für christliche Kommunikation (WACC) im Juli 2001 in diesem Zusammenhang festgestellt: „Ein wirksames Handeln auf dem globalen Markt ist nur großen integrierten Unternehmen möglich, Konglomeraten, die verschiedene Bereiche der Medienindustrie umfassen. Diese Konglomerate befinden sich zurzeit in einem Konsolidierungsprozess, mit dem ein hoher Grad von Konzentration verbunden ist. Medien-Globalisierung ist daher eine starke Ausdehnung einer kleinen Zahl von Medienkonglomeraten ... Die wichtigsten Botschaften dieser globalen Konglomerate sind kommerzieller Natur. Die Menschen in aller Welt werden besser informiert über Konsumgüter und Orte, wo mit Vergnügen eingekauft werden kann, als über die Konsequenzen des globalen Konsums auf die Umwelt. Medien-Globalisierung besteht also in hohem Maße darin, in aller Welt die Botschaft des globalen Konsumerismus zu propagieren.“[13]

 

Wie die Medien sich ganz allmählich unter dem Druck der Kommerzialisierung und der Orientierung an Konsum und Gewinn verändern, zeigt sich zum Beispiel auch darin, dass Aktienkurse und Meldungen von der Börse immer breiteren Raum in den Nachrichtensendungen einnehmen. Dagegen hat sich zum Beispiel im August 2001 die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen öffentlich gewandt.[14]

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen: In der Welt sind nur noch sehr kleine Bevölkerungsgruppen aus der globalen Kommunikation ganz ausgeschlossen, verfügen also nicht einmal über ein Transistorradio. Aber alle Gruppen am Rande des internationalen Wirtschafts- und Kommunikationssystems, die nur Empfänger der Botschaften sind und keinerlei Einfluss auf ihre Inhalte haben, sind stark gefährdet, zu Opfern dieses Systems zu werden.

 

Die marginalisierten Gruppen innerhalb der einzelnen Länder bleiben weiterhin Objekte der Berichterstattung und passive Nutzer von zunehmend international verbreiteten Medien, auf die sie keinerlei Einfluss haben, deren Botschaften aber ihre Kultur und Lebensweise, ihre Wertvorstellungen und religiösen Überzeugungen gravierend verändern.

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

 

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

 

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann

 

 



[1] Vgl. epd-Zentralausgabe, 26.9.2002

[2] Vgl. epd-Zentralausgabe, 17.11.2001

[3] Vgl. hierzu auch den Beitrag von John Pilger: „Geschichte ohne Erinnerung“ im Südwind-Magazin, Mai 2001, S. 34

[4] Vgl. Action, Newsletter der Weltvereinigung für Christliche Kommunikation, Januar 2002, S. 2

[5] Michael Traber: Von der schwindenden Macht der indischen Großmütter, in: Wendekreis, 10/2001, S. 8

[6] Vgl. Frank Kürschner-Pelkmann: Von Gutenberg bis Internet, Weltmission heute 26, Hamburg 1997, S. 35ff.

[7] Vgl. den Beitrag „Murdoch, der Eroberer“, Die Zeit, 51/2001

[8] Vgl. Südwind-Magazin, Mai 2001, S. 30

[9] Rupert Murdoch soll gesagt haben: „Kill the book! Kill the fucking book!“, diese Sätze bestreitet der Verleger, der Vorgang selbst ist unbestritten, vgl. u. a. Süddeutsche Zeitung, 13.5.2002

[10] Zitiert nach: Südwind-Magazin, Mai 2001, S. 30

[11] Vgl. den Beitrag „Mediaocracy“ in Action, Newsletter der Weltvereinigung für Christliche Kommunikation, Juli 2001

[12] Vgl. Gerhard Klas: Freie Fahrt für die Medien-Multis, in: Publik-Forum, 23/2000, S. 13f.

[13] Cees J. Hamelink: Confronting cultural rights, in: Media Development, 4/2001, S. 45

[14] Vgl. epd-Zentralausgabe, 22.8.2001