Schritte zu einer anderen Globalisierung bei der Mobilität

 

1 Der Ausbau der Verkehrssysteme war eine wichtige Grundlage für die Entstehung des gegenwärtigen Globalisierungsprozesses. Vor allem angesichts der bedrohlichen ökologischen Folgen von Auto- und Luftverkehr muss nach anderen Formen der Mobilität und nach Möglichkeiten zur Begrenzung jener Formen der Mobilität gesucht werden, die Schaden anrichten.

 

2 Ein wichtiger Schritt dazu ist eine öffentliche Auseinandersetzung mit jenen ökonomischen und gesellschaftlichen Kräften, die Auto-Mobilität zu einer neuen Religion mit eigenen Tempeln und Heilsversprechungen gemacht haben. In diesen Auseinandersetzungen kommt den Kirchen eine wichtige Rolle zu. In dieser Frage ist eine intensive weltweite ökumenische Zusammenarbeit erforderlich.

 

3 Die Kirchen und die weltweite ökumenische Bewegung müssen Fragen der Mobilität stärker zum Thema machen, wobei theologische, ökologische, ökonomische und soziale Fragen in eine Gesamtanalyse und in ein Konzept für nachhaltige Formen der Mobilität einbezogen werden sollten. Daraus lassen sich dann überzeugende Konsequenzen für das Mobilitätsverhalten der einzelnen Christinnen und Christen, der Kirchen und der ökumenischen Organisationen gewinnen. Auf dieser Grundlage ist ein glaubwürdiges Engagement in der Gesellschaft möglich.

 

4 Der Autoverkehr ist mit den tatsächlich entstehenden Kosten im Verkehrs-, Gesundheits- und Umweltbereich zu belasten, was in einem Land wie Deutschland vor allem durch eine deutliche Erhöhung der Ökosteuer möglich ist. Dafür ist eine entschlossene Auseinandersetzung mit den Interessenverbänden erforderlich, die den Autoverkehr noch stärker ausweiten und vor Einschränkungen bewahren wollen.

 

5 Die Alternativen zum Autoverkehr sind sowohl bei uns als auch im Süden der Welt zu fördern. Dies sind insbesondere der öffentliche Nahverkehr, der Bahnverkehr und der Fahrradverkehr. Für alle drei Bereiche gibt es Konzepte, die aber oft an den fehlenden Finanzmitteln scheitern. Viele Kommunen in unterschiedlichen Teilen der Welt, zum Beispiel Curitiba in Brasilien, haben aber gezeigt, dass es möglich ist, die Alternativen zum Autofahren so attraktiv zu machen, dass viele Strecken jetzt mit dem Bus oder dem Fahrrad zurückgelegt werden.

 

6 Um in der Gesellschaft überzeugend zu sein, müssen die Kirchen selbst neue Konzepte der Mobilität umsetzen, vor allem die verstärkte Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Fahrrädern. In Deutschland gibt es hierfür eine Reihe von Initiativen, die aber eine breitere Unterstützung benötigen. Auf weltweiter Ebene hat sich der Ökumenische Rat der Kirchen im Rahmen seines Engagements für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung mit Fragen der Mobilität beschäftigt und Vorschläge entwickelt, die aber von den Kirchen bisher noch zu wenig diskutiert und übernommen werden.

 

7 Die Bahnangebote bei uns, aber auch in vielen Ländern im Süden der Welt müssen deutlich attraktiver werden, um mehr Menschen zu bewegen, dieses Verkehrsmittel statt das eigene Auto zu nutzen. Dafür sind größere Investitionen erforderlich. Es müssen aber auch Konzepte der Kommerzialisierung und Privatisierung des Bahnangebots überprüft werden. Das Interesse, Gewinne zu erzielen, muss nicht mit dem sozialen Ziel übereinstimmen, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, mit der Bahn zu fahren.

 

8 Der Luftverkehr ist eine der größten ökologischen Bedrohungen unseres Planeten. Deshalb sind rasch Schritte erforderlich, um den Trend zu immer mehr Flugreisen umzukehren. Dafür sind konkrete Maßnahmen wie die Besteuerung des Flugbenzins erforderlich, aber auch ein Umdenken in der Gesellschaft. Christinnen und Christen haben von ihrem Verständnis der Schöpfung her gute Gründe, durch das eigene Verhalten und in der gesellschaftlichen Debatte Zeichen zu setzen. Dazu gehört es zum Beispiel, die Angebote kirchlicher oder kirchennaher Reiseveranstalter zu überdenken, ebenso zum Beispiel Leserreisen von kirchlichen Zeitungen und Zeitschriften. Aber auch der Verzicht einzelner Christinnen und Christen auf Flugreisen ist ein Schritt auf dem Wege, ein Überleben dieser Erde zu ermöglichen.

 

9 Der Transport von Gütern auf dem Luftweg muss stärker in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Dazu gehört es, dass bewusst gemacht wird, wie viele Waren des täglichen Bedarfs auf dem Luftweg nach Deutschland kommen.

 

10 Die Tendenz, immer mehr Güter zu transportieren, um global an verschiedenen Orten zu produzieren und die eigenen Waren zu vermarkten, hat zu einer raschen Zunahme des Frachtverkehrs geführt. Um diese Entwicklung zu stoppen, müssen die Transportkosten dadurch erhöht werden, dass – wie beim Autoverkehr ebenfalls vorgeschlagen – die tatsächlichen Kosten im Verkehrs-, Gesundheits- und Umweltbereich bezahlt werden müssen. Um dies zu erreichen, sind in vielen Fällen internationale Übereinkommen erforderlich, weil sonst die Unternehmen eines Landes, zum Beispiel die Spediteure, sehr viel stärker betroffen sind und unter Umständen vom Markt verdrängt werden.

 

11 Viele Kosteneinsparungen im Verkehrsbereich sind in den letzten Jahren zulasten der Beschäftigten erreicht worden, sei es durch den Abbau von Arbeitsplätzen, sei es durch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Die Fernfahrer sind ein krasses Beispiel dafür, ein weiteres Beispiel sind die Seeleute. Ein globaler Verkehr braucht auch globale oder zumindest regionale Lösungen zum Schutz der Beschäftigten vor Lohnsenkungen und/oder vor Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Auf diesem Gebiet können Gewerkschaften und Kirchen eng zusammenarbeiten.

 

12 Weniger Mobilität, vor allem weniger Personen- und Warenbewegungen kreuz und quer durch die Kontinente und zwischen den Kontinenten, ist nicht nur ökologisch geboten, sondern eröffnet auch Chancen zu einem Leben mit mehr Zeit und einem Wirtschaften, das dem Ziel dient, ein Leben ohne Mangel für alle zu ermöglichen.

 

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann