Schneekanonen als Lösung?

 

Das Abschmelzen der Gletscher und die Verminderung der Schneefälle in Bergregionen haben auch gravierende wirtschaftliche Auswirkungen und dies besonders auf die Alpenregion, die in großem Umfang vom Wintersport lebt. In einer Studie der Universität Zürich zu Klimaveränderungen und Wintersport wurde 2003 geschätzt, dass allein für die Schweiz der wirtschaftliche Verlust des Tourismusbereichs durch Klimaveränderungen etwa 1,8 bis 2,3 Milliarden Schweizer Franken im Jahr betragen wird. Das entspricht circa 0,7 Prozent des Sozialprodukts des Landes.

 

Hoch gelegene Ferienorte mit Schneepisten in über 2.000 Metern Höhe haben zumindest in den nächsten Jahrzehnten die Gewähr, immer genug Schnee zum Skifahren bieten zu können. Aber Orte wie Kitzbühel auf einer Höhe von 760 Metern müssen fürchten, dass Wintersportler ausbleiben. Kitzbühel hat deshalb „aufgerüstet“ und setzt 700 Schneekanonen und Schneelanzen ein. Mit Druckluft wird Wasser zerstäubt, der Wassernebel gefriert dann und kommt als Schnee auf den Boden. Wenn es Minusgrade in der Nacht gibt, können die Schneekanonen binnen drei Wochen eine 40 bis 50 Zentimeter hohe Schneeschicht produzieren. 70 Prozent des Kitzbüheler Skigebietes werden inzwischen künstlich beschneit.

 

Um im Winter ausreichend Wasser für die Schneeproduktion zu haben, hat Kitzbühel sieben künstliche Speicherseen angelegt. Die Seen sind mit Folien ausgelegt, und am Grund sind Zapfstellen angebracht, von denen aus das Wasser durch unterirdische Rohre zu den Schneekanonen geleitet wird. Das Ergebnis: Am 10. Oktober 2018 berichtete die österreichische „Kronenzeitung“: „20 Grad in Kitzbühel: Skisaison startet trotzdem!“ Das hat in unserem Nachbarland zu heftiger Kritik daran geführt, wie negativ sich diese Form des Wintertourismus auf den ökologischen Fußabdruck Österreichs auswirkt.

 

Um einen Hektar Abhang mit einer 30-Zenti­meter-Kunst­schneeschicht zu bedecken, sind eine Million Liter Wasser erforderlich, 100 Liter je Quadratmeter. Es wurde berechnet, dass die Schneekanonen in den Alpen einen jährlichen Wasserverbrauch von etwa 100 Millionen Litern haben. Damit kommen die Hamburger ein ganzes Jahr aus. Auch der Energieaufwand ist beängstigend hoch. Allein in Bayern wird jedes Jahr so viel Energie für die Schneekanonen verbraucht, dass 8.000 Haushalte ihren Strombedarf damit decken könnten.

 

Das ganze System samt Computersteuerung ist teuer: Eine Schneekanone kostet ja nach Modell etwa 20.000 bis 40.000 Euro. Jeder Kubikmeter Schnee kostet zwischen drei und fünf Euro. Aber die Wintersportorte wollen ihren Gästen um jeden Preis Schnee bieten und sind inzwischen hoch verschuldet und auch die Urlauber werden zunehmend zur Kasse gebeten, so bei den Liftgebühren. Im Wettbewerb der Orte kann nur mithalten, wer ausreichend Schneekanonen einsetzt. In den alpinen Skigebieten wird bereits mehr als die Hälfte der Pisten künstlich beschneit.

 

Franz Speer, Naturschutzreferent beim Deutschen Alpenverein, hat schon vor Jahren auf die negativen ökologischen Folgen dieses massiven Kunstschneeeinsatzes hingewiesen. Die hohe Dichte des Kunstschnees vermindere die Sauerstoffversorgung der Böden. Es könne zu Fäulnis und Schimmelbildung kommen. Außerdem werde durch die lange Kunstschneesaison die Vegetationsperiode verkürzt und das habe negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Hinzu kommen die Probleme, ausreichend Wasser für die Schneekanonen bereitzustellen, zumal im südalpinen Raum eine Tendenz zu weniger Niederschlägen besteht.

 

Die zweite Strategie ist ebenfalls nicht unproblematisch. Es werden in bisher unberührten Landschaften in höheren Lagen neue Pisten angelegt und Lifte gebaut. Sehr sensible und komplexe Ökosysteme werden so gravierend beeinträchtigt. Wolfgang Görl schrieb am 27. Februar 2004 angesichts solcher Entwicklungen in der „Süddeutschen Zeitung“: „Im Blickwinkel der Freizeitindustrie erscheinen die Alpen als ein auf permanente Spaß- und Gewinnmaximierung ausgerichteter, gigantischer Ferienpark, in der eine gefügig gemachte Natur die Kulisse bietet fürs sportliche Treiben und Kunstschneepisten samt Gipfelzar mit Dancefloor-Almen.“

 

© Frank Kürschner-Pelkmann