Der Engel erscheint Zacharias, Fresco in der griechisch-orthodoxen St.-John-Kirche in Jerusalem
Der Engel erscheint Zacharias, Fresco in der griechisch-orthodoxen St.-John-Kirche in Jerusalem Foto: iStock.com/sedmak

Ankündigung der Geburt Johannes des Täufers

 

Lukas 1,5-25 Bibeltext

 

Am Anfang des Lukasevangeliums wird von einem älteren Ehepaar, Zacharias und Elisabeth, berichtet, das lange Zeit vergeblich auf ein Kind gewartet hat. Nicht überlesen sollten wir den Hinweis, dass das, was Lukas nun berichtet, in der Zeit des Herodes geschah. Schon hier, und stärker noch bei der Beschreibung der Geburt Jesu, verbindet Lukas die Heilsgeschichte des Evangeliums mit der politischen Geschichte von Judäa und Galiläa. Es geht Lukas dabei nicht nur darum, die Geburtsgeschichten von Johannes und Jesus in die Zeitgeschichte einzuordnen, son­dern er will das Heilsgeschehen als Kontrastgeschichte zur Herrschaft der übermächtigen römischen Kaiser und ihres Vasallen Herodes verstanden wissen. Das wird an anderen Stellen seines Evangeliums noch deutlicher. Aber bereits hier soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass es alles andere als ein Zufall ist, dass der erste Vers der Darstellung von Lukas mit König Herodes beginnt, des Königs von Judäa, der nach neutestamentlicher Überlieferung bald darauf dem Jesuskind nach dem Le­ben trachten sollte.

 

In diesem Abschnitt des Lukasevangeliums hat Zacharias den aktiven Part, während Elisa­beth im Hintergrund bleibt. Es wird erzählt, dass der Priester Zacha­rias das Räucheropfer im Tempel von Jerusalem darbringen sollte und ihm dabei ein Engel erschien und ankündigte, dass seine Frau Elisabeth ein Kind gebären werde und dass er es Johannes nennen sollte. Das Wunderbare an der Botschaft wird dadurch betont, dass Zacharias sich selbst als alt und seine Frau als betagt bezeichnet.

 

Durch die angekündigte Mutterschaft würde Elisabeth die langjährige Herabsetzung in ihrer Umgebung abschütteln können. Die bisherige „Schmach unter den Men­schen“ war durchaus real. In der Hebräischen Bibel wird berichtet, dass Frauen wie Rebekka und Rahel erleben mussten, wie schändlich eine Gesellschaft mit Frauen umging, die als unfruchtbar galten. So unterschiedlich die Kulturen rund ums Mit­tel­meer in der Antike auch waren, eine kinderlose Frau war überall Diskriminierungen ausgesetzt, und dies galt auch für das alte Israel. Über das kinderlose Ehepaar Elisabeth und Zacharias hat der Schweizer Theologe Karl Barth geschrieben: „Kinder haben, viele Kinder haben, gilt im Alten Testament als ein besonderes Zeichen des Segens des Herrn. Sie hatten kein Kind.“[1]

 

Es geht im neutestamentlichen Bericht über Zacharias und Elisabeth also um die Befreiung von ganz konkreter Not, und dies ist ein Grundzug des ganzen Neuen Testaments, ja der ganzen Bibel. Bewusst wird Elisabeths gottgefällige Le­bens­weise hervorgehoben, da­mit die Kinderlosigkeit nicht als Strafe Gottes gedeu­tet werden kann. Die feministische Theologin Claudia Janssen erinnert daran, dass in der Antike durchgängig angenommen wurde, dass die Ursache für die Kinderlosigkeit bei der Frau und nicht beim Mann lag.[2] Daher hatte sie allein die Schande zu tragen. Claudia Jans­sen schreibt in einer Bibelauslegung über Elisabeth: „Ihre Leidensgeschichte als kinderlose alte Frau dient als Schlüssel für das Verständnis der Aussage des ganzen Kapitels: Gott steht auf der Seite der Frauen und wird das Volk aus Unterdrückung und Erniedrigung befreien.“[3]

 

Die Theologin weist auf den engen Zusammenhang des Anfangs und des Endes des Lukasevangeliums hin, auf die Geburt von Johannes dem Täufer und Jesus und dann nach Jesu Tod auf die Verkündigung des „Lebendigen“ durch Frauen. In beiden Fällen übernehmen Frauen wichtige Rollen. Claudia Janssen fährt fort: „Das Mo­tiv der unfruchtbaren alten Frau, die wider alle menschlichen Erfahrungen, nach tiefem Leid und der Erfahrung des (sozialen) Todes, ein Kind zur Welt bringt, ist ein Bild, um diese Erfahrung von Auferstehung zu beschreiben. Leid, Zweifel, Hoffnungslosigkeit wie das Hoffen gegen alle menschliche Vernunft und die Errettung durch Gottes Handeln finden in diesem alten Motiv ihren Ausdruck.“[4]

 

Für Elisabeth muss die Ankündigung ihrer Schwangerschaft, wie sie Lukas darstellt, nicht nur etwas Befreiendes, sondern auch etwas Erschreckendes gehabt ha­ben. Dies betraf nicht nur das Auftreten des Engels. Es war auch die Frage: Was würden ihre Verwandten, ihre Nachbarn dazu sagen, dass sie in diesem hohen Alter schwanger wurde? Elisabeth hielt sich, erfahren wir von Lukas, fünf Monate lang verborgen, ein Zeichen, wie groß der soziale Druck auf Frauen war, die von den Normen der Gesellschaft abwichen.

 

Die Verkündigung im zentralen jüdischen Heiligtum

 

Dass in der Darstellung von Lukas der Engel dem Priester Zacharias im Allerheiligsten des Tempels erschien, wo er das Räucheropfer vollzog, war kein Zu­fall. Es wurde die hohe religiöse Stellung von Zacharias hervorgehoben und ebenso die Bedeutung der Ankündigung des Engels. Allerdings, wenn wir dem indi­schen katholischen Theologen Peter Kochalumkal folgen, hatte es für den Pries­ter hier besonders negative Konsequenzen, dass er die Botschaft des Engels infrage stellte. Im Falle des einfachen und jungen Mädchens Maria wurde hingenom­men, dass sie fragte, wie das angekündigte wunderbare Geschehen denn passieren sollte, bei einem Priester in hervorgehobener Position und dazu im Allerheiligsten hingegen nicht. Peter Kochalumkal betont: „Ein Priester muss gewissenhaft daran glauben, dass der Allmächtige in jedem Augenblick, an jedem Ort und um jeden Preis eingreifen kann. Die priesterlichen Pflichten erfordern einen absoluten und untade­ligen Glauben.“[5] Erschwerend kam hinzu, dass Zacharias (anders als Maria) für ein Kind gebetet hatte, das nun angekündigt wurde. Gemessen daran hielt sich die Strafe in Grenzen, der Priester musste stumm bleiben, bis das Kind geboren würde. Lukas wollte mit dieser Episode vielleicht betonen, wie wun­der­bar die angekün­digte Geburt von Johannes war, wo selbst der Vater zunächst nicht daran glau­ben wollte.

 

Die Ankündigung des Engels, dass sich viele über die Geburt von Johannes freuen würden, hat der berühmte Schweizer Theologe Karl Barth erläutert: „Es geht im Evangelium des Lukas um das Wort Gottes, und wenn alles sich zunächst abzuspielen scheint im Rahmen eines Familienlebens, so ist es darum doch Gottes Geschichte. Sie erfüllt einen weiteren Raum, und indem deine stillen Gebete erfüllt werden, werden zugleich Gottes Werke getan. Viele werden sich seiner Geburt freuen.“[6]

 

Zu beachten ist ein Halbsatz in der Ankündigung des Engels, nämlich das der angekündigte Sohn des Zacharias: „Und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft Elia …“ Vor wem Johannes hergehen wird, ist für Lukas eindeutig. Johannes wird das Volk auf das Kommen von Jesus vorbereiten. Umso bemerkenswerter ist, dass die Ankündigung der Geburt von Johannes im Tempel erfolgt, also im religiösen Zentrum aller Jüdinnen und Juden in Jerusalem, während bald darauf Maria von der Geburt ihres Sohnes bei sich zu Hause erfährt, in einem ärmlichen Dorf in Ga­liläa namens Nazareth, so jedenfalls die Darstellung von Lukas. Die Geburt von Johannes wird in einem Heiligtum des Judentums verkündet, und dazu passt die Ankündigung des Engels: „Und er wird viele der Israeliten zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren.“ Demgegenüber kann der ärmliche Rahmen für die Verkündigung der Geburt Jesu schon als Hinweis darauf verstanden werden, dass Jesus besonders im Evangelium des Lukas den Armen das Reich Gottes verheißen und Arme zu seinen Jüngerinnen und Jüngern machen wird. Auch für Jesus blieb der Tempel ein zentraler Ort des Glaubens, aber er betonte in seinen Predigten auch das Heil für alle Menschen auf der Welt, das von Gott ausgeht.

 

Viele fragen sich bei der Geschichte von Elisabeth und Zacharias, wie bei anderen Abschnitten der Weihnachtsgeschichte: Hat sich alles wirklich so zugetragen, wie Lukas es uns in seinem Evangelium überliefert hat? Marlis Gielen, Professorin für Neutestamentliche Bibelwissenschaft, hat in einer Veröffentlichung des Katholi­schen Bibelwerks den Aufbau dieser biblischen Geschichte analysiert und darin ein alttestamentliches Verkündigungsschema wiedergefunden: „1. Ein himmlisches Wesen erscheint; 2. die Geburt eines Sohnes wird angekündigt; 3. sein Name wird festgelegt und 4. seine Zukunft wird offenbart.“[7] Die Erzählung verknüpft dieses Verkündigungsschema mit dem Berufungsschema, bei dem Gott durch einen Boten spricht, der Mensch Bedenken äußert, die Bedenken durch Erklärungen ausge­räumt werden und den Menschen zur Bekräftigung ein Zeichen gewährt wird. Mar­­lis Gielen kommt zu dem Ergebnis: „… bestätigt der schematisch-konstruktive Charakter der Passage unbezweifelbar, dass wir es hier nicht mit einem Bericht über eine historisch so stattgefundene Begegnung zu tun haben, sondern dass es der Erzählung um eine theologische Erschließung der heilsgeschichtlichen Bedeu­tung Johannes des Täufers geht.“[8] Wir können nur voll Bewunderung lesen, will ich hier an­fügen, wie Lukas schon an dieser Stelle die verstreuten Informationen zu Geschich­te und Botschaft Jesus in sein Evangelium eingefügt hat, das Orientierung für den Glauben gibt.

 

© Frank Kürschner-Pelkmann

 

 

 



[1] Karl Barth: Die Verheißung, München 1960, S. 13

[2] Claudia Janssen: Eine alte Frau wird schwanger, in Junge Kirche, 6/2001, S. 10

[3] Claudia Janssen: Maria und Elisabeth singen …, Junge Kirche, 11/96, S. 621.

[4] Claudia Janssen: Eine alte Frau wird schwanger, in Junge Kirche, 6/2001, S. 14

[5] Peter Kochalumkal: Unwavering Faith, The Mission of the Called, Bible Bhashyam, 4/2003, S. 304

[6] Karl Barth: Die Verheißung, a. a. O., S. 18

[7] Marlis Gielen, Geburt und Kindheit Jesu, Stuttgart 2008, S. 22

[8] Ebenda, S. 23